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Nördlich von nirgendwo


Mittwoch, 15.7., 1. Tag


9.06: Nach langen Vorbereitungen starten wir vom Bahnhof Freienohl: Andree, Sebastian und Martin; zur Lappland-Tour 92 - unserer bislang größten Radtour. Unsere Räder sind bereits seit einer Woche unterwegs, zusammen mit den Lebensmittelpaketen.

Sebastian hätte in letzter Minute fast zu Hause bleiben müssen, lahmgelegt durch eine Lebensmittelvergiftung. Mit massiver Medikamentenunterstützung schleppt er sich aber am Mittwochmorgen tapfer zum Zug. Leider darf er in den nächsten beiden Tagen nicht viel essen, insbesondere aber kein Bier trinken - was ihm in unserer Gesellschaft schwer fällt.


Nach kurzer Fahrt ist Kassel erreicht, hier steigen wir in den ICE nach Hamburg um - für uns alle die erste Fahrt mit dem ICE. Dementsprechend neugierig machen wir uns schon nach kurzer Zeit auf, um den Superzug der Bahn näher zu erkunden. Er ist mit seiner Technik schon beeindruckend! Zuerst sind wir beim Blick aus dem Fenster auf die vorüberziehende Landschaft ein wenig enttäuscht von der relativ langsamen Geschwindigkeit; bis wir die Geschwindigkeitsanzeige auf dem Borddisplay entdecken: 247 Km/h! Nur an den schwankenden Schritten beim Durchqueren des Zuges fällt einem die hohe Geschwindigkeit richtig auf. Auch die von uns gebuchten Video-Plätze vertreiben einem recht gut die Zeit (mit Kopfhörer hätte man natürlich noch mehr davon). Beim Gedanken an die Fahrt mit den Jungpfadfindern Ende August nach Assisi (bei der wir ebenfalls den ICE benutzen wollen) befällt uns allerdings die bange Frage, wo all das Gepäck untergebracht werden soll? Hier haben die Planer wohl nicht an Pfadfinder gedacht! Der freundliche Zugbegleiter informiert uns auf Anfrage, dass jeder Reisende das Recht hat, soviel Gepäck mitzunehmen, wie über und unter seinem Sitz verstaut werden kann - d.h., mit einem mittelgroßen Rucksack ist man damit schon fast am Ende. Beim Umsteigen in Hamburg Hbf werden uns zum ersten Mal die Taschen schwer: mit all den Satteltaschen, Umhängetaschen, Lenkertaschen fühlen wir uns wie Django - nur ohne Pferd. Natürlich fährt auch die Rolltreppe gerade in die falsche Richtung! Schnell werden noch letzte Bücher für die einsamen Stunden in Lappland gekauft, später brachten vor allem die Zombie-Kurzgeschichten viel Erheiterung, dann läuft auch schon der Nachtzug nach Stockholm ein.

Wer wird mit uns im Abteil sein? Wir denken zurück an die Fahrt 1990 durch Nordeuropa - damals waren wir zu sechst unterwegs und hatten somit jeweils ein komplettes Abteil für uns allein - selbst kochen konnten wir unterwegs im Zug (und auch schon mal eine kleine Überschwemmung mit einem umstürzenden Topf anrichten...)

Doch welch erfreuliche Überraschung: es erwarten uns drei junge Damen im Abteil; 2 Norwegerinnen auf der Rückfahrt zu den Lofoten und eine junge Schwedin, die wohl als Au-Pair-Mädchen gearbeitet hat. Als wir nach einiger Zeit unsere Landkarten herausziehen und uns nochmals die Reiseroute ansehen, erleben wir bei ihnen nur ungläubiges Staunen.

Irgendwie macht sich die Hektik des Tages langsam bemerkbar, und wir richten uns auf unseren Liegen für die Nacht ein. Zunächst gilt es aber noch, die kostenlose Fährüberfahrt von Puttgarden nach Rödby zu genießen und letzte zollfreie Einkäufe zu tätigen. Hätten wir doch nur von manchen Dingen mehr gekauft! Bald geht es weiter durchs inzwischen nächtliche Dänemark; wir kriechen unter die Decken.

Mitten in der Nacht werden wir aus dem Schlaf aufgeschreckt: erst wollen die dänischen Grenzer unsere Pässe sehen, kurz darauf die schwedischen. Zu allem Überfluss sind auch noch die Toiletten abgeschlossen, was am meisten quält. Immer wieder rangiert der Zug vor und zurück, bis alle Waggons von der Fähre herunter sind. Ganz schön störend! Es dauert lange, bis wir wieder einschlafen können.


Donnerstag, 16.7., 2. Tag

Gegen 5 Uhr verlässt die Schwedin in einer kleinen Stadt den Zug; wir anderen frühstücken und kommen ein wenig miteinander ins Gespräch. Die beiden Norwegerinnen sind Studentinnen und mit Interrail unterwegs gewesen; für sie endet mit dieser Fahrt die Ferienzeit. Wir verabreden, sie auf der Rückfahrt von Tromsö nach Narvik zu besuchen, falls uns noch genügend Zeit für einen Abstecher nach Harstad bleibt.

