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Umbrien 2003

Die Vorbereitungen

Die Wurzeln der Sommerfahrt gehen zurück ins Jahr 2002. Marianne und Martin waren zwar 2001 und 2002 per Rad in Umbrien und Marken unterwegs gewesen und hatten weiterhin Kontakt zu Franco und den Leuten der Pro Loco gehalten; das letzte Pfadfinderlager in Umbrien lag aber nun schon wieder über 2 Jahre zurück: im Herbst 2000 hatte der Jufitrupp dort ein Herbstunternehmen durchgeführt und dabei das Rohmaterial für ein Wanderwege-Projekt zusammengetragen. Und so kam bald der Gedanke auf, im Jahr 2003 erneut nach Umbrien zu fahren; dieses Mal allerdings im Sommer. Und darauf einigten sich nicht nur Jufis und Pfadis, sondern auch die Wölflinge zeigten Interesse. Schnell war aber auch klar, daß die Gruppen unterschiedliche Programmkonzepte umsetzen würden.

So richtig ernst mit dem Projekt wurde es dann auf der Stammesversammlung Anfang 2003. Hier wurden Eltern und Kindern die Grundzüge der geplanten Sommerfahrt vorgestellt – und dann mußten sich alle entscheiden: mitmachen oder zu Hause bleiben? Von den Anmeldezahlen waren die Leiter dann doch überrascht: am Schluß lagen 31 feste Zusagen vor – dazu noch der Kurat, der für einige Tage nachkommen wollte. In der Stammesgeschichte muß man schon bis ins Jahr 1977 (!) zurückgehen, um für ein Auslandslager eine größere Teilnehmerzahl zu finden (damals waren es so an die 60 Scouts aus Wenholthausen auf einer Norwegen-Fahrt).

Und diese hohe Teilnehmerzahl bereitete den Leitern nun doch einiges an Kopfzerbrechen: Zelte, Verpflegung, Transport – kurz die gesamte Organisation – mußte in einem über das übliche Maß hinausgehenden Umfang durchdacht werden. Dazu noch die Schwierigkeit mit den zu erwartenden Hochsommer-Temperaturen. Schnell war klar, daß der Stammes-Transit mit Peters Materialhänger als Grundlage für den Materialtransport aber auch für die Transportfahrten der Teilnehmer in Umbrien unentbehrlich sein würde. Marianne und Martin boten sich an, das Fahrzeug nach Umbrien zu bringen; die Gruppe sollte dagegen mit dem Zug fahren. Birgitt, Andree und Jan kamen dann auch noch zur Transitmannschaft, da sie sich aus beruflichen Gründen erst sehr spät für eine Mitfahrt entscheiden konnten.

Parallel zu den Lagervorbereitungen wurde nun auch das Wanderwege-Projekt abgeschlossen. Heraus kam eine kleine Broschüre, die zunächst auf deutsch in 200 Exemplaren hergestellt wurde. Und die sollte im Sommer natürlich der Pro Loco präsentiert werden.

Im Frühjahr 2003 bereiteten sich die drei Gruppen intensiv auf das Lager vor, schmiedeten Pläne für ihr Programm und trainierten wichtige pfadfinderische Fähigkeiten, insbesondere für das Aufbauen der Zelte und die Lagerküche.

In den letzten Wochen vor Beginn der Sommerferien wurde es dann etwas hektisch: das Material mußte zusammengestellt und überprüft werden; die Verpflegung eingekauft werden und danach alles „versandfertig“ gemacht werden. Und natürlich die vielen, vielen zusätzlichen Dinge: Ausweiskontrolle, Impfpässe, Kontrolle der persönlichen Ausrüstung der Teilnehmer, usw.; es gab reichlich zu tun.

Am Vorabend der Fahrt trafen sich dann alle zur Gepäckabgabe. Dabei erhielten Teilnehmer und Fahrzeug von unserem Kuraten, Ludger Eilebrecht, den Reisesegen. Das Wetter an diesem Spätnachmittag war sonnig und warm – hoffentlich ein gutes Vorzeichen für den Aufenthalt in Umbrien.

Reisesegen auf dem Schulhof Verabschiedung durch die Eltern

An dieser Stelle muß aber auch einmal „Danke“ gesagt werden an alle, die durch ihre Arbeit dieses Großlager ermöglicht haben. Dies sind natürlich in erster Linie die Leiter und Mitarbeiter, die ihre Ferien bzw. Urlaub für das Unternehmen mit den Kindern und Jugendlichen eingesetzt haben. Weiterhin aber auch Andree, der dieses Reisetagebuch geschrieben hat. Und ein ganz besonderer Dank gilt Franco von der Villa della Cupa in Colle, der uns bei vielen organisatorischen Problemen immer weiter geholfen hat.

Und nun viel Spaß beim Eintauchen in die Erinnerungen an eine herrliche Sommerfahrt ins sonnige Italien!


Reisetagebuch, 31.7. - 17.8.2003



Donnerstag, 31.7.03

An diesem Vormittag startete die Vorhut, um mit Transit und Anhänger den größten Teil des in den nächsten zwei Wochen benötigten Materials gen Süden zu transportieren. Am Fernpaß wurde eine Zwischenübernachtung im Zelt eingelegt, ehe es am nächsten Tag über Rimini und Fano (von dort über die alte römische „Via Flaminia“) bis nach Colle weiter ging. Dort traf das Team dann am Freitag gegen 20 Uhr ein.


Freitag, 1.8.03, 1. Tag

Die Hauptgruppe startete an diesem Freitag, allerdings etwas bequemer. Mit der Bahn ging es zuerst von Freienohl bis nach Kassel-Wilhelmshöhe; von dort mit dem ICE bis nach München. Im Liegewagen überquerte die Gruppe dann in der Nacht die Alpen – für viele Teilnehmer sicher ein neues, aufregendes Erlebnis. Beim Aufwachen war man dann schon tief in Italien.


Samstag, 2.8.03, 2. Tag

Dieser Vormittag wurde vom Vorbereitungsteam genutzt, alles für die Ankunft der Gruppe vorzubereiten. Dazu gehörte die Festlegung der einzelnen Zeltplätze, der Aufbau der Küchen-Überdächer, sowie die Organisation eines leichten, den Temperaturen angepaßten Mittagessens. Die Zutaten dafür wurden beim ersten Großeinkauf im Supermarkt von Gualdo Tadino besorgt. Erste Probleme gab es beim Aufbau der Küchen-Überdächer: sämtliche Gestängeteile fehlten! Pech, wir hatten sie beim Verladen in einer Ecke unseres Pfadfinderraumes stehen lassen....

Nun war natürlich guter Rat gefragt – und der kam von Antonio, dem Platzwart. Mit Hilfe einiger stabiler Seile und frisch geschlagener Äste war dieses erste Problem bald zufriedenstellend gelöst. Danach mußte sich das „Empfangskomitee“ auch schon auf den Weg zur Stazione Gaifana machen.

Die Gruppe hatte inzwischen am frühen Morgen in Terontola den Nachtzug verlassen und einen Regionalzug nach Foligno genommen. Von dort aus gab es erste Handy-Kontakte: bis auf einige Jufis mit etwas Übelkeit war die bisherige Anreise problemlos gelaufen. In Foligno mußte man nun einige Stunden warten, ehe die letzte Zugfahrt bis zur Stazione Gaifana begann.

Ankunft an der Stazione di Gaifana nach 24 Stunden Zugfahrt

Um 14.00 Uhr war es dann soweit, die Gruppe konnte am Bahnhof in Gaifana in Empfang genommen werden. Es war geplant, daß das Gepäck der Wölflinge und Jufis im Transit transportiert werden sollte, während alle die zwei Kilometer bis zum Lagerplatz per pedes zurücklegten.

Knapp 20 bis 30 Minuten später trudelte dann einer nach dem anderen auf dem Lagerplatz ein. Falls noch nicht geschehen, wurde von den Leitern als erstes ein Kopfschutz gegen die stechende Sonne verordnet. Danach gab es für jeden Brot, Gemüse, Obst, Joghurt und relativ kühles Wasser. Wahlweise auch Zitronentee.

Nachdem alle einigermaßen Ruhe gefunden hatten, bzw. schon wieder unruhig wurden, machten wir uns daran, die einzelnen Zelte aufzuschlagen. Die Wölflinge hatten ihr Küchen-Überdach auf der unteren Terrasse stehen, während sich die Jufis und Pfadis auf der oberen Ebene rund um die Kücheneinrichtung positionierten. Die Plätze, die dabei die längste Zeit des Tages Schatten boten, waren dabei verständlicherweise die Begehrtesten. Wohl dem, der den Sonnenverlauf einschätzen konnte ! Obwohl der Zeltaufbau schon zigfach einstudiert war, achtete jeweils ein Leiter bei den einzelnen Zeltgruppen darauf, daß auch wirklich alles nach Plan verlief.

Ein bewährtes System! Nach einer guten Stunde waren die Baumaßnahmen ohne größere Schwierigkeiten beendet, sieht man mal davon ab, daß bei einem Zelt der Pfadfinder versäumt worden war, Heringe und Bodenplane beizupacken. Letztlich wurden die Erdstifte bei anderen zusammengeschnorrt und eine Bodenplane kurzerhand aus zwei blauen Mülltüten gebastelt.

Unsere Lagerterrasse bei Franco Lageraufbau

Nachdem alles gerichtet war, hatten die Kinder und Jugendlichen eine erste Möglichkeit, sich in der näheren Umgebung des Platzes und dem Örtchen Colle umzusehen. Während die jüngeren Teilnehmer staunend vor einigen übrig gebliebenen Ruinen des Erdbebens von 1997 standen, waren die Ältern, die ja teilweise schon mehrfach hier in Colle zu Gast waren, überrascht von den vielen bereits durchgeführten Sanierungsmaßnahmen. Auch im Containerdorf von Colle waren diese Veränderungen deutlich zu sehen: nur noch wenige Container standen da; dafür waren viele Holzhäuser neu errichtet worden.

Auf der Piazza von Colle Blick von der Piazza

Gegen Abend fand sich dann eine kleine Gruppe Kochwilliger am Küchenzelt ein, um Instruktionen für das heutige Abendmahl zu erhalten. Es sollte Leberkäse mit Spiegelei, Püree und Bohnensalat geben. Dazu mußte so einiges vorbereitet werden.

Das erste Essen ist fertig Gar nicht so einfach, für so viele Leute gleichzeitig alles fertig zu haben

Nachdem das Küchenmaterial und Privatgeschirr gespült war, begaben wir uns zu einem schönen Aussichtspunkt oberhalb von Colle. Hier, an einem großen weißen Kreuz, ließ es sich schön in einem Olivenhain sitzen und den Sonnenuntergang genießen.

Damit war aber auch schon der erste Tag unseres Aufenthaltes hier in Colle vorbei. Die Zelte waren aufgebaut, die Küche installiert – und an die Hitze hatten sich Pfadis und Jufis inzwischen auch schon einigermaßen gewöhnt.

Wetter: So, wie es sich wohl jeder einen italienischen Sommer vorstellt: super !
Essen: Leberkäse, Ei, Püree und Bohnensalat


Sonntag, 3.8.03, 3. Tag

Bei den vorherrschenden Temperaturen hatten es sich die meisten nicht nehmen lassen, das stickige Zelt gegen das Biwak unter freiem Himmel zu tauschen und so bot sich an diesem Vormittag ein buntes Bild kreuz und quer liegender Schlafsäcke.

Bei diesen Temperaturen schläft man am besten draußen Zum Glück ist Francos Platz schattig

Es ist alte Tradition, daß der Erste, der sich auf den Beinen befindet, den Brenner anwirft und heißes Wasser für Tee oder „Instant-Cappuccino“ bereitet. So auch auf dieser Tour. Während die einen noch auf ihrem Lager saßen, verschwanden andere zur Morgentoilette oder bereiteten das Frühstück für alle anderen vor.

Danach konnte das Lagerprogramm beginnen. Wir hatten bereits bei den Vorplanungen einige Programm-Schwerpunkte festgelegt: die Jufis sollten sich vor allem rund um Colle orientieren (für sie ja völlig neu und unbekannt); die Pfadis konnten auswählen zwischen einem Aufstieg zum Monte Cucco (heute) oder einem Canyoning-Abenteuer (ca 500 m tief abseilen in den Schluchten des Rio Freddu).

Die Jufis machten sich also mit den zurückgebliebenen Pfadis auf, um den Monte Penna, den „Hausberg“ oberhalb von Colle, zu besteigen. Bei fast 800 m Höhenunterschied eine wahrlich schweißtreibende Angelegenheit! Unterwegs wurde unter schattenspendenden Bäumen ein Picknick organisiert.

Die restlichen Pfadis stiegen in den Transit und fuhren über Gualdo Tadino bis Sigillo (490 m), wo die steile Serpentinenstrecke zum Monte Cucco (1586 m) und das Val di Ranco abzweigte. Nachdem ein Höhenunterschied von 710 Höhenmetern bis zum Parkplatz des Monte Cucco überwunden war, parkten wir den Wagen und schnürten die Wanderstiefel.

Die erste Etappe führte uns über die steile Südostflanke des Berges bis zum Eingang in das unterirdische Höhlensystem im Innern des Monte Cucco (1390 m). Dieses Höhlensystem ist die fünftgrößte Höhle der Welt; mit bislang über 26 Kilometern erforschten Gängen; hinab bis inzwischen über 1000 m Tiefe. Und ständig werden neue Gänge und Spalten entdeckt.

1993 und 1996 hatten Gruppen unseres Stammes einen kleinen Teil der Höhle mit Unterstützung einheimischer Führer erkundet; nach einem tödlichen Unfall war inzwischen aber der Eingang durch Gitterstäbe versperrt worden. Oberhalb des Eingangs befand sich ein kleines Felsloch, durch das sich der Weg weiter nach oben schlängelte. Im Schatten dieser kleinen Grotte genossen wir die phänomenale Aussicht über das sich nach Süden hinstreckende umbrische Bergland.

Weg hinauf zum alten Höhleneingang Ein kleiner Felstunnel neben dem alten Höhleneingang

Um uns herum grasten einige Kühe und vereinzelt erschienen andere Wanderer. Michael und Ben bemühten sich noch, das umgestürzte Gipfelkreuz wieder aufzurichten, doch irgendwie bot der Untergrund nicht die optimalen Voraussetzungen, so daß es letztlich ein wenig wackelig dem stetigen Wind trotzte. Nach einer guten Stunde stiegen wir über den Südwesthang zum Verlauf des E1 hinab, dem wir dann wieder bis zum Auto folgten.

Von unseren Herbsttouren war uns das liebliche, einsam gelegene Val di Ranco ein Begriff, in dem unser alter Bekannter Alberto und seine deutsche Frau Uschi eine Albergo betrieben. Als wir vom Bergrücken die wenigen hundert Meter ins Tal hinunter fuhren, wurde uns klar, daß es heute anders sein sollte! Das Tal platzte an diesem heißen Sonntag im Hochsommer fast aus allen Nähten. Wir fanden zum Glück eine Parklücke und setzten uns auf die Terrasse des Restaurants. Alberto hatte alle Hände voll zu tun, doch nachdem wir noch eine Kleinigkeit gegessen und getrunken hatten, hatte er doch noch ein paar Minuten für uns Zeit und so konnten wir noch einige Unklarheiten wegen des geplanten Canyonings beseitigen. Danach ging es wieder zurück nach Colle.

Die Jufis und zurückgebliebenen Pfadis waren inzwischen auch wieder eingetroffen und hatten eine besondere Art der Freizeitgestaltung entdeckt: mit Hilfe von Plastikflaschen und Töpfen, die am Waschhaus und an den Wasserkränen auf dem Lagerplatz ständig aufgefüllt wurden, hatte sich eine lebhafte Wasserschlacht entwickelt. Und die Neuankömmlinge wurden schnell in dieses muntere Treiben einbezogen.

Nachdem wir den Rest des heißen Nachmittags im Schatten unserer Zeltplatzbäume verbracht hatten, stand abends noch ein gemeinschaftliches Essen in der „Cantina della Cupa“, dem Gewölbekeller-Restaurant unseres Gastgebers Franco, auf dem Programm. Wie schon bei früheren Gelegenheiten hatten wir mit Franco vereinbart, daß er uns einen Querschnitt durch die typisch umbrische Küche zubereiten sollte.

Und so gab es nun eine reiche Auswahl traditioneller italienischer Küche zu verkosten. Es seien nur einige Köstlichkeiten, wie auf dem Grill geröstetes Weißbrot mit Olivenöl und Knoblauch (Bruschetta), Spinat-Käse-Röllchen (Bigoli), Polenta, Tagliatelle und kleine grobe Rostbratwürstchen genannt. Während des Essens lud dann noch Massimo, Gabriellas Sohn, die Leiter und die Pfadis zu einem Dorffest ein.......

Die Jüngeren gingen nach dem Essen mit Birgitt und Andree zurück zum Lagerplatz, wo auch sie in dieser Nacht ihre Schlafutensilien unter freien Himmel schafften. Nach ein wenig Gemurmel fielen sie aber bald in einen tiefen Verdauungsschlaf.

Einige Leiter und die Pfadis zogen nun also zielstrebig hinunter zum Container-Lager, um dort bei der Geschichte mitzumischen. Schon von weitem dröhnte ihnen die Musik entgegen. Auf der betonierten Piazza neben der Container-Kirche hatte sich eine Band aufgebaut und schmetterte italienische Volksweisen. Unter den Klängen von „Marina, Marina“ betraten die Deutschen das Bühnengeschehen. Das heißt, zunächst einmal hielt man sich mehr am Rand auf und stärkte sich mit einigen Getränken...

Unsere Damen machten dann den Anfang und zerrten bald die restlichen (männlichen) Teilnehmer auf die Tanzfläche. Und dann ging die Post ab! Fotos wurden zum Glück nicht gemacht; dafür aber etliche Videosequenzen, die wegen des fehlenden Lichtes als 0-Lux-Aufnahme, also in schwarz-weiß, gedreht wurden. Na ja, im Videofilm über die Fahrt sind ja einige dieser Szenen zu sehen...

Alles in allem aber sicher ein gelungener Abend – wenn`s auch etwas länger wurde.

Wetter: wie am Vortag: wolkenlos, heiß, angenehm, kurz: wieder super !
Essen: Bruschetta, Farro, Lenticchie, Pasta, Bigoli, Polenta con funghi, salscicca....


Montag, 4.8.03, 4. Tag

Der Abend auf dem Dorffest schien für einige doch etwas länger geworden zu sein, jedenfalls sprach die körperliche Verfassung der Betroffenen für sich. Um kurz nach 8.00 Uhr waren dann aber doch alle beim Frühstück versammelt. Bei einem Telefongespräch mit unserem Canyoning Guide stellte sich heraus, daß er sich ohne Unterstützung durch einen zweiten Mann außer Stande sah, die Tour am heutigen Tag durchzuführen. Klar, bei neun abzuseilenden Pfadis würde das an jeder Felsstufe ja auch ziemlich lange dauern. So vereinbarten wir einen Ersatztermin am Ende unseres Lageraufenthaltes.

Jetzt hieß es flexibel sein! Daher beschlossen wir umgehend, die Wandertour um einen Tag vorzuverlegen, was für die Pfadis nun allerdings bedeutete, daß sie in den kommenden Stunden aufbrechen sollten. Die Jungpfadfinder indes hatten noch einen Tag Gnadenfrist, bis sie per Transit zu ihrem Ausgangsplatz gefahren werden sollten.

Pfadis und begleitende Leiter verfielen also in geschäftige Unruhe. Zügig wurden die Zelte abgebrochen, Lebensmittel zusammengepackt und die Privatausrüstung verstaut. Um 11.00 Uhr war dann alles so weit erledigt, so daß die Gruppe für die nächsten zwei Tage autonom leben konnte.

Nach einer kurzen Verabschiedung starteten also Sabine, Michael, Ben, Thomas, Dominik, Matthias, Birgitt, Christian, Christoph und Andree. Zunächst ging es von dem auf ca. 520 m liegenden Zeltplatz durch ein schattiges Tal bis zum 869 m hohen Pass (Trivio di Luticchio). Von nun an über den momentan noch sehr spärlich ausgeschilderten „Sentiero Europeo“ (E1). Nachdem wir einen kleinen Hügel überschritten hatten, ging es durch eine Senke und kurz darauf glücklicherweise in einen schönen, schattigen Eichenwald. Mittlerweile liefen wir in einer sengenden Mittagshitze, was weiß Gott kein Spaß war. Wegen der besonderen Umstände waren wir ja erst recht spät los gekommen, in den nächsten Tagen sollte das besser klappen! Trotz Schatten floss der Schweiß in Strömen und nach ein paar hundert Metern legten wir die erste Trinkpause ein.

Mittlerweile befanden wir uns am Nordhang des Pormajore (1133 m), den wir in der Folge auf der Westseite umrunden wollten. Knapp über der Tausender-Höhenlinie sollte dann auch erst einmal für eine längere Mittagsrast Schluss sein. Doch noch war es nicht so weit und wir quälten uns mit den gut und gerne 13-20 kg schweren Rucksäcken über den Hohlweg aufwärts. Irgendwann wurde der Wald lichter und der Weg ebener. Nachdem wir die Westseite des Pormajore erreicht hatten, suchten wir uns ein schönes Plätzchen im Schatten eines Buchenwäldchens.

Dort erleichterten wir unsere Rucksäcke um frisches Brot, Gurken, Tomaten, Paprika, Käse und Thunfisch. Nach dem Essen überkam fast alle in eine wohltuende Müdigkeit und man streckte seine gequälten Glieder im weichen Gras aus, während eine laue Brise aus dem Tal heraufwehte.

Nur Thomas und Matthias fanden keine Ruhe. Sie nutzten die Gelegenheit, ohne Gepäck die gut 100 Höhenmeter bis zum Gipfel zurückzulegen, um unseren Höhenmesser zu eichen. Matthias ließ es sich nicht nehmen, ohne T-Shirt umherzulaufen, um so sein selbst entworfenes ACDC Sonnen-Tattoo zu verstärken.

Um 15.00 Uhr schulterten wir dann wieder unsere Rucksäcke und liefen Richtung Straßenkreuzung am „Passo del Termine“ (865 m). Nun noch ein kurzes Stück über die Straße Richtung Monte Alago und dann ging es wieder hinein in die Macchia, die wir erst wieder kurz vor einer Bar verließen. Hier setzten wir uns zunächst einmal auf die schattige Terrasse der Bar. Da nicht ganz klar war, wo der von Martin empfohlene Lagerplatz sein sollte, erkundete Andree die nähere Umgebung und wurde gut 800 m entfernt fündig.

Nachdem alle ihre Getränke bezahlt hatten und noch einmal die Möglichkeit einer zivilisierten Toilette wahrgenommen wurde, machten wir uns auf, die letzten Meter zu bewältigen. Oberhalb des vorbestimmten Platzes hatten sich bereits Massen von italienischen Pfadfindern eingenistet und eine richtige Verteilerstelle an der Tränke installiert. So wichen wir etwas aus und lagerten 200 m entfernt unter einer schön gewachsenen, einzeln stehenden Eiche.

Nach und nach wuschen wir uns an der Wasserstelle und lagen einfach nur so herum. Gegen 19.00 Uhr erhitzten wir etwas Wasser und bereiteten unsere Fertiggerichte. Bei ein paar kleinen Rätselspielen ließen wir uns noch ein wenig Wein schmecken und schliefen dann unter dem Blätterdach der Eiche ein.

Wetter: heiß, zum wandern zu heiß !
gelaufene Strecke: ca. 8 km
Essen: Fertiggerichte

Die im Lager zurück gebliebenen Jufis waren an diesem Tag aber auch nicht untätig gewesen! Für sie stand eine letzte Trainings-Tour für das morgen beginnende große Trekking-Abenteuer auf dem Programm: von der „Tour 3“ aus dem brandneuen Wanderheft der Hölter Pfadfinder („Wanderungen rund um Colle“) sollte zumindest ein Teil des Weges mit Hilfe der Routenbeschreibung selbständig abgelaufen werden.

Nach einigen Versuchen klappte das auch ganz gut. Am Container-Lebensmittelgeschäft von Boschetto wurde bