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Sonntag, 9.4.95, 10.Tag

Palmsonntag - wer wird wohl Palmesel? Sarah ist es! Die anderen sind schon etwas früher draußen und genießen das wieder völlig veränderte Wetter: warm trotz der frühen Morgenstunde, blauer Himmel, der Duft der Sträucher und der vielen wilden Kräuter ringsum.

Und plötzlich ein anschwellendes Glöckchengeläute: zweifelsfrei Schafe, die uns besuchen wollen. Und da kommt schon das erste um einen Busch herum - spontan von uns auf den HR3-Namen Manfred getauft. Hinter Manfred taucht eine ganze Herde auf. Einige Tiere schauen kurz zu uns herüber, lassen sich aber beim Frühstück im Gehen nicht stören. Der folgende Hirte hebt grüßend seine Hand, auch er scheint nichts dabei zu finden, daß hier auf dieser verlassenen Wiese am Palmsonntagmorgen 4 Radfahrer zelten.

Beim Abbau finden wir freilich schnell das Handicap dieses ansonsten idyllischen Fleckchens: frühere Schafherden haben in extremer Menge ihre Schafsköttel hinterlassen - einige davon finden sich nun an unseren Packtaschen und -säcken, ja sogar an Martins Mütze wieder. Aber was soll`s - ist ja alles nur Natur pur.

Nach einem heißen Cappuccino geht`s los - und gleich bergab! Gleich muß neben uns das Flüßchen "Rio Granaxiu" auftauchen - vielleicht können wir ihn zur Morgentoilette benutzen? Zuerst aber gibt es bei einer kurzen Rast wilde Mohnblumen für Mariannes Lenker und ein Büschel Unkraut für unseren Palmesel.

Im nächsten Ort, Villaurbana, ist alles sonntäglich ausgestorben. Wir haben einen schön gestalteten Dorfplatz ganz für uns allein und holen alle Schätze aus unseren Satteltaschen für ein umfangreiches Sonntagsfrühstück. Neben diversen sardischen Paninis (die leider schon vom Vortage und darum etwas zäh sind) gibt es Salsicca, einheimische Salami; dazu Thunfisch, Oliven und Nutella. Die Getränkepalette reicht von Latte (Milch) über Cola, Bier bis zum extra dafür aufgesparten Vino Rosso aus der Wasserflasche.

Frühstück in Villaurbana

"Normale" Palmsonntags-Meßgänger in Deutschland sitzen jetzt zur gleichen Zeit sicher an einer andersartig gedeckten Frühstückstafel und würden sich genauso sicher mit Grausen von unserer Zusammenstellung abwenden. Wir aber sitzen in der Sonne und genießen das freie Leben, das Unterwegssein in der Natur. Dann tauchen die ersten Einwohner auf, ausnahmslos alte, schwarzgekleidete Frauen, die freundlich zurückgrüßen; auf dem Weg zum nahen Friedhof mit Blumensträußen. Beim Zusammenpacken unserer Frühstücksreste müssen wir leider betrübt feststellen, daß unsere ausgebreitete Tourenkarte durch Thunfischöl wetterfest imprägniert worden ist. Na ja, drauf sehen kann man noch alles.

Nun zwickt die Damen aber ein unaufschiebbares Bedürfnis - in der größten Not muß ein geschütztes Plätzchen unter einem Balkon herhalten. Die Herren haben damit naturgemäß weniger Probleme.

Nach dieser allgemeinen Erleichterung rollen wir weiter beschwingt leicht abwärts in Richtung Oristano; durch das Dörfchen Siamanna hindurch, wo wir eine sardische Palmsonntags-Prozession betrachten können; dann nach Simaxis. Die topografischen Begebenheiten sind uns heute günstig gesonnen: Übernachtungsplatz 350m; Villaurbana 79m, Siamanna 49m, Simaxis 17m. Als wir mittags Oristano erreichen, 10m, haben wir bereits locker 30 Kilometer an diesem Vormittag gefahren - ohne besonders früh aufgestanden zu sein und mit langen Pausen.

In einem Jahr werden wir wieder hier sein; bei Simaxis werden wir unter Orangenbäumen und doppeltmannshohem Bambus unsere Zelte aufschlagen - aber das wissen wir heute natürlich noch nicht!

Oristano - zumindest für Martin keine unbekannte Stadt: `89 machte hier der Jufitrupp mit den drei Bussen für einige Stunden Station; `91 endete hier nach 800 Kilometern nach Speichenbrüchen, abgesoffenem Zelt und sonstigen widrigen Umständen die damalige Sardinien-Radtour. Von hier aus ging es mit dem Zug in Richtung Monti zurück.

Heute ist alles anders: bestes Wetter, Wärme, gute Laune und ein großes Eis auf einer Parkbank direkt im Stadtzentrum. Martin kann sich noch erinnern, wie die Jufis früher hier auch gesessen und Sardellenpizza gegessen haben. Wir sitzen und schauen. Lehrreich z.B., wie ein Italiener in eine (zu) kleine Parklücke hineinmanövriert, dabei noch die Alarmanlage des von ihm angestoßenen Autos auslöst und dann davongeht, als ob ihn das alles nichts anginge. Auch Martin und Jan kommen an diesem schönen, sonnigen Sonntagvormittag ganz auf ihre Kosten.