Draußen wird das Wetter immer besser; gegen 10 Uhr tauchen die ersten Vororte von Stockholm auf, und wir machen uns startklar. Da der Zug in Stockholm Zentrum endet, besteht keine Notwendigkeit zur Eile. Weil der Anschlußnachtzug erst um 1 Uhr abfährt, wollen wir uns in der Zwischenzeit intensiv Stockholm ansehen. Zunächst muss aber erst das Gepäck ins Schließfach. Leider mangelt es uns doch gewaltig an 5-Kronen-Stücken und es dauert eine ganze Weile, bis wir genügend eingetauscht haben.

Dann geht's los! Die Einkaufsmöglichkeiten in den Markthallen am Hö Torget begeistern uns nicht besonders (vor allem in Bezug auf die hohen Preise), also hinein in einen schwedischen Supermarkt und genug für ein Picknick gekauft.

Von früheren Stockholmaufenthalten kennen wir ein paar nette Plätzchen, wo man sich ausruhen und gleichzeitig eine Menge sehen kann. Und siehe da: die Kinderband von vor 2 Jahren ist auch schon wieder da! Inzwischen schon mit einer eigenen Kassette! Und als wir unsere alte Pizzeria in der Einkaufszone sehen, können wir nicht mehr widerstehen: zum Pauschalpreis von 50 SEK gibt es diesmal sogar noch ein großes Glas Lettöl dazu!

Am Kungs Trägarden wird gerade anlässlich eines Stadtwerk-Jubiläums eine PA für den Abend aufgebaut; wir schauen ein wenig zu, genießen die warme Sonne und die kostenlose Musik. Von der Ausstellung kriegen wir zwar nicht viel mit, dafür freuen wir uns mit den kleinen Kindern an einem kleinen, ferngelenkten Roboter.


Auf einer kleinen Halbinsel vor dem Königspalast scheint was los zu sein, also nichts wie hin. So können wir die Fernsehaufnahmen von verschiedenen Bands miterleben. Dann geht es ein wenig durch die Altstadt, durch die sich ein ununterbrochener Strom von Touristen wälzt. Noch schnell ein Abstecher zur Wachparade, ein Besuch im Straßenpissoir (dafür fehlen in Stockholm wirklich ruhige Plätzchen), und dann haben wir eigentlich genug erlebt. Auf dem wirklich schönen Rasen vor dem Schloss lassen wir die Zeit vorübergehen.

Bei letzten Einkäufen für die Nacht treffen wir im Supermarkt auf andere deutsche Kluftträger: Pfadfinder der eisernen Sorte mit Lederhosen, Fahrtenmessern und dergleichen mehr. Von welchem Verband, ist auch im Gespräch nicht herauszuhören. Sie sind ebenfalls unterwegs nach Lappland und wollen im Gebirge zwischen Kiruna und Narvik wandern. Nun ja, Lappland ist zum Glück ja riesengroß.

Zurück am Bahnhof werden die letzten verderblichen Lebensmittel aus Deutschland (z.B. Thunfischsalat) fachmännisch entsorgt; dann warten wir gespannt auf die Ankündigung auf der elektronischen Anzeigetafel, von welchem Gleis unser Zug in den Norden abgehen wird. Leider wechselt dabei wohl von Tag zu Tag der Bahnsteig, und selbst die Auskunftsbeamtin kann uns vorab dazu nichts sagen. Endlich, 15 Minuten vor Zugabfahrt erscheinen unsere Daten auf der riesigen Tafel. Jetzt heißt es wieder loshetzen und das richtige Stockwerk und den richtigen Bahnsteig finden. Wir verfluchen die unhandlichen Radtaschen, deren Riemen in die Hände schneiden.

Kaum sitzen wir im richtigen Abteil, fährt der Zug auch schon ab. Unsere Mitfahrer sind ein älteres schwedisches Ehepaar und eine Schwedin, die wohl unterwegs zu einer Wandertour ist. Nach kurzer Zeit kommen wir (auf englisch) miteinander ins Gespräch; die Schwedin dolmetscht dabei für das Ehepaar. Der Mann, so um die 60(!), ist aktiver Marathon-Läufer und unterwegs zu einem Lauf in Kiruna. Stolz zeigt er uns die Aufkleber von seinen bisherigen Rennen, u.a. von einem 90-Rennen in Berlin. Wir können es kaum glauben. Bald steht unsere erste Reiseflasche auf dem Tisch (zuerst muss der Whisky dran glauben) und wir bechern ein wenig mit unseren Zugbegleitern dieser Nacht. Die wanderfreudige Schwedin ist unterwegs nach Galliväre, von dort will sie mit dem Bus weiter ins Gebirge hinein, wo sie sich an einer gottverlassenen Haltestelle mit ihrem Mann treffen will, der bereits seit einer Woche auf Wandertour über den Königsweg ist. Auf unsere Frage, was sie machen will, wenn ihr Mann nicht pünktlich da sein sollte, zuckt sie nur unbekümmert die Schultern.

Dann holt uns auch auf dieser Strecke der Schlaf ein.


Freitag, 17.7., 3. Tag

Irgendwann im Laufe der Nacht haben wir den Polarkreis überschritten. Die Landschaft draußen hat sich drastisch verändert: es wachsen nur noch kleine Birken, und überall blitzt es sumpfig-naß aus der Bodenvegetation hervor. Es sieht über viele Kilometer hinweg trostlos aus. In Galliväre verabschiedet sich die Schwedin von uns - wir stellen uns bildlich vor, wie sie sich ihren Weg zu Fuß durch den Sumpf sucht. Hoffentlich bleibt ihr bei dem schweren Rucksack wenigstens eine Hand frei zum Verscheuchen der Mücken. Da werden wir es bei unserer Geschwindigkeit besser haben.

Nach 1300 Km ab Stockholm erreichen wir pünktlich mittags unseren Zielort Kiruna. Hier endete 1990 unsere Radtour - hier wollen wir in diesem Jahr weitermachen.

Zunächst einmal empfängt uns eisige Kälte! Das Außenthermometer am Bahnhof zeigt ca. 7 Grad Celsius - und das Mitte Juli! Aber was soll's - wegen der Temperaturen sind wir ja nicht gefahren; und obendrein gibt es dadurch auch keine Mücken. Es gilt nun erst einmal den Ansturm der Rucksacktouristen auf die Gepäckaufbewahrung im Bahnhof abzuwarten, ehe wir unseren Gepäckschein für die Räder und das Fresspaket vorzeigen können. Bedenklich, bedenklich - unsere Räder sind im Raum hinter dem Schalterbeamten nirgends zu sehen, nur unser Paket liegt im Regal! Endlich sind wir an der Reihe - Räder aus Deutschland? Hier jedenfalls nicht, aber vielleicht steht noch was im Schuppen nebenan - der Beamte will nachschauen, wenn er Zeit hat. Wir warten - und warten weiter. Dann kommt der Beamte und die Spannung steigt. Gott sei Dank - da stehen sie und erwarten uns! Nichts ist beschädigt, die Schaltungen funktionieren und wir sind zufrieden.

Aber was ist mit dem Paket? Es ist unten feucht und es riecht schwach nach Fusel - uns kommt ein schlimmer Verdacht: hat eine Flasche unseres Medizinvorrats den Transport nicht überlebt? Dabei war doch alles so gut mit dem Toilettenpapier gepolstert!

Zum Glück ist es nur eine Warsteinerdose, die nach innen aufgeschlitzt und ausgelaufen ist!! Der Rest ist o.k. und hat alle Zollbarrieren anstandslos passiert.

Jetzt wird an den Rädern herumgebastelt: die Spiegel und Tachos werden montiert; alles einmal überprüft - vor zwei Jahren in Bodö hatten wir ja einige Probleme mit lockeren Schrauben. Und dann muss natürlich das gesamte Gepäck auf die 5 Fahrradtaschen und die Rolle auf dem Gepäckträger gewichtsmäßig gleich-mäßig verteilt werden. Noch eine letzte Probefahrt - die Räder sind erschreckend überladen! Wir haben mal wieder zuviel dabei, zumindest für die ersten Tage.

Montage der Räder und Verladen des Gepäcks am Bahnhof von Kiruna Erster Lagerplatz unterwegs - allein mit den Mücken

Um 14.30 beginnt endlich unsere Radtour! 54 Stunden Anreise liegen bereits hinter uns - jetzt kribbelt es mächtig in den Waden - wird unsere Kondition -und natürlich auch das Material ! - bis zum Eismeer reichen, oder werden wir früher umdrehen müssen? Egal, heute sollen noch einige Kilometer gemacht werden!

Es läuft gut! Die langen Hosen und die Windjacken sind zwar notwendig, die Strecke aber ist prima: immer flach oder leicht bergab einem Flusstal entlang. Schon bald liegt Kiruna hinter uns und wir fahren durch die lappländische Einöde.

Nach einiger Zeit überholen wir einen einsamen Rucksack-Tramper. Bei einer Rast kommen wir mit ihm ins Gespräch: er will noch runter bis Göteborg. Wir wünschen ihm viel Glück und fahren weiter.

Abends erreichen wir Svaapavaara; hier kaufen wir Brot und Butter und einige Getränke im Supermarkt ein; an der Tankstelle versorgen wir uns mit Frischwasser für das abendliche Kochen. Inzwischen ist es 18 Uhr geworden; wir beschließen, kurz hinter Svaapavaara zu übernachten. Etwas abseits neben der Straße finden wir einen geeigneten Platz - und die ersten Mücken!! Während wir noch unser Zelt zum ersten Mal hochziehen, sausen mit dem Ruf "Hey! Biker!" zwei andere Radfahrer vorbei - dem Tempo nach zu urteilen haben sie noch Großes vor!

Wir machen es uns vor dem Zelt gemütlich und beginnen zu kochen - gegen die immer aufdringlicher werdenden Mücken hilft unsere Kleidung, das frisch erstandene Dschungel-Olja und ein kleines, rauchendes Feuerchen. Diese erste Schlacht gegen die Mücken gewinnen wir (es soll unser einziger Sieg bleiben, aber das wissen wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht....)


Unser Benzinkocher, nun zum ersten Mal gefüllt, bewährt sich! Nach Spätzle und Hackfleischsauce, verfeinert mit Parmesan und einigen Döschen Warsteiner verschwinden wir zur verdienten Nachtruhe im Zelt - 50,2 Tageskilometer mit einem Reiseschnitt von 18,2 und einer Maximalgeschwindigkeit von 41,2 Km/h liegen hinter uns. Aber was heißt hier "Nachtruhe"? Die ganze Nacht hindurch knallt die tiefstehende Sonne auf das Zeltdach; dementsprechend hell ist es innen - und dementsprechend unruhig ist unser Schlaf! Demnächst werden wir das Zelt irgendwo im "Schatten" aufbauen.


