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Karfreitag, 14.4.95, 15. Tag

Das Aufstehen fällt einem heute doch extrem schwer! Merke: Ricard erzeugt am nächsten Tag einen gewaltigen Durst auf Wasser!! Und dieses Wasser müssen wir erst einmal suchen. Etwas unterhalb unseres Platzes finden wir ein kleines Bächlein, das zum Waschen und zum Spülen einlädt. Gegenüber sehen wir jetzt bei vollem Tageslicht eine eigenartige Kirche; abwechselnd aus weißem und schwarzem Gestein errichtet. Ein Blick auf die Karte zeigt, daß es sich um die Kirche San Pietro di Simuranos handeln muß. Uns steht allerdings nicht der Sinn nach einer näheren Besichtigung.

Bei herrlichem Wetter schieben wir unsere Räder nach dem Abbau wieder zurück auf die Straße und setzen unsere Reise mit leichtem Brummschädel fort.

Bald erreichen wir die Hauptstraße, die uns in den nächsten Tagen zurück nach Monti und zu unserem Transit leiten wird. Heute aber ist zunächst einmal Perfugas unser Ziel. Am Ortseingang finden wir ein geöffnetes Cafe, das zu Capuccino und süßen Hörnchen einlädt. Von dort ins Stadtzentrum von Perfugas ist es nur noch ein kleines Stückchen. Wir verpflegen uns im Supermarkt für`s Frühstück und lassen uns gegenüber der Post auf einem Steinmäuerchen nieder. Der richtige Appetit will sich an diesem Morgen aber nicht so recht einstellen. Und das lange Anstehen in der Post wegen einiger Briefmarken ist für Jan und Martin auch nicht das Richtige - heute braucht man viel frische Luft!

Wir werden von einem Italiener angesprochen, der uns gegenüber ins Cafe zu einem weiteren Capuccino einlädt. Wir erzählen ihm von unseren Fahrterlebnissen.

Und danach werden unsere beiden Damen, als Jan und Martin sie nur kurz aus den Augen lassen, von einem rüstigen schweizer Rentnerehepaar auf die Dachterrasse zu einem Glas Rotwein eingeladen! Er erzählt ihnen eine Menge vom Leben als Rentner auf Sardinien. In der Schweiz hatte der Mann zwei Herzinfarkte; hier geht es ihm seit Jahren prächtig. Als Medizin schwört er auf einen halben Liter Rotwein täglich. Wir glauben es ihm gern! Leider vergißt er dabei, Jan und Martin zu einem Glas einzuladen.

Wir verlassen Perfugas um die Mittagszeit und sind schnell wieder auf der Hauptstraße gelandet. Es ist drückend heiß, und die am Horizont aufziehenden Wolken lassen auf ein baldiges Gewitter schließen. Am Straßenrand legen wir nach einem Anstieg eine Trinkpause ein und beobachten argwöhnisch den Himmel.

Neben uns taucht nun das Gleis einer Schmalspurbahn auf; und nach einigen Minuten rattert tatsächlich ein kleiner Triebwagen vorbei - er erinnert auch deutlich an die Beschreibung in unserem Reiseführer: ein "aufgepumpter Regenwurm".

Direkt an einem Bahnübergang machen wir eine späte Mittagsrast. Unter einem Strohdach finden wir hier Schutz vor der stechenden Sonne.

Zu unserer großen Freude finden wir jenseits der Bahnlinie ein großes, rundes Wasserbassin. An seinem Überlauf legen wir eine gründliche Waschpause ein. Unterdessen beginnt unter dem Strohdach das Kochen unseres Mittagessens: Spaghetti Bolognese in altbewährter Form, aber nicht mit den "normalen" Fleischkonserven, sondern echtem sardischen Gehackten, erstanden im letzten Supermarket in Perfugas. Der dazu unbedingt erforderliche Cayenne-Pfeffer wird in Ermangelung eines Streuers direkt aus der Tüte dazugegeben. Zwischenzeitlich werden wir erneut vom zurückkehrenden Triebwagen aufgeschreckt; wir schaffen gerade noch ein leicht verschwommenes Foto. Leider ist unser Filmvorrat nun verbraucht - weitere Bilder wird es von dieser Tour daher nicht geben.

Frisch gestärkt machen wir uns anschließend an das uns nun bevorstehende unerquickliche Straßenstück: vier Pfeile nacheinander zeigt die Karte auf den nächsten sechs Kilometern. Und ein Blick auf die neben der Straße herführende Bahnlinie mit ihren vielen Tunnels und Schleifen bestätigt unsere Vermutung: es wird anstrengend werden!

Und das wird es dann auch tatsächlich! Nur wird es zuerst einmal leider feucht! Verschiedene Platzregen zwingen uns immer wieder in die Regenanzüge hinein - das ist lästig und zeitraubend; aber immer noch besser, als einmal zu spät geschützt zu sein und dann alle Klamotten naß zu haben.

Dann die ersten Serpentinenkurven - so steil, daß wir doch immer wieder absteigen müssen. Hinzu kommt jetzt auch noch ein fieser Gegenwind, der uns kalt ins Gesicht bläst. Überhaupt sind die Temperaturen inzwischen arg gefallen - von wegen "bella Sardegna"! Je höher wir kommen, desto trüber, nasser und kälter wird es. Dabei kann einem schon die Lust vergehen! Das nützt aber alles nichts - rauf müssen wir auf jeden Fall!

Schließlich erreichen wir auf 490 m Höhe eine Straßenkreuzung, an der wir nach rechts in Richtung des schon in Sichtweite liegenden Tempio abbiegen müssen. "Nomen est omen" - die Namensähnlichkeit von "Tempio" zum italienischen Wort "Temporale" (= Unwetter) wird nun bittere Wahrheit: noch vor der Ortseinfahrt müssen wir erneut volle Regenmontur anlegen. Trotz der Schirmmützen, die das Zusammenziehen der Kapuzen unserer Regenjacken verhindern sollen, bläst uns der eisige Wind die Regenschleier ins Gesicht. Die ungeschützten Hände am Lenker werden kalt und können die nassen Schaltgriffe kaum noch bedienen. Die vorbeifahrenden Autos spritzen uns dazu noch von der Seite naß. Alles in allem ein Wetter, worauf man auf einer Radtour gerne verzichten könnte!

In Tempio dann starker Dauerregen; dazu eine Straße, die unerbittlich ansteigt. Teilweise schieben wir über den Bürgersteig, um dem starken Autoverkehr und den Ampeln mit der steilen Anfahrt zu entgehen. An einem kleinen Supermarket dann eine Pause; wir betreten den Laden mit unseren Regenanzügen und leisten uns allen widrigen Umständen trotzend ein Eis!

Draußen werden dann die Abendvorräte wasserdicht in den Packtaschen verstaut, ehe wir Tempio zügig, weil bergab, verlassen. Es ist inzwischen fast schon dämmrig geworden - und wieder einmal steht die Suche nach einem Lagerplatz an. Ein erster Versuch in einen Feldweg hinein endet mit einer Pleite: alles ist hier zugebaut.

Bei der folgenden rasanten Abfahrt ins Tal zwischen Tempio und Calangianus werden wir aber fündig: links taucht eine Art verwilderter Park auf; mit großen Korkeichen dicht bestanden. Das große Eisentor läßt sich öffnen, und kurz darauf sind wir von der Straße verschwunden. Ein fast paradiesisches Plätzchen - wäre da nicht das beständig von den Bäumen auf uns beim Zeltaufbau herabtropfende Wasser.

Aber zumindest hat der Regen inzwischen aufgehört. Und unser dunkelgrünes Basefox dürfte im immer geringer werdenden Tageslicht eigentlich keinem mehr auffallen. Wir ketten die Fahrräder zusammen und schützen die Sättel mit Tüten. Nach einem warmen Getränk sind wir bald im Zelt verschwunden.

Martins Tacho hat an diesem Tag die 7000er-Grenze übersprungen - 38 Kilometer beträgt die heutige Tagesetappe; nur mit einem Schnitt von 9,53 (max 40, 4 Stunden im Sattel).


Karsamstag, 15.4.95, 16. Tag

Dies wird unser letzter Fahrttag sein - morgen geht abends bereits unsere Fähre ab Olbia. So schnell kann doch die Zeit unterwegs vergehen.

Zum Glück können wir das Zelt ohne Regen abbauen; obgleich das Wetter nicht gerade gut aussieht. Es ist sogar so kalt, daß Marianne Handschuhe und Mütze trägt. Wir beschließen spontan, diese letzten Regenstunden aus unseren sardischen Erinnerungen zu streichen!

Das nützt kurz darauf aber herzlich wenig: wenige Minuten, nachdem wir das Eisentor hinter uns geschlossen haben, beginnt es wieder zu regnen. Aus diesem Grund biegen wir bei der Einfahrt nach Calangianus in ein kleines Cafe ein, um einen heißen Capuccino zu uns zu nehmen. Und die dralle Bedienung in ihrem rosa Minirock sorgt zumindest bei den Herren für Sonne im Herzen. Zum Capuccino gibt`s dann einige nahrhafte, süße Teilchen. Fast schon ein Osterfrühstück!

Mit Regenanzügen geht es dann weiter; ein Alimentari bringt die notwendige Tagesverpflegung. In einer langgezogenen Linkskurve am Ortsausgang von Calangianus machen wir es uns trotz des Regens unter Bäumen auf einem Straßenmäuerchen gemütlich und legen eine Frühschoppenpause ein.

Hinter Calangianus dann eine "echte" Frühstückspause an einem Felsgebilde, das auch wieder so eine Art Elefant darstellen soll. Und unten drin gibt es dabei eine Höhle, in der wir alle vor dem Regen Schutz finden und die Paninis mit Schinken, Mortadella und Käse im Trocknen belegen können.

Und siehe da - unser aus der Not geborenes 1000-Lire-Opfer für Gott Güpi, von Martin fachmännisch mit dem Feuerzeug als Brandopfer dargebracht - zeigt einen durchschlagenden Erfolg: die Sonne bricht durch die Wolken; der Regen versiegt!!!! Und wärmer wird es gleichzeitig auch. Leider hätten bei dem Brandopfer beinahe Jan`s Fleece-Handschuhe dran glauben müssen.

So läßt sich die weitere Strecke gut an. Unterwegs ein Stein mit einem aufgemalten Herz - Marianne und Martin können sich wegen des fehlenden Films hier leider nur auf dem Videoband ablichten lassen. Bergab läuft es nun weiter; bei den vielen Kurven muß man aber dennoch höllisch aufpassen und auf die Geschwindigkeit achten. Von der Cantoniera Larai auf immerhin noch 598 m verlieren wir bis zur Stazione di Monti-Telti über 300 Höhenmeter.

Vor Telti machen wir an einer Ruine noch kurz Rast und ducken uns vor dem immer noch recht schneidenden Wind hinter einem Mäuerchen. Durch Telti läuft es dann zügig abwärts. An der Bahnstation biegen wir ab und machen es uns auf dem Bahnsteig gemütlich. Hier wollen wir vor der Rückkehr zum Bauernhof noch schnell unser Mittagessen kochen - in alter Tradition, wie schon 1991.

Da Sarah in den letzten Tagen mit der gerechten Verteilung des Essens nicht ganz zufrieden schien, darf sie heute diese Aufgabe unter den wachsamen Blicken der anderen Hungrigen übernehmen. Wegen der fehlenden Kelle erweist sich das Ausgeben der Linsensuppe nur mit einem Löffel als doch recht langwierig.

Nach dem Spülen am Bahnhofsbrunnen wird alles wieder verstaut, ehe wir uns auf die letzten Kilometer zum Bauern machen. Hier werden wir gleich freudig begrüßt, natürlich mit einem Willkommenstrunk. Dann machen wir uns über unseren Transit mit seinen Köstlichkeiten her. Beim letzten Einkauf in Monti erstehen wir einige der riesigen Ostereier für Svenja, Christoph und Sebastian. Leider werden wir beim Öffnen feststellen müssen, daß sie lediglich aus einer Schokohülle bestehen - ohne weiteren Inhalt. Es werden unsere letzten diesbezüglichen Käufe sein!

Das Zelt bauen wir danach auf der dem Bauernhof gegenüberliegenden Wiese auf und lassen uns dann beim Bauern in seiner Stube zum abendlichen Umtrunk nieder. Und dann wird "erzählt" - trotz der inzwischen doch stark gewachsenen Italienischkenntnisse vorwiegend mit Händen und Füßen und mit Hilfe von Minizeichnungen. Egal - wir verstehen uns prächtig. Die Familie von Pinuccio ist inzwischen auch dazugestoßen, und Runde um Runde kreisen die Weinflaschen, dazu das Brot und die leckere Wurst bzw. der Käse. Prizz, der Kater, bekommt dabei heimlich neben der Käserinde auch schon mal ein Stück Wurst bzw. Käse ab. Armer Prizz - bei unserem nächsten Besuch im kommenden Jahr wirst du nur noch auf drei Beinen herumhumpeln. Aber davon mehr im `96er Reisetagebuch!

Mit genügender Bettschwere verabschieden wir uns spät in der Nacht! 39 Kilometer war diese letzte Teilstrecke lang; wir brauchten dafür bei einem Max von 40 und einem Schnitt von 12,41 etwas mehr als 3 Fahrtstunden. Insgesamt 708 Kilometer haben wir in den letzten 13½ Tagen zurückgelegt; ohne nennenswerte Pannen und doch mit recht guter Laune.


Ostersonntag, 16.4.95, 17.Tag

Der letzte Tag auf Sardinien! Nach dem Ausschlafen nützen wir das Badezimmer des Bauern für eine ausgiebige Morgentoilette. Und dann sitzen wir im Gras vor unserem Zelt und genießen bei bestem Sonnenwetter das Osterfrühstück. Dazu zählt auch ein letztes Moretti; interessanterweise auf dem Etikett mit einem Weihnachtsmann versehen. Stilvoll haben wir die Wiese mit unseren kleinen Ostersüßigkeiten dekoriert. Und auch unser Herr Nuragh hat als Osterschmuck ein Netz Schokoladeneier auf den Schultern. Dies wird ihm leider zum Verhängnis, da das Übergewicht ihn aus dem Gleichgewicht bringt und ihn nach vorne stürzen läßt - leider mit beiden Schildern mitten hinein in die Butter! Dadurch verfärbt sich seine Grünspanfarbe etwas und er sieht noch altehrwürdiger aus.

Nun drängt aber tatsächlich die Zeit! Wenn wir von Olbia noch etwas sehen wollen, müssen wir uns mit dem Zeltabbau und dem Verpacken des Transits beeilen. Unser Bauer läßt es sich nicht nehmen, für Marianne eine schöne Palme auszugraben!

Und nach dem Verladen steht die Abschiedszeremonie von unseren Gastgebern an. Wir müssen versprechen, im nächsten Jahr wiederzukommen (und werden dieses Versprechen auch halten!). Mit viel Hupen geht es dann nach dem letzten Vino leicht beschwingt über den Feldweg hoch zur Straße - etwas ungewohnt, nicht im Sattel, sondern in den weichen Transitsitzen sitzend; dazu noch Musik aus dem Cassettendeck (Originalton Sarah: "Mach mal die Mucke an")

Durch Olbia hindurch fahren wir erst einmal nach Golfo Aranci, um dort am äußersten Ende nach einer abenteuerlich schaukelnder Fahrt (hoffentlich nehmen uns das die Radlager des Transits nicht übel...) im Schrittempo eine schön einsam gelegene Badebucht zu erreichen, an der wir `91 bereits den letzten Tag verbracht haben.

Leider wagen sich nur Jan und Martin (mit viel Geschrei) ins doch noch recht kühle Wasser. Danach wird am Strand gekocht und anschließend gespült - die Kochutensilien werden wir auf dieser Fahrt nicht mehr brauchen. Bei der Rückfahrt nach Olbia wählen wir einen Weg durchs Inland; dabei erleben wir zufällig einen weiten Ausblick hinaus auf die weiter nördlich gelegene Costa Smeralda.

Zurück in Olbia - zuerst einmal zum Hafen und die richtige Einschiffungsposition gesucht. Von dort aus machen wir uns zu Fuß auf ins Städtchen; über den langgezogenen Damm, der zum Terminal führt. In der Stadt dann ein letztes Essen in "La Lanterna", wo Martin an Antons Pizza Calzone erinnert.

Pünktlich sind wir dann zurück zur Einschiffung. An Bord dann eine freudige Überraschung: statt der gebuchten 4-Bett-Kabine gibt`s zum gleichen Preis zwei doch etwas bequemere 2-Bett-Kabinen. Wir stehen an Deck, genießen das Auslaufen des Schiffes und stoßen mit kleinen, 0,2l großen Rotweinfläschchen auf den Abschluß unserer Fahrt an.


Ostermontag, 17.4.95, 18. Tag

Diesen letzten Tag werden wir alle nicht so schnell vergessen! Zunächst läuft alles wie geplant. Ausschiffung am frühen Morgen in Livorno bei bestem Wetter; dann schnell durch das Hafengelände hinaus zur Autobahn und mit strammem Tempo gen Norden. Die etwa 1200 vor uns liegenden Kilometer hoffen wir bis Mitternacht zurückgelegt zu haben.

Die Autostrada ist nicht allzu voll; Marius liegt im Cassettenteil und es geht beschwingt durch die vielen Tunnel nach La Spezia hinauf durch`s Gebirge gen Norden. Dabei nehmen wir die letzten Meter auf unserem Videoband auf, ehe die Batterie endgültig zu schwach ist. Martin gibt vergnügt die Durchschnittsgeschwindigkeit an - seit Livorno halten wir eine Reisegeschwindigkeit von über 100 Km/h!

Mittags erreichen wir dann die von Mailand nach Norden abbiegende Autobahn. Vor einer Mautstelle müssen wir herunterbremsen und langsam entlang der Leitplanke weiterrollen. Durch das geöffnete Fenster hören wir dabei erstmals ein merkwürdiges, beunruhigendes Geräusch: irgendwas klackert hinten an unserem Fahrzeug. Oder kommt es von vorne? Dann ist wieder alles ruhig, bis einige Kilometer weiter das Geräusch wieder zu hören ist - diesmal leider nur wesentlich deutlicher. Es scheint vom vorderen Rad zu kommen! Bis zur endgültigen Diagnose ist es nun nicht mehr weit: Radlagerschaden!!

Nun ist niemand von uns so weit in der KFZ-Mechanik bewandert, daß er die genauen Folgen einschätzen kann. Wird das Lager noch bis nach Deutschland halten? Kann man damit überhaupt noch weiterfahren? Oder besteht die Möglichkeit, daß das Rad plötzlich blockiert und sogar abreißen kann? Diese Gedanken können einem schon den Schweiß auf die Stirn treiben!

In Como verlassen wir daher die Autobahn und versuchen, in der Stadt eine offene Tankstelle mit einer Reparaturmöglichkeit aufzutreiben. Zumindest wollen wir uns von einem Fachmann grünes Licht für die Weiterfahrt durch die vor uns liegenden Alpen geben lassen.

Damit ist natürlich Fehlanzeige - wir haben schließlich Ostermontag und alles ist zu! Bei der Rückkehr zur Autobahn verfahren wir uns auch noch und haben alle Mühe, wieder eine Auffahrt gen Norden zu finden.

Wir beschließen weiterzufahren. Kurz nach der italienischen Grenze geraten wir dann auch noch in einen Osterstau vor dem Brenner. Geschlagene 2 Stunden brauchen wir, bis wir die letzten Kilometer vor dem Gotthardttunnel schaffen. Oben wird uns der Grund schnell klar: die beiden Fahrspuren müssen sich per Ampel einspurig in den Tunnel einfädeln. Zumindest hat sich das Geräusch des defekten Lagers aber nicht weiter verstärkt. Schon mal ein gutes Zeichen!

Als wir aber dann endlich in den Tunnel einfahren, hören wir es überdeutlich von den Tunnelwänden zurückschallen. Es mahlt und knallt in unserem Radlager, als wolle das Rad jeden Augenblick völlig abbrechen. Und das nun im Tunnel; 17 Kilometer einspurige Strecke mit Gegenverkehr. Wir malen uns aus, was alles passieren kann, wenn jetzt hier, mitten im Tunnel, das Rad blockiert oder abreißt - es hilft nichts - langsames Tempo ist nun angesagt! Wir schleichen mit 30 bis 40 Km/h die Tunnelkilometer entlang - hinter uns eine immer größer werdende Schlange von Autofahrern, die ebenfalls schon so lange im Stau gesteckt hatten und sich nun auf eine zügige Weiterfahrt freuten.

An der Ausfahrt überholen sie uns schließlich. Die Fingerzeige aus dem Reisebus, der sich die letzten Kilometer hinter uns halten mußte, sind eindeutig...

Wir steuern die nächste Parkbucht an und begutachten den Schaden von außen. Fachmännisch wird am Rad gerüttelt - das ist aber auch schon alles, was wir tun können.

Und oh Wunder - bei der Weiterfahrt ist eigentlich auch nichts mehr zu hören. Vielleicht haben sich die Kugeln im Radlager zurückgerüttelt oder passend abgeschliffen?? Wir entwickeln alle möglichen Theorien. Hauptsache ist aber, daß wir weiterkommen!

Und um 20:25 erreichen wir die deutsche Bundesgrenze. Jan notiert in unserem Reisetagebuch wörtlich:

" 20:25 - endlich wieder in Deutschland - jetzt kann ein Reifen nach dem anderen platzen!"

Und um 21 Uhr stehen wir dann auch tatsächlich auf dem Randstreifen und können die Autobahnmeisterei in Freiburg anrufen: die letzten Kilometer auf der hoppeligen deutschen Autobahn scheinen unserem Radlager nun endgültig den Rest gegeben zu haben - die Geräusche sind so extrem geworden, daß wir uns ohne den Rat eines Fachmannes nicht mehr weitertrauen.

Wir werden aufgefordert, noch etwa einen Kilometer bis zum nächsten Parkplatz auf dem Randstreifen im Schrittempo weiterzufahren, um dort auf den ADAC-Pannendienst zu warten.

Das tun wir dann auch; vorher erwarten uns dort aber erst Pfadfinder aus einem benachbarten Ort, die unseren Wagen und die Warnblinkanlage gesehen haben, und nachfragen, wie sie uns helfen können. Wir erhalten von ihnen eine Adresse, wo wir notfalls die Nacht verbringen können.

Kurz darauf erscheint der ADAC-Mann. Seine Diagnose ist dann auch eindeutig: vielleicht noch 2o Kilometer - bei Schleichfahrt - mehr ist nicht mehr drin. Eine Fordwerkstatt soll sich im nahen Bad Krotzingen befinden; dort müßte seiner Meinung nach auch ein Hotel sein.

Für uns besonders wichtig ist das Pannenprotokoll, aus dem die Fahrtuntüchtigkeit des Fahrzeuges hervorgeht. Denn nun soll sich Dank unseres Schutzbriefes alles zum Guten wenden!!

Wir erreichen nach langsamer Fahrt gegen Mitternacht die Innenstadt von Bad Krotzingen und finden dort ein kleines Hotel mit angeschlossenem griechischen Restaurant. Schnell werden wir uns mit dem Hotelier einig: wir erhalten drei Zimmer: Marianne mit Martin ein Doppelbett; Sarah und Jan zwei Einzelzimmer; Jan sogar mit einem Himmelbett. Und dann geht es hinunter ins Restaurant! Was haben wir an diesem Tag auch schon gegessen - nichts außer dem Pane Karasau - das trockene Hirtenbrot der Sarden. Bei all der Aufregung unterwegs hatten wir auch nicht den richtigen Appetit. Der kommt jetzt aber beim Anblick der Speisekarte! Die nächste Stunde vergeht in andächtigem Schweigen beim Verzehren der festen und flüssigen Köstlichkeiten. Und dann sinken wir müde, aber erleichtert, in die weichen Betten! Später wird sich herausstellen, daß der Schutzbrief sämtliche Kosten für Übernachtung und Verpflegung übernehmen wird!


Osterdienstag, 18.4.95, 19. und letzter Tag

Nach dem Frühstück im Hotel fahren wir zur nahegelegenen Fordwerkstatt. Hier macht uns der Meister auch Hoffnung, daß bis 11 Uhr alles repariert sein wird. Marianne ruft erst einmal bei Ihrer Arbeitsstelle an um mitzuteilen, daß wir zwangsläufig einen Tag später zurückkehren.

Danach schlendern wir durch Bad Krotzingen und erstehen den Velbinger-Reiseführer "Sardinien". Schade, daß wir diesen dicken Wälzer vorher zur Planung nicht hatten! Er enthält doch eine Menge an zusätzlichen Informationen.

Wir begleichen unsere Reparaturrechnung und starten wieder in Richtung Autobahn. Die letzten 450 Kilometer sollten jetzt, bei Tage und ausgeruht, eigentlich ein Katzensprung sein - denken wir zu dieser Stunde.

Daraus wird aber nichts. Noch vor Freiburg geraten wir in einen Stau, der sich über Stunden nicht auflöst. Der Grund wird uns schnell klar: auf der inzwischen leeren Gegenfahrbahn fahren jede Menge Schwerlastkräne an uns vorbei; dazu Rettungswagen und ab und zu auch ein Leichenwagen. Wir werden merklich ruhiger im Wagen. Schon von weitem sehen wir dann, wie die Ausleger der Kranwagen über der Gegenfahrbahn hin- und herschwenken. Ein schwerer LKW hat die Mittelplanke durchbrochen und ist auf unserer Seite mit mehreren Mercedes und BMWs frontal zusammengestoßen. Andere LKW liegen im gegenüberliegenden Straßengraben. Wir werden langsam einspurig an der Unfallstelle vorbeigeschleust. Uns wird schlagartig bewußt, daß so eine lange Autofahrt auch mit Risiken behaftet ist.

Später geraten wir dann noch in Schlechtwetter. Bei strömendem Regen erreichen wir spät abends Kückelheim und schlafen hier die letzte Nacht, da es für eine Abholung von Jan und Sarah schon zu spät ist.

19 aufregende Tage liegen hinter uns. Dennoch beschließen wir spontan: im nächsten Jahr geht es weiter!!



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