Nach dieser Rast stellt sich die Frage, wie wir aus diesem doch schon recht großstädtischen Straßengewirr die passende Richtung zur Sinis-Halbinsel finden sollen. Die zuerst von uns eingeschlagene Richtung nach Westen wird plötzlich durch einen Fluß blockiert und wir müssen wieder zurück. Schließlich fragen wir einen vorbeikommenden Rollerfahrer. Und der bietet sich an, uns mit seinem Roller aus der Stadt hinauszulotsen! Jetzt heißt es kräftig in die Pedalen treten - ein langsam fahrender Roller ist immer noch schneller als ein schwer bepacktes Tourenrad! Jan hält als Vorderster noch ständigen Sichtkontakt zum Rollerfahrer; wir anderen ziehen uns langsam zu einer langstreckten Kette auseinander. Wir achten aber darauf, daß bei Kreuzungen und Abbiegungen der jeweilige Hintermann immer noch mitbekommt, wohin die Reise geht.

Dann haben wir Oristano hinter uns, bedanken uns bei unserem Helfer und strampeln auf völlig ebener Strecke schnurstracks nach Westen. Links und rechts neben der Straße verlaufen Entwässerungsgräben - dieses Gebiet war noch in den 50er Jahren völlig sumpfig und malariaverseucht. In den gleichfalls hier wachsenden hohen Bambushainen ziehen wir uns kurze Sachen an.

An einem feudal aussehenden Hotel neben der Straße, in dem gerade eine sardische Familienfeier läuft, wird Trinkwasser geholt; am Strand von Tharros wollen wir heute Mittagessen kochen.

Zuerst aber erreichen wir "Marina di Torre Grande", einem Badeort am Golfo di Oristano. Wir fahren die schöne Strandpromenade entlang und genießen den Ausblick über den silbrig-blau glänzenden Golf, ehe wir uns in einer Warsteinerkneipe direkt am Torre niederlassen und einen gut gekühlten Literkrug zu uns nehmen und dabei auf den "Neger vom Mittelmeer" treffen. Wir haben inzwischen schon über 40 Tages-Kilometer hinter uns und können uns diesen Genuß zeitlich gut erlauben.

Danach geht es weiter am Cabras-See entlang, in Richtung des schmalen Halbinselfingers, auf dem sich die Ruinen von Tharros befinden.

Tharros - geschichtsträchtiger kann kaum ein Ort auf Sardinien sein. Ungefähr 1200 v. Chr. entstand hier die erste Siedlung; im 8. Jahrhundert v. Chr. machten sich hier die Phönizier breit, 100 Jahre später von den Puniern vertrieben. Zur Zeit Hannibals, etwa ab 215 v. Chr., eroberten die Römer die Stadt und bauten sie weiter aus - Thermen, "Kloaken", also steinbedeckte Abwasserleitungen in der Straßenmitte, die noch heute zu sehen sind, Tempel - alles, was man als Römer halt so brauchte, um glücklich zu sein - natürlich alles gebaut von Sklaven.

Der Niedergang Tharros` begann um das Jahr 1000 nach Christus: ständige Überfälle von Piraten setzten der Stadt so zu, daß sie im Jahre 1070 völlig aufgegeben wurde. Tharros hatte nun den strategischen Nachteil der engen Landzunge: es konnte von allen Seiten vom Wasser aus gut beschossen werden; dazu hätte man extrem lange Mauern und viele Soldaten gebraucht, um die Anlage wirkungsvoll gegen Angriffe von See aus zu schützen. Die Bewohner nahmen die meisten Steine gleich mit und bauten geschützt im Inland eine neue Stadt, das heutige Oristano. Seit 1100 war Tharros nicht mehr bewohnt - eine Geisterstadt, über die der Wind den Sand blies und Unkraut die Ruinen überwucherte.

Der Ruf von Tharros als Stadt mit unermeßlichen Reichtümern aber blieb erhalten. 1851 fand eine englische Expedition dann auch tatsächlich wertvollste Funde - die Nachricht davon machte leider schnell die Runde, und schon bald war der letzte Spaten rings um Oristano ausverkauft. Schon wenige Monate nach der Entdeckung buddelten mehr als 1000 Personen in bester Goldgräberstimmung das ganze Terrain durch. Vasen, Bilder, Edelsteine und jede Menge Gold wurde gefunden und verschwand! Der größte Teil des Goldschatzes wurde der besseren Weiterverwendung wegen unwiederbringlich eingeschmolzen. Für die heutigen, echten Archäologen natürlich eine fatale Geschichte!

Je näher wir nun Tharros kommen, desto deutlicher wird diese auch heute noch erkennbare "Goldgräberstimmung"! Bude an Bude reiht sich links und rechts entlang der einzigen Zufahrtstraße: Andenken, Postkarten, billiges Spielzeug, Getränke, Essen - und alles natürlich zu horrenden Preisen!

Tharros

Wir lassen unsere Räder am Parkplatz zurück und streifen ein wenig durch die zum Meer hin abfallende Ruinenlandschaft. Die seinerzeit berühmten Hafenanlagen sind leider nicht mehr zu sehen, da sie im Laufe der Zeit durch eine Absenkung der Halbinsel im Meer verschwanden. Die Luftbildarchäologie hat diese immer noch vorhandenen, riesigen Hafenanlagen inzwischen aber vor der Küste unter Wasser ausgemacht.

Wir ziehen uns nach dem Besuch von Tharros an den unterhalb gelegenen, einsamen Strand zurück, um Siesta und Mittagessen zu machen. Dazu ist es freilich notwendig, die Räder samt Gepäck durch sandige Dünen ca. 30 Meter hinab zum Strand zu bringen. Nun ja, bergab geht das ja noch!

Während sich Marianne und Sarah im Badeanzug auf den Isomatten bequem machen, bemühen sich Jan und Martin, möglichst wenig Sand beim Zerlegen des sardischen Specks für die Erbsensuppe mit in den Topf zu bekommen. Dabei haben sie noch ausgiebig Zeit und Muße, dem vereinzelten Strandleben neben ihnen ihre Aufmerksamkeit zu widmen...

Nach dem Essen kommt es zur doppelten Katastrophe. Marianne will, weil sie schon nichts zum Mittagessen beigetragen hat, wenigstens spülen. Während sie sich um den etwas angebrannten Topfboden kümmert, läßt sie den Topfdeckel zum Einweichen schon mal sanft auf den Wellen schaukeln, bis eine Woge ihn urplötzlich erfaßt und unwiederbringlich in die Weiten des Mittelmeeres davonträgt. Teil II des Unglücks nähert sich in Form eines räudigen Köters, der, während wir uns noch über den wegschwimmenden Deckel grämen, sich hungrig an unserem Topf zu schaffen macht, plötzlich die noch darin liegende, schöne Kelle schnappt und damit den Hang hinauf wegwetzt. Wir natürlich hinterher! Die wilde Jagd vertreibt zwar den Hund - leider ist aber auch unsere Kelle weg - es ist nicht klar, ob der Hund sie mitgeschleift hat, oder ob sie vielleicht irgendwo im Sand verborgen liegt - für unsere weitere Fahrt ist sie jedenfalls futsch! Marianne wird als Spülmeisterin entlassen!

Als ob dies alles nicht reicht, werden wir beim Zurückschieben der Räder hinauf zur Straße noch einmal ins Schwitzen gebracht! 30 Meter bergauf, durch feinen Sand, der ständig nachrutscht, mit Reifen, die sich beim Schieben immer tiefer in den Sand wühlen - das ist schon eine Plage! Schließlich schleppen wir die Taschen einzeln hoch und schleifen dan das "leichte" Rad hinterher.

Am Spätnachmittag fahren wir weiter und machen einen Abstecher zur Filmstadt "San Salvatore". Als Geheim-Tip hatten wir das 1989 entdeckt und mit Kongo und Anton dort die Kernszene von "Spiel mir das Lied vom Tod" nachgedreht. Die halbzerfallene Hirtensiedlung war in den 60er Jahren zu einer Westernkulisse umgebaut worden, in der so bekannte Filme wie "Für eine Handvoll Dollar" mit Clint Eastwood und "Vier Fäuste für ein Halleluja" mit Bud Spencer gedreht wurden.

Zu unserer Enttäuschung sind inzwischen aber die gesamten Kulissen demontiert worden; auch die "Posada-Bar" ist dem Erdboden gleich gemacht worden. Und der ältere, unterirdische Teil des Dorfes, ein nuraghisches Brunnenheiligtum, interessiert uns nicht weiter!

Wir radeln also gen Norden durch eine weitgehend menschenleere Einöde; inzwischen schon auf der Suche nach einem Lagerplatz, da sich der Abend bereits ankündigt. Links erscheint ein Bauernhaus, bei dem wir Trinkwasser holen wollen. Drinnen dann ein überschwenglicher Empfang: Valentino - ein Hirte, bewirtet uns mit Fil e Ferru, dem sardischen Feuerwasser, und kann nur schwer verstehen, daß wir seine Einladung nicht annehmen wollen, bei ihm mit allen Vieren in seiner kleinen Hütte zu nächtigen. Er versucht, sein Sofa Marianne und Sarah als Nachtquartier schmackhaft zu machen.

Wir machen ihm begreiflich, daß wir lieber draußen unser Zelt aufschlagen wollen; etwas abseits vom Bauernhof mit seinen vielen, bellenden Hunden. Abends kommt Valentino noch einmal mit seiner Mofa zu uns ans Zelt und lädt uns zum Frühstück am kommenden Tag ein.

Obwohl wir insgesamt heute nur 4:41 Stunden im Sattel saßen, haben wir doch 72 Kilometer zurückgelegt; bei einem Schnitt von 15,35 und trotz Flachland einem Max von 42,7.


Montag, 10.4.95, 11. Tag

Über dem Zelt wie gewohnt ein strahlend blauer Himmel - wir sind früh auf und packen alles zusammen. Dann machen wir uns auf, um wie versprochen bei Valentino vorbeizuschauen.

Auf der Sinis-Halbinsel

Der Hof macht einen ziemlich trostlosen Eindruck. Valentino ist nicht da; wir verabschieden uns also von den anderen Landarbeitern. Sie sollen Valentino von uns grüßen.

Der erste Teil der heutigen Tagesetappe läßt sich gut an - immer schön flach am Nordwestufer des Stagno di Cabras entlang; dann weiter nach Osten in Richtung Riola abschwenkend. Riola - vorher haben wir diesen Namen nur als Punkt auf der Landkarte gekannt - jetzt stellt es sich als mittelgroßes Städtchen heraus, in dessen engen Gassen wir kreuz und quer fahren, um einen Supermarkt zu finden. Mit allem Notwendigen ausgestattet, ziehen wir uns dann in einen Park am Stadtrand zurück, um ausgiebig zu frühstücken.

Dieser Park bietet mit seiner in Betrieb befindlichen Rasensprenganlage auch eine hervorragende Möglichkeit, sich die Haare zu waschen. Und das nahe Flußufer des Rio di Mare Foghe mit seinen dichten Schilfbeständen macht auch die Toilettenfrage zu keinem größeren Problem. Anderthalb Stunden lassen wir es uns im Park gut gegen - gekrönt durch eine Flasche Vernaccia.

Gegen elf schwingen wir uns dann beschwingt in den Sattel - dunkel ahnen wir bereits, welche Strecke nun vor uns liegt: immer ziemlich nah an der Küste entlang - und schon haben wir auf dem ersten, schnurgeraden Teilstück die ersten Pfeile entdeckt! Nun ja, Sardinien ist halt eben ein Bergland, was soll`s?

Langsam machen wir uns an den Anstieg. Jan und Sarah natürlich wieder vorweg - und oben entdecken sie am Straßenrand eine Viehtränke. Sarah kann es nicht lassen und muß Martin, der sich mit freiem Oberkörper die letzten Meter heraufquält, mit einem kalten Wasserguß empfangen. Allerdings hat sie wohl nicht mit Martins Schnelligkeit gerechnet, mit der er sich vom Fahrrad schwingt, ihr hinterher eilt und zur notwendigen Strafaktion schreitet. Nachher ist sie zumindest so naß wie Martin!

Nach dieser erfrischenden Abkühlung folgt unsere Straße auf und ab der Küstenlinie. Wir kommen durch Ortschaften, in denen es von Ferienhäusern und Bungalows nur so wimmelt - aber alles verlassen und schon ein wenig dem Verfall preisgegeben.

In Caterina di Pittinuri schwenken wir direkt zum Strand ab und genießen dort im heißen Sand sitzend ein kühles Bierchen. Irgendwie erinnert diese Bucht Marianne und Martin an die kretische Bucht von Matala mit ihren Höhlen an der Steinküste.

Danach schwenkt die Straße langsam östlich ins Inland, und damit weiter hinein ins Bergland. Immer wieder Pfeile auf der Karte; und natürlich auch in Natura - wo sie wesentlich anstrengender sind als beim vorausgegangenen Kartenstudium geahnt. Kurz vor Cuglieri dann sogar ein Doppelpfeil.

Hier machen wir am Fuß des Anstiegs Rast an einem Geländer, das wohl die Leitplanke darstellen soll. Überall neben der Straße Olivenhaine - und für die bevorstehende Ernte sind überall schon die Netze unter den Bäumen gespannt, in denen sich die Oliven beim Schütteln sammeln. Für die Olivenernte sicher eine gute Arbeitserleichterung!

Olivenernte mit Hilfe von Netzen

Die Straße nach Cuglieri hinauf und hindurch quälen wir uns streckenweise zu Fuß und heftig schwitzend bzw. fluchend hoch; die Steigung ist für unsere schwerbeladenen Räder teilweise einfach zu stark. Dafür geht es auf der anderen Seite prompt wieder hinunter. Martin ist `89 die nun folgende Strecke von Alghero her kommend schon einmal gefahren; allerdings bequem mit den Kleinbussen. Von Cuglieri mit 479 m geht es bis hinunter auf 231 m an einer Flußüberquerung; dann wieder hinauf auf 257 m nach Tresnuraghes; einem winzigen Dörfchen - aber mit Tankstelle!

Auch Radfahrer brauchen mal Benzin...

Und hier verblüffen wir den jungen Tankwart, der seinen Augen wohl nicht trauen will, als wir mit den Rädern vorfahren und um Benzin bitten! Wir erklären ihm dann aber gestenreich, wofür wir den einen Liter Benzin denn dann brauchen: zum Kochen für unseren Benzinbrenner. Denn wer weiß, wann wir auf der nun folgenden Küstenstrecke bis Alghero eine geöffnete Tankstelle finden werden.

Steil hinunter geht es dann über eine winzige Nebenstraße direkt ans Meer nach Bosa Marina, dem Badeplatz des etwas weiter im Inland gelegenen "echten" Bosa. Für einen Genuß der doch sehr rauschenden Wellen am Strand von Bosa Marina bleibt nicht viel Zeit; wir müssen bereits an die Abenddämmerung und den noch zu suchenden Platz für die Nacht denken. Martin will wieder an die Stelle, wo er auch 89 übernachtet hat - leider liegt dieser Platz noch ein gutes Stück hinter Bosa, zu allem Überfluß auch noch mit einer Bergstrecke dazwischen.

In Bosa plündern wir einen Mini-Supermarkt und versehen uns vor allem mit genügend Trinkwasser. Jeder schnallt sich einige Wasserflaschen zusätzlich auf.

Jetzt heißt es in die Pedale treten! Lang zieht sich die Steigung aus Bosa hinauf; um eine Felsnase herum, ehe wir die Bucht erreichen, in der sich der vorgesehene Lagerplatz befindet. Und richtig - es ist alles noch so, wie Martin es in Erinnerung hat: eine Steinmauer mit einem - natürlich verschlossenen - Eisentor, was aber keine Schwierigkeit darstellt, da die Mauer nur hüfthoch ist. Schnell sind die Räder über die Mauer gehievt und dann geht es über sandige Feldwege hinunter zum Wasser. Ohne Kleinbus ist man doch schon beweglicher!

Unten bauen wir schnell das Zelt auf, ehe wir mit dem Kochen beginnen und dabei die Abenddämmerung genießen. Der Himmel über dem rechts von uns liegenden Torre Argentina färbt sich nach dem Sonnenuntergang eindrucksvoll rot.

Sonnenuntergang am Torre Argentina bei Bosa

Mit dem Untergang der Sonne wird es dann aber auch rasch kühler; nach der Hitze des Tages umso deutlicher zu empfinden. Wir hüllen uns in unsere warmen Jacken; sitzen auf den Steinen vor dem Zelt und schauen hinaus auf`s Meer und den immer dunkler werdenden Himmel; gewärmt durch ein Schlückchen Rotwein aus den Isobechern.

Trotz der doch recht anstrengenden Bergetappe haben wir am heutigen Abend 71,8 Km auf dem Tagestacho; immerhin gefahren mit einem Schnitt von 12,11. Wir waren knapp sechs Stunden im Sattel und können einen Max von 60,4 notieren. Dementsprechend müde kriechen wir bei einbrechender Dunkelheit in die Schlafsäcke.


Dienstag, 11.4.95, 12. Tag

Zum Spülen geht es zuerst einmal hinunter an den Strand; allerdings ist bei dem hin und herschwappenden Wasser doch Vorsicht vor nassen Schuhen geboten!

Danach sitzen wir vor dem Zelt und frühstücken ausgiebig. Dabei beäugen wir mißtrauisch die Karte, deren vielfach gewundene Streckenführung mit den vielen häßlichen Pfeilen nichts Gutes für die kommenden Stunden verheißt! Allerdings führt die Straße bis Alghero - und das sind etwa die nächsten 40 Kilometer - fast pausenlos direkt am Meer entlang - und das bedeutet zumindest eine gute Aussicht, wenn wir bergauf schieben müssen.

Andererseits lockt diese Aussicht bei den zu erwartenden Steigungen auch nicht unbedingt zu einem baldigen Aufbruch. So trödeln wir beim Abbau herum und gönnen uns eine weitere Aufbruchsverzögerung dadurch, daß wir eine Mini-Nuraghe zu Ehren Gott Güpis errichten - direkt am Strand; mit den drei Zeltstangen sozusagen als Blitzableiter. Fachmännisch wird die neueste sardische Nuraghe danach von Jan und Martin eingeweiht...

Schließlich müssen wir aber doch einmal aufbrechen. Schon nach wenigen Kilometern halten wir am Straßenrand und tauschen unsere langen Klamotten eiligst gegen kurzes, luftiges Zeug: die Tageshitze macht sich schon wieder bedrückend bemerkbar.

Bemerkbar machen sich in den Waden auch die vielen folgenden Steigungen - leider oftmals schon auf mehreren Kilometern entlang der Steilküste zu sehen. Und so kämpfen wir uns von Berg zu Berg; zwischendurch immer wieder hinab in die Senken; teilweise bis hinunter auf Meeresniveau. In Höhenmetern macht das eigentlich gar nicht so viel - nur das ständige auf und ab zehrt an den Kräften.

An einem der vielen Aussichtspunkte stärken wir uns mit Thunfisch und Cervelatwurst. Von hier aus können wir im Dunst bereits das westlich von Alghero liegende Capo Caccia erkennen. An der Leitplanke sitzend, schreiben wir auch einige Ansichtskarten - was man macht, um sich ein Päuschen zu gönnen, ist ja eigentlich egal.

Die letzten Kilometer bis Alghero ziehen sich scheinbar endlos in der Tageshitze hin - an einer Betonabstützung entdecken wir ein kleines Wasserrinnsal, das wieder zum Haare waschen herhalten muß. Und hier begegnen uns auch überraschend zwei andere Ortlieb-Biker! Wir sind wohl doch nicht die einzigen Verrückten auf Sardinien!

Und dann haben wir nach 46 Kilometern endlich Alghero erreicht. Wir schwenken gleich in die Altstadt ab - was sich als Fehler erweist, da die Straßen immer enger werden und plötzlich in Treppen übergehen. Nun ja, das bißchen Umweg zurück bringt uns heute auch nicht mehr um.

Am Hafen machen wir erst einmal ausgiebig Rast, genießen ein Eis und kaufen ein. Von einer Parkbank aus beobachten wir das bunte Touristentreiben am Hafen. Hier, wird uns schnell klar, befinden wir uns mitten in einer Touristenhochburg!

Danach folgen wir den Hinweisschildern entlang der Strandstraße zum nächsten Campingplatz: heute Abend wollen wir in Alghero mal ein wenig "Nachtleben" genießen und müssen dementsprechend nah bei zelten. Und bei den vielen Menschen hier ist mit freiem Campen nichts drin!

Unter alten Bäumen schlagen wir auf dem Campingplatz unser Zelt auf; bald gesellen sich zwei deutsche Motorrad-Biker dazu, die von ihren Erlebnissen erzählen. Einer davon schreibt als "Ghostwriter" für andere deutsche Autoren Reiseführer und Reiseberichte und finanziert so seine Urlaubsfahrten.

Nach 46 Kilometern insgesamt (Schnitt 10,35, 4½ Stunden im Sattel, Max lediglich 46) gönnen wir uns heute frühzeitig eine Pause.

So zwischendurch leeren wir dabei ein 2-Liter-Fläschchen Weißwein und sind dementsprechend bereits in heiterer Stimmung, als wir uns bei Sonnenuntergang zu Fuß auf den Weg nach Alghero machen. Vorher besuchen wir aber noch schnell die Bar des Campingplatzes - Marianne hat uns auf ein Gläschen Myrtenlikör eingeladen. Inzwischen ist auf dem Platz auch ein Rotel-Bus eingetroffen und wir bestaunen die sargartigen Unterkünfte im Anhänger. Für eine derartige Reise muß man wohl geboren sein - für uns jedoch wäre das sicher nichts!

Na, kann ja zum Glück auch jeder machen wie er will - und wir wollen jetzt auf in die Kneipen - so wie es in unserem alternativen Führer beschrieben ist. Und leider verschwindet mit Fortschreiten des Abends dann auch die Erinnerung an den genauen Verlauf. Was geblieben ist, sind Erinnerungen an einen Schuhverkäufer, den wir in der irischen Kneipe treffen und mit dem wir manches Fläschchen zusammen leeren. Und am Schluß sind Marianne und Sarah plötzlich weg und Martin und Jan verbringen bange Minuten mit der Suche nach ihnen im Gewirr der nächtlichen Gassen.

Tja, und dann gilt es noch vom nächtlichen Abenteuer auf dem Heimweg zu berichten! Als wir endlich müde vor dem Tor des Campingplatzes ankommen, sind beide großen Flügeltüren geschlossen. Was also tun? Wir umrunden das gesamte Gelände und versuchen von der Strandseite her ins Areal zu gelangen; wecken dabei aber nur sämtliche Hunde der Nachbarschaft. Wieder vor dem Tor angelangt, beratschlagen wir, ob wir wohl kletternd über die Eisenspitzen des Tores rüber kämen - bis einer von uns per Zufall neben dem Haupttor eine normale, kleine Eisentür entdeckt, die zu unserer Erleichterung problemlos zu öffnen ist! Wir sind froh, als wir in den Schlafsäcken liegen.


Mittwoch, 12.4.95, 13. Tag

Nun, am 13. Fahrttag kann es einem ja schon mal etwas schlechter gehen..... Das Aufstehen heute fällt uns schwer; der Kopf fühlt sich ebenso an.

Dennoch, das Wetter ist wie immer gut und wir machen uns langsam an den Abbau. Zum Capo Caccia wollen wir nun doch nicht mehr - über 600 Stufen hinunter zur Höhle bei diesen Temperaturen und unseren Kopfschmerzen - wir verzichten!

Stattdessen besorgen wir uns in Fertilia, dem nächsten Örtchen außerhalb von Alghero, alles Notwendige für`s Frühstück und genießen dann die wärmenden Sonnenstrahlen auf der Strandpromenade von Fertilia. Doch nach einiger Zeit wird uns die pralle Sonne dann doch zu lästig! Unsere Route führt nun nordwärts weiter in Richtung Porto Torres. Zunächst entlang einer schattenreichen Allee; direkt am Flughafen von Alghero entlang. Nach einem kleinen Stück auf der starkbefahrenen Schnellstraße 291 geht es dann wieder gen Norden auf einer flach verlaufenden Nebenstraße. Unterwegs machen wir Rast; liegen im Gras und schreiben Postkarten.

Kurz vor Porto Torres dann eine weitere Rast an einer kleinen Bar, wo wir uns ein erfrischendes Eis munden lassen. Allmählich geraten wir in die Außenbezirke von Porto Torres und müssen unserem Reiseführer Recht geben: wer in Porto Torres mit dem Schiff ankommt, den hält hier nichts! So ist es - schon von weitem entpuppt sich die Stadt als häßliche Industrieansiedlung. Raffinerien, Bauindustrie, Schwerlastverkehr - nichts für uns! Wir schwenken auch gar nicht ins Zentrum hinein, sondern begnügen uns mit einem am Stadtrand liegenden Supermarkt, der erfreulich günstige Preise bietet. Gelegenheit zum Großeinkauf unserer Alltagsgüter.....

Über eine Nebenstraße verlassen wir bald wieder Porto Torres. Weit werden wir heute wohl nicht mehr kommen; dafür ist die Zeit schon wieder zu weit fortgeschritten.

In Platamona Lido erreichen wir wieder das Meer. Hier sieht alles stark touristisch gefärbt aus. Bei der Weiterfahrt rast vor Sarah plötzlich ein Hund aus einer Nebengasse heraus; gefolgt von einer wild kläffenden Meute, die sich nun nicht genau entscheiden kann, ob sie lieber ihrem Opfer oder Sarah nachsetzen soll. Jan klärt diese Angelegenheit aber blitzschnell - im Fahren! - mit der weit ausschwingenden Luftpumpe: die Hundemeute bleibt wütend kläffend zurück; Sarah und der einzelne Hund sind gerettet. Der Hund folgt uns aus Dankbarkeit noch einige hundert Meter. Vielleicht fühlt er sich bei seinen neuen Weggefährten aber auch nur sicherer als allein gegen diese Hundemafia.

Wir fahren nun auf einer schön ebenen Küstenstraße in Richtung Osten. Leider ist links und rechts vom Weg nichts zu sehen, was ein schönes, ruhiges Übernachtungsplätzchen abgeben könnte. Ganz im Gegenteil: wir werden den Verdacht nicht los, daß wir uns hier in einer ziemlich üblen Gegend befinden. Argwöhnisch beobachten wir die wenigen Autofahrer, die wir am Strand treffen. Welche dunklen Geschäfte mögen sie hierher gebracht haben?

Kurz darauf wird uns das klar: die lässig auf kleinen Stühlchen am Straßenrand sitzenden Damen; leicht geschürzt und prächtig gebaut, machen uns deutlich, wo wir hier gelandet sind. Und uns ist klar, daß die Damen hier sicher nicht so ganz allein sind.

Als wir gerade mal außer Sichtweite von Menschen und Autos sind, biegen wir blitzschnell rechts in ein Wäldchen ab und schieben unsere Fahrräder etwa hundert Meter ins Dickicht hinein. Eine kurze Rundumprüfung ergibt, daß wir hier wohl recht geschützt vor neugierigen Blicken sind. Zudem wird es bereits dunkel und wir machen uns leise an den Zeltaufbau.

60 Kilometer liegen hinter uns; 4½ Stunden reine Fahrtzeit bei einem Durchschnitt von 12,3 und einem Max von 36 Km/h. Wir sitzen im dichten Unterholz und lassen uns eine Linsensuppe mit viel Speck schmecken.


Gründonnerstag, 13.4.95, 14. Tag

Genau so leise, wie wir gestern gekommen sind, verschwinden wir am frühen Morgen wieder aus dem Wäldchen. Die ganze Aufregung ist aber umsonst - wir befinden uns weit und breit allein auf weiter Flur.

In Mariza, einem winzigen Örtchen, finden wir an der Straße einen kleinen Alimentari. Groß ist die Auswahl ja nicht, aber wir sind auch nicht besonders anspruchsvoll - uns reichen Paninis, etwas Aufschnitt und Butter und einige Getränke.

Schon im Laden haben wir versucht, mit der älteren Frau hinterm Tresen ins Gespräch zu kommen und ihr zu erklären, was wir alles so in den letzten Wochen auf der Insel erlebt haben. Leider klappt es mit der Verständigung nicht so ganz flüssig.

Eine wirklich gastfreundliche Sardin!

Als wir aber draußen vor dem Laden auf dem Teerboden sitzen und gerade anfangen wollen zu frühstücken, komplimentiert uns die Frau zwischen ihre großen Blumenkübel und bringt uns einen großen Karton, den sie uns gestenreich als "Tisch" zur Verfügung stellt. Und kurz darauf schleppt sie doch tatsächlich noch kleine Gartenstühlchen an!

Nach einer herzlichen Verabschiedung machen wir uns nach dem ausgiebigen Frühstück wieder auf: Castelsardo heißt unser nächstes Ziel. Im letzten Ort davor bekommt Marianne von Martin noch einen kleinen Silberring, und dann liegt das Panorama von Castelsardo vor uns: hoch oben auf einem Fels gelegen (für Radfahrer leider nicht ganz so schön, wie wir kurz darauf am eigenen Leib erfahren müssen) - aber was heißt "erfahren"? Schieben lautet auf den letzten Metern zum mittelalterlichen Stadtkern hinauf die Devise. Dadurch sehen wir aber links und rechts auch mehr von den Geschäften. Und in einem davon werden Marianne und Martin endlich fündig: hier steht er, der lang ersehnte "Herr Nuragh", in voller Pracht und für läppische 70.000 Lire.

Der Kauf ist schnell getätigt; schwieriger gestaltet sich die Frage des Transportes. Gut verpackt landet das neueste Souvenir in einer der Hinterradtaschen.

Schließlich gelangen wir - schiebend/schwitzend/leise fluchend - zu einer Art Aussichtsplattform; zwar immer noch nicht ganz oben, aber mit gutem Rundblick auf`s Hinterland und die beiden Küstenstreifen. Wir sitzen auf dem Mäuerchen und genießen den Ausblick.

Danach schieben wir unsere Räder noch ein wenig durch den alten Stadtkern; teilweise sogar über Treppen, wenn`s nicht anders weitergeht.

Und dann müssen wir uns an den langen, langen Anstieg machen, den wir schon von unserem Aussichtspunkt bewundern durften: ab hier verlassen wir die Touristenküste und wollen quer durch`s Inland zurück zum Bauern nach Monti. Oben herum, an der Costa Smeralda, scheint für uns nicht der richtige Aufenthaltsort zu sein. Mögen die Reichen um Aga Khan dort unter sich bleiben. Wir werden uns mit dem ursprünglichen Landesinnern begnügen!

Doch zuvor haben die Götter den Schweiß gesetzt! Nach den ersten 4 Kilometern haben wir bereits eine Höhe von 200 m erreicht! Das klingt nicht viel - mit dem vielen Gepäck und bei der sengenden Sonne aber doch recht anstrengend. Die Reisegruppe zieht sich am Hang auseinander: Martin und Jan vornweg; Sarah und Marianne etwas weiter zurück hinterher. Aber - wir fahren, und brauchen nicht zu schieben.

Und dann das kleine Wunder: oben, am (vorläufig) höchsten Punkt eine Bar - und noch dazu geöffnet! So schnell sind Jan und Martin selten vom Rad gestiegen! Und als Marianne dann eintrifft, wird sie bereits an der Straße mit einem kalten Glas Bier begrüßt, an dem die Tropfen am beschlagenen Glas herabrinnen.

Und schau da - der berühmte "Elefant von Castelsardo" ist nur wenige Meter weiter: Also nichts wie hin und ausgiebig fotografiert. Und natürlich dementsprechend auf dem Steingebilde herumgeturnt.

Am Elefant von Castelsardo

Selbst vor den Höhlen im Innern des Elefanten macht die Neugierde nicht Halt! Was zu durchkriechen ist, wird durchkrochen! Na ja, ob das Gebilde wirklich so von der Natur geschaffen wurde, sei noch dahingestellt - vielleicht haben ja auch Sandstrahlgebläse ein wenig für die richtige Form nachgeholfen. Egal, interessant sieht das schon aus.

Und wieder heißt es danach kräftig in die Pedalen treten - weiter geht es bergauf über eine kleine Nebenstraße. Erst in Perfugas werden wir wieder auf eine größere Hauptverbindungsstraße stoßen.

Vorher stoßen wir in einer Serpentinenkurve aber erst einmal auf drei lustige Ferkelchen, die beim Anblick unserer Räder wohl den Schock ihres Lebens bekommen: in panischer Hast fliehen sie vor uns bergauf; da sie bei der steilen Böschung rechts und den Zäunen auf der linken Seite nirgends ausweichen können, müssen sie wohl oder übel vor uns auf der Straße bleiben. Wir lassen es uns nicht nehmen, sie bei ihrem Schweinsgalopp durch aufmunterndes Geklingel auf Trab zu halten. Sicherlich vor Erleichterung tief aufschnaufend finden sie dann schließlich doch eine Möglichkeit, von der Straße wegzukommen und sich vor uns in Sicherheit zu bringen.

Und wir haben so ganz nebenbei die letzten Höhenmeter zurückgelegt und rollen nun über eine leicht wellige Hochfläche. Sedini und Bulzi heißen die nächsten beiden Ortschaften; eigentlich eher nur kleine Häuseransiedlungen. Aber immerhin - Bulzi verfügt über einen mittelgroßen Supermercato. Und das bedeutet für uns mal wieder die abendlichen Einkäufe tätigen.

Unter anderem erstehen wir an diesem Abend eine Flasche Ricard; den wollen wir doch mal vor dem Zelt sitzend genießen. Aber erst einmal müssen wir einen Zeltplatz haben. Rings umher eine wellige Hügellandschaft; leider sehr gut von allen Seiten einsichtbar - mit einem versteckten Plätzchen für unser Zelt ist hier Fehlanzeige.

Wir rollen weiter die zu einem Flüßchen hinabführende Straße hinunter. Beim Gegenanstieg finden wir am Straßenrand ein rostiges Eisentor, dahinter alles mit hohem Gras zugewachsen. Nun, hier scheint seit Monaten niemand mehr hingekommen zu sein - vielleicht das Richtige für uns?

Schnell ein prüfender Gang ins Gelände - und tatsächlich: weiter hinten ein flaches Lagerplätzchen, das man von der Straße eigentlich nicht einsehen dürfte.

Nun müssen wir aber unsere Räder hierher bringen. Kein leichtes Unterfangen bei dem doch hüfthohen Gras; das zu allem Überfluß mit Brennesseln und Disteln durchsetzt ist. Hoffentlich treiben wir uns keine Dornen in die Reifen!

Am Lagerplatz legen wir die Räder flach auf den Boden, damit vorbeikommende Autofahrer mit ihren Scheinwerfern nicht unsere Katzenaugen aktivieren können. Nach dem Zeltaufbau machen wir es uns draußen gemütlich und kochen. Und danach köpfen wir natürlich das Fläschchen Ricard. Cola haben wir auch in ausreichender Menge eingekauft; so kreisen immer wieder die vier Becher mit einer guten Mischung.

Über uns, am leicht verhangenen Himmel, steht der volle Mond und wirft sein bleiches Licht auf die Wiesen rings umher. Es ist schon eine gemütliche Atmosphäre! Aufgeschreckt werden wir plötzlich durch ein Blaulicht, das sich auf der Straße nähert und an unserem Platz vorbeizieht. Vom Auto selbst ist durch das hohe Gras nichts zu sehen. Später werden sich einige von uns erst durch die Videoaufnahme wieder von der tatsächlichen Anwesenheit dieses Blaulichts überzeugen lassen....

Der genaue Zeitpunkt für die Nachtruhe lässt sich im Nachhinein nicht mehr ermitteln.... Der Tacho zeigt am nächsten Morgen jedenfalls für diesen Gründonnerstag eine Fahrtdistanz von 44 Kilometern; bei einem Schnitt von 12,1, Max 53,8 und 3:40 Stunden im Sattel.



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