Samstag, 18.7., 4. Tag

Das Wetter ist etwas wärmer geworden; der Himmel zeigt sich wolkig mit Aufheiterungen. Nach dem Frühstück brechen wir unser Zelt ab und beladen die Räder. Diese Arbeit wird uns in der nächsten Zeit zur alltäglichen Routine werden: zuerst werden die Schlafsäcke in die Packsäcke gestopft, dann die Therm-A-Rest Matten verpackt. Wenn jeder seinen persönlichen Kram verpackt hat, kommt zuerst das Innenzelt an die Reihe. So haben wir auch bei Regenwetter möglichst lange den Schutz des Außenzeltes. Zuletzt geht es an die Häringe und das Herausziehen der drei Alustangen.

Auch an diesem Morgen soll ein kleines Feuerchen die allgegenwärtigen Mücken vertreiben helfen; inzwischen scheinen sich die kleinen Blutsauger aber daran schon gewöhnt zu haben. Es helfen eigentlich nur lange, dichte Kleidungsstücke und Mückenöl. Schwierigkeiten gibt es allerdings beim morgendlichen Gang zur Toilette - hier hilft nur Schnelligkeit! Um 9.30 Uhr sind wir wieder unterwegs; die Straße, mehr eine Betonpiste mit querlaufenden Asphaltverschweißungen, benötigt unsere ganze Aufmerksamkeit. Oft können wir die Straße kilometerweit überblicken. Wir schätzen die Abstände danach, wie lange ein sich näherndes Auto braucht.

An einem kleinen Flüsschen machen wir kurz Rast; schließlich soll die Hygiene nicht zu kurz kommen. Leider nützen die Mücken dies schamlos aus - die kurze Zeit am Flussufer müssen wir mit vielen Stichen an Hals und Rücken bezahlen.

Die Landschaft ist inzwischen recht eintönig; leicht hügelig, links und rechts niedriger Bewuchs, weit und breit kein Zeichen von menschlichen Ansiedlungen -und in der Mitte die bis zum Horizont verlaufende Straße. Noch etwa 700 Kilometer bis zum Eismeer!

Unser nächstes Ziel ist Vitangi - hier treffen wir mittags ein und machen vor dem einzigen Supermarkt Halt. Das 2. Frühstück mit süßem Brot und Zervelatwurst spülen wir mit einem Fläschchen schwedischem Lettöl hinunter. Mehrere Leute sprechen uns an: ein Ehepaar aus dem Märkischen Kreis, unterwegs mit dem Wohnmobil, erzählt von ihrem Sohn, der z.Z. auf dem Königsweg unterwegs ist; ein Berliner Motorradfahrer weist uns auf einen anderen Radfahrer hin, der uns bald auf der weiteren Strecke entgegenkommen muss. Er soll an einem Reiseführer schreiben.

Kurz nach Vitangi kommt uns dieser Radfahrer tatsächlich entgegen - wir sind aber recht enttäuscht, da er nicht einmal zurückgrüßt.


Die Straße steigt inzwischen gleichmäßig an - trotzdem kommen wir gut voran. Vor einer besonders langgezogenen Steigung stärken wir uns noch schnell mit einer Dose Würstchen - irgendwie müssen wir das Gewicht ja mal reduzieren.

Da keine einbrechende Dunkelheit uns aufhalten wird, wollen wir fahren, solange die Kräfte reichen. In Nedere Soppero gönnen wir uns ein großes Eis an einem Kiosk - ein Abstecher von hier aus zum Goldwaschen scheint uns nicht allzu interessant. Leider vermiesen auch hier die Mücken den richtigen Eisgenus.

An einer Tankstelle besorgen wir uns Trinkwasser; und dann suchen wir an verschiedenen Stellen links und rechts neben der Straße nach einem passenden Übernachtungsplatz. Durch Zufall werden wir in einem kleinen Feldweg fündig: direkt am Ufer eines idyllischen Sees steht eine Rastbank mit einem größeren, freien Platz. Zuerst wissen wir nicht genau, ob wir es wagen dürfen, hier zu zelten, aber dann beschließen wir, uns auf das schwedische Jedermannsrecht zu verlassen.


Zum ersten Mal lernen wir die langgezogenen Straßen durch Lappland kennen Idyllischer Lagerpaltz am See - leider stark mückenverseucht

Mitten im Zeltaufbau kommt ein älterer Mann, wohl zusammen mit seinem Enkel, vom Angeln auf dem See zurück; er amüsiert sich über unsere Last mit den Mücken, und zeigt uns sein eigenes Hausrezept: eine dunkle Paste in einer kleinen Dose. Zwei junge Schwedinnen, erlauben uns, ein im Gebüsch liegendes Boot (leicht defekt) als Feuerholz zu nutzen.


Inzwischen ist die Mückenplage fast unerträglich geworden; ein Feuer aus grünen Zweigen schickt seinen Rauch leider immer in die falsche Richtung. Zum Abendessen gibt es diesmal Reis; und als geschmackliches Experiment zur Sauce wieder Parmesankäse. Gegessen wird auf unkonvetionelle Art(bedingt durch die Mückenplage): in einer Hand den Teller balancierend, in der anderen Hand die Gabel, die zwischendurch bei jedem Biß das Netz vor dem Kopf kurz hochhebt oder auf der Tellerhand die Mücken wegwedelt.


Erst innerhalb des Zelts wird es wieder erträglich. Zum ersten Mal kommen die Mückenspiralen zum Einsatz - und tatsächlich: das hilft gegen die kleinen Biester!

Nach einem kleinen Schlummertrunk wird es bald still im Zelt; 80,2 Km, Schnitt 15,7 und ein Max von 31,5 werden für die Statistik notiert.


Sonntag, 19.7., 5. Tag

Laut Karte werden wir heute einige Kilometer zurücklegen müssen! Ein kurzes Stück durch Finnland liegt vor uns, das wir wegen fehlender Reisedevisen in einem Zug möglichst schnell durchqueren müssen.

Wieder zeigt sich der Himmel wolkig bis heiter, vor allem aber trocken! Bis jetzt haben wir mit dem Wetter ja Glück gehabt - weder Regen noch extreme Hitze; für uns also genau das Richtige zum Radfahren. Im Laufe des Tages wird das Wetter sogar noch besser - bis hin zum wolkenlosen Himmel.

Ein Schwede, der schon früh auf den See hinausgefahren ist, kommt anschließend zu uns ans Zelt. Er fragt, ob wir schon gefrühstückt hätten und schenkt uns zwei frischgefangene Fische. Wir müssen wohl sehr überrascht aussehen, denn er lässt sich von uns Salz geben und nimmt auch noch die Fische fachgerecht aus und salzt sie ein. Nach vier Stunden sollen wir sie dann braten.

Ein schwedischer Ranger schenkt uns Fische und bereitet sie gleich fachmännisch für uns zu Hier sind alle Entfernungen halt etwas weiter....

Er stellt sich als schwedischer Ranger vor, dessen Arbeitsplatz im Abisko-Nationalpark liegt, wo er vor allem verlaufenen und in Not geratenen Touristen weiterhilft. Wir erzählen ihm von unseren Plänen und ernten mal wieder ungläubiges Kopfschütteln, wie jemand freiwillig so eine Fahrt machen kann.

Wegen der vielen Mücken verzichten wir aber auf das Frühstück und brechen schon bald auf. Zwei Kilometer weiter finden wir einen wirklich gut ausgebauten Rastplatz; sogar mit Toilettenhäuschen. Hier machen wir eine ausgiebige Frühstückspause; weitgehend verschont von unseren kleinen Weggefährten.

Obwohl die Landschaft nicht gerade eben ist, kommen wir sehr schnell voran. Mittags erreichen wir in Karesuando die schwedisch-finnische Grenze und kaufen ein letztes Mal für die Transitfahrt durch Finnland ein. Von hier aus können wir auch noch einmal mit Deutschland telefonieren. An einem kleinen Tisch vor der Tankstelle sitzend, schreiben wir unsere ersten Postkarten nach Deutschland. Dabei schmeckt ein letztes schwedisches Bier und wir beobachten die vorbeiströmenden Autotouristen.

Dann sind wir in Finnland. An einer Abwasserpumpstation machen wir Mittagsrast; die Fische zu braten haben wir allerdings keine rechte Lust. So müssen wieder Würstchen dran glauben.

So flott der erste Teil der Fahrt verlief, so mühselig wird es jetzt. Immer stärkere Steigungen tun sich vor uns auf; immer häufiger fällt der Blick auf den Tacho, was? Wieder erst 2 Kilometer gefahren? Rosinen im Schokomantel verhelfen uns zu mehr Energie.

Gegen Abend wieder eine kurze Rast, um Trinkwasser an einem Haus zu holen. Dabei kommen wir mit einem niederländischen Ehepaar ins Gespräch, das gerade vom Nordkinn, unserem Ziel, zurück ist. Der Mann hat dort mehrere Wochen lang Vögel beobachtet. Wir lassen unterdessen unseren Mückenstift kreisen und reiben jedes freie Fleckchen Haut an Hals, Händen und Füßen ein.

Dann zwingen wir uns zur Weiterfahrt: es sind noch zu viele Kilometer für den morgigen Tag innerhalb Finnlands - also nochmals 10 Kilometer weiter.

An einem See finden wir schließlich einen schönen Lagerplatz; durch den nahegelegenen Autorastplatz ist hier auch etwas los und wir können mit vielen Leuten reden.

Zuerst aber wird das Zelt in einem Kiefernwäldchen aufgeschlagen. Bald schon kocht ein leckeres Linsensüppchen mit Mettwürstchen und einer Extraportion Speck im Topf. Zwischenzeitlich probieren wir erstmalig auch unsere Mückennetze aus. Vielleicht gelingt es uns sogar, die Mückenschwärme auf einem Foto festzuhalten?


Am abendlichen Seeufer speisen wir und ruhen die Hinterteile von dieser anstrengenden Tagesetappe aus: 104,3 Km; Schnitt 17,14 und ein Max von 45 weist diesen Tag auf dem Kilometerzähler als den bislang anstrengendsten Fahrttag aus. Leider erweist sich das Fett im Kochgeschirr beim Spülen im See als sehr hartnäckig und wir müssen extra Spülwasser heißmachen.

Beim abendlichen Schlummertrunk genießen wir den Vorteil unseres Wäldchens: die Mitternachtssonne wird durch die Bäume stark gefiltert!


Montag, 20.7., 6. Tag

Beim Frühstück fällt eine deutsche Busreisegruppe auf dem Parkplatz ein - zum Nordkap in 10 Tagen! Unsere Art zu reisen stößt auf großes Interesse und Bewunderung; ist das toll, so in der freien Natur usw...

Während die Reisegruppe sich noch aus den Busklappen verpflegt, brechen wir auf: heraus aus Finnland und auf nach Kautokeino (bereits 40 Kilometer tief in Norwegen).Und dann nichts wie in den ersten norwegischen Supermarkt, wo wir wieder mit unserem Geld bezahlen können.

Unterwegs finden sich die ersten Souvenirstände der Samen; wir halten an und machen uns kundig, was es so alles gibt. Eine Kuksa, eine Holztasse, wäre schon das Richtige; allerdings scheinen uns die Preise noch recht hoch. Also werden wir erst mal das Samenzentrum Kautokeino abwarten.

Die Straße wird langsam eklig: ständig geht es rauf und runter. Das zehrt an der Kondition. Außerdem verschlechtert sich das Wetter. Vor uns, über dem Gebirge, verfinstert sich der Himmel zunehmend. Dazu wird es kalt!


Mitten in der Einöde taucht eine Raststätte auf - also nichts wie hinein und gefragt, ob wir auch mit norwegischem Geld zahlen können - wir können! Während draußen unsere Räder aufgebockt auf uns warten, genießen wir die Wärme in der Gaststube, und nach unserem Motto "man gönnt sich ja sonst nichts" können uns auch die hohen Preise nicht besonders schocken. Bei der Weiterfahrt passieren wir kurz darauf die finnisch-norwegische Grenze; eigentlich nur ein kleiner Straßenposten. Trotzdem freuen wir uns, denn jetzt sind es nur noch 40 Kilometer bis Kautokeino. Aber was für Kilometer! Zwar wird die Landschaft etwas flacher, dafür stört die extrem schlechte Straße! Immer wieder knallen wir in nicht rechtzeitig gesehene Schlaglöcher. Blicke voraus zum Himmel lassen nichts Gutes ahnen. dazu sitzt uns noch die Zeit im Nacken - wir rechnen mit 18 Uhr als Ladenschlusszeit in Kautokeino - bis dahin müssen wir im Supermarkt gewesen sein.

Endlich die Einfahrt nach Kautokeino. Das kleine "Städtchen", als Samenzentrum im Reiseführer geschildert, hat gerade mal 3000 Einwohner. Allerdings erstreckt es sich über ein langes Tal hinweg. Wir kommen an mehreren Campingplätzen vorbei; wollen aber zunächst mal ins Zentrum zum Einkaufen.

Da, ein Landhandel! Räder also geparkt und erstmals norwegisches Geld aus der Gruppenkasse an alle verteilt. Und dann die große Überraschung: es gibt kein Lettöl - keine Konzession! Die Verkäuferin macht uns begreiflich, dass im ganzen Stadtgebiet von Kautokeino kein Bier verkauft wird! Wir versuchen es dennoch in einem zweiten Supermarkt - wieder Fehlanzeige.

Also halten wir uns an "Solo", eine Art Fanta, und Coca Cola. Zurück zum ersten Campingplatz finden wir mit 55 NOK (= 15DM) eine recht preiswerte Unterkunft - und siehe da: hier gibt es problemlos das begehrte Lettöl (für 2,50DM die 0,331 Flasche).

Neben uns schlägt ein Einzelfahrer aus Stuttgart sein Zelt auf; er ist bereits seit einigen Wochen unterwegs und will nun noch durch Schweden zurück. Wir tauschen eine Menge Tipps aus.

Beim Kochen schlagen die ersten Tropfen aufs Zeltdach (der erste Regen überhaupt) und wir ziehen uns bald zurück. Im Reisetagebuch werden 92,3 Km notiert, bei einem Schnitt von 17,10 und einem Max von 48,2.


Dienstag, 21.7., 7. Tag

Die gestrigen Sorgen bezüglich des weiteren Wetters waren umsonst; es ist recht warm und vor allem trocken. Dafür stellt sich bei einer spontanen Überprüfung der Räder heraus, dass an Martins Hinterrad eine Speiche gebrochen ist, eine Folge der schlechten Strecke am Vortag. Zum Glück nicht an der Zahnkranzseite. Also alles abpacken, das Rad auf den Kopf gestellt und frisch ans Werk. Es muss noch nicht einmal das Hinterrad ausgebaut werden - allerdings bereitet das Zentrieren doch etwas Mühe.

Danach nützen wir erst einmal die warmen Duschen auf dem Platz aus, wer weiß, wann wir wieder einen Camping-Platz ansteuern werden?

Dadurch brechen wir erst recht spät auf. In Kautokeino wollten wir eigentlich Juhl's Silberschmiede ansteuern; ein Blick auf das steile Seitental, besonders aber die vielen deutschen Touristenbusse, die ebenfalls dorthin fahren, lassen dies nicht ratsam erscheinen. Stattdessen machen wir im Zentrum eine ausgiebige Frühstückspause und beobachten Touristen und einheimische Samen, die in ihrer bunten Nationaltracht überall herumlaufen. Es ist schon peinlich zu sehen, wie sie als Fotoobjekt für die vielen Touristen herhalten müssen.

Im Samenmuseum schauen wir uns die vielen Kunstgewerbeartikel an; sind allerdings von den Preisen fast erschlagen. Hätten wir doch bloß die Kuksa-Tasse unterwegs gekauft!


Ein Fahrradhändler kann uns mit einer Nachzentrierung am Hinterrad nicht weiterhelfen, also muss es auch so gehen. Nach einem kurzen Telefonat mit Deutschland kriechen wir im Schneckentempo die Ausfallstraße von Kautokeino in Richtung Alta hinauf. Oben sitzt fröhlich lächelnd ein Schwarzer auf einer Bank und beobachtet unseren schweißtreibenden Anstieg. Es ist sehr warm, und wir fahren vorübergehend in Hemdsärmeln. Aber nur vorübergehend - denn ein Blick nach hinten lässt uns stärker in die Pedalen treten: eine schwarze Wolkenwand schiebt sich vom Meer her über das Gebirge heran.

Samen in ihrer Landestracht vor dem Supermarkt in Kautokeino Wettfahrt mit dem heranziehenden Unwetter - wir verlieren kurz darauf allerdings

Auf einem Parkplatz geben wir das ungleiche Wettrennen auf und ziehen uns nach einer kurzen Frühstückspause zum Wolkenbruch um: Perry's (Anm. d. Autors: So haben wir die Schutzhauben genannt) über die Radtaschen; für uns Fahrradponcho (Uraufführung) Regenhose und Gamaschen über die Schuhe. Jetzt kann's losgehen. Und es geht los! Der Regen von oben macht gar nicht so viel aus; schlimmer sind die vorbeirauschenden Autos mit ihren Wasserschwällen von unten.

Als wir durch ein kleines Dorf fahren, beschließen wir, eine Regenpause einzulegen. Zuerst in einem kleinen Landhandel, dann im Vorraum der örtlichen Post. Hier breiten wir uns auf Boden und Stühlen aus und harren geduldig auf ein Nachlassen des Regens; nur ab und zu gestört von Leuten, die Post aus ihren Schließfächern holen wollen. Immer wieder glauben wir, am Geräusch aus der Regenrinne ein Nachlassen des Regens heraushören zu können - leider immer wieder eine Sinnestäuschung. Nach zwei Stunden klärt es aber tatsächlich auf, und wir starten zur Weiterfahrt. Die Moosgummigriffe am Lenker sind angenehm voll-gesogen mit Wasser...

Nachdem eine ganze Zeit überhaupt kein Gegenverkehr war, kommen uns plötzlich ungewöhnlich viele Fahrzeuge nacheinander entgegen. Schon bald wird uns der Grund deutlich: vor uns ist ein Tankwagen verunglückt, der die ganze Straße versperrt hat. Bei der Vorbeifahrt sehen wir die Polizei beim Telefonieren durch die zerbrochene Windschutzscheibe des Lasters.

Bei Kilometer 29 trifft es uns dann selbst: die 2.Speiche an Martins Hinterrad gibt ihren Geist auf. Diesmal ist die Reparatur ungleich schwieriger, da vernünftig nachgespannt werden muss. Die Mücken haben auf diese Gelegenheit anscheinend nur gewartet und stürzen sich auf die ungeschützten Körperteile. So schnell kann man gar nicht mit den Händen wedeln, wie man gestochen wird.

Kurz darauf müssen wir uns entscheiden: bleiben wir bei unserem alten Plan, übers Gebirge zur Nordkinnhalbinsel zu fahren, öder kürzen wir die Strecke zum Altafjord hin ab?

Wir bleiben bei der ursprünglichen Planung und biegen ins Gebirge nach Karasjok ab. 140 Kilometer Gebirge, nahezu unbewohnt, liegen vor uns bis Karasjok. Nach wenigen Metern begreifen wir die Pfeile auf unserer Straßenkarte: damit werden Steigungen ausgedrückt! Also heruntergeschaltet in den leichtesten Gang und konsequent langsam durchgetreten. Nur nicht nach vorn (bzw. oben) blicken! Wie heißt es doch im Reiseführer: "jedes zusätzliche Kilogramm Gepäck rächt sich am Berg". Wie wahr!

Noch jede Menge Kilometer durch die Einsamkeit bis Karasjok

Von einem zum anderen Markierungspfosten kämpfen wir uns vorwärts. Einmal überholt uns ein Halbirrer aus Soest mit einem Wohnwagen. Der muss auf der engen Strecke mindestens 80 fahren! Sein Anhänger tanzt hinter ihm her. Wir würden ihm den Straßengraben wegen seiner Rücksichtslosigkeit gönnen.

Endlich sind wir auf einer Art Hochfläche angekommen. Ein dort eingezeichnetes Geschäft finden wir zwar, es hat jedoch geschlossen. Also halten wir an einem abgelegenen Haus und fragen nach Trinkwasser. Wir werden ins Badezimmer geführt und füllen die Flaschen in der Badewanne. Der Mann fragt uns, ob wir Wodka haben. Wir verabschieden uns ziemlich schnell.

Außer Wasser haben wir nicht mehr all zu viele Getränkevorräte. Bei einer Rast treffen wir vier Norweger, die unterwegs zum Lachsfischen am Tanafjord sind. Wir fotografieren uns gegenseitig und tauschen Souvenirs. Ein wenig neidisch schauen wir ihnen, und ihren Vorratsanhänger hinter dem VW-Käfer, nach.

Abends entscheiden wir uns für eine kleine Hochfläche neben der Straße als Lagerplatz. Die Mückenschwärme treiben uns schon zum Kochen ins Zelt. Hier lässt es sich mit einer Mückenspirale gut aushalten. Das Spülen verschieben wir auf den nächsten Tag. Trotz Regen, Speichenbruch und Gebirgsanstieg können wir auf 72,8 Tageskilometer stolz sein; der Schnitt sinkt allerdings ständig und liegt heute nur noch bei 13,62 (Max 37)


Mittwoch, 22.7., 8. Tag

Heute stehen wir erst spät auf; die letzte Tagesetappe war doch recht anstrengend. Der Himmel zeigt sich beim Verlassen des Zeltes stark bewölkt und es ist auch nicht sonderlich warm. Auch sonst hält uns nichts in dieser trostlosen Einöde; ein Versuch, zum Spülen an den im Tal liegenden Bach heranzukommen, misslingt. Also starten wir gegen 11.30 Uhr zur Fahrt nach Karasjok.

Unterwegs können wir ein neues Verkehrszeichen bewundern, das auf eine Scooter-Spur hinweist. Inzwischen haben sich auch die letzten größeren Bäumchen verabschiedet; die Landschaft ist sehr eintönig geworden. Man ist schon fast froh, dass man die Straße in der Ferne sich dahinschlängeln sieht. Auch der Verkehr ist spärlich geworden; deutlich ist zu merken, dass wir uns abseits der ausgetretenen Touristenpfade befinden.

Nach einem letzten, schweißtreibenden Anstieg haben wir wohl endlich die Wasserscheide erreicht; jetzt geht es abwärts, und das mit Tempo!

So 30 Kilometer vor Karasjok schellen wir bei einem Bauernhof mit Minimal-Campingplatz an. Wir erstehen eine große Flasche Sprite für umgerechnet 8 DM! Reihum leeren wir die Flasche mit unseren Bechern. Dabei geraten wir in Kontakt mit einer deutschen Jugendgruppe aus Hamburg, die mit zwei Bullis unterwegs sind und hier auf einige Mitglieder der Gruppe warten, die seit acht Tagen zu Fuß von Alta her durch die Gegend laufen. Dies muss die grausamste Art sein, Lappland kennen zulernen: nur die Augen frei; der Rest wegen der Mücken mit Tüchern verbunden, und dann tagelang durch Sumpf und Einöde mit dem Rucksack unterwegs sein. Zur Belohnung darf die ,Gruppe dann noch täglich 550 NOK für eine windschiefe, kleine Holzhütte auf den Tisch legen.

Wir schwingen uns lieber wieder auf die Räder und gehen den Rest bis Karasjok an. Auf den letzten 25 Kilometern begleitet uns bereits ein schwacher Nieselregen. Schon viele Kilometer vor dem Ort tauchen immer wieder Hinweisschilder für "Hytters" auf; der hohe Komfort dieser Ferienhaussiedlungen lässt aber Böses hinsichtlich der Preise ahnen. Wir sind uneins: Hütte mieten oder nicht?


Schließlich fahren wir erst einmal hinab in den Ort und machen Rast in einer warmen Cafeteria; gleichzeitig füllen wir unsere Vorräte auf. Das Wetter verschlechtert sich zunehmend. Dennoch fahren wir gegen 17 Uhr weiter; aus Karasjok hinaus in Richtung Lakselv.

Lange geht das nicht gut! Nach etwa zwei Kilometern setzt starker Regen ein. Wir ziehen uns um und strampeln weiterhin verbissen bergauf durch Regen und Nebelfetzen. Leider bringen uns die Regenklamotten zusätzlich stark ins Schwitzen. Bald haben wir genug für heute und suchen nach einem wenn schon nicht trockenem, so doch wenigstens ebenen Plätzchen.

Nichts zu machen! So bleibt uns nur eine steinige Fläche etwas oberhalb der Straße. Zum ersten Mal wird das Zelt in strömendem Regen aufgebaut; jetzt zeigt sich glücklicherweise unsere Routine. Nach kurzer Zeit haben wir das Innenzelt trocken eingehängt und können uns wohnlich einrichten. Leider muss Andree nochmals losziehen, um das vergessene Trinkwasser irgendwo aufzutreiben. Ein deutscher Wohnmobillist nimmt ihn freundlicherweise ein Stück die Straße entlang mit, bis ein Bach zu finden ist. Sebastian entwirft derweil oberhalb des Zeltes eine kunstvolle Grabenkonstruktion, da das Regenwasser dummerweise einen Weg in unser Zelt sucht.

Während draußen der Regen auf das Zeltdach trommelt, kochen innen Semmelknödel und Gulasch vor sich hin. Wir widmen uns derweil unseren verschiedenen Büchern. 62,8 Kilometer betrug heute die Tagesleistung; bei einem Schnitt von 14,8 und einem Max von 42. Nachts sorgt der beim Abendessen reichlich genossene Cayennepfeffer noch für einen zusätzlichen Dosenverbrauch.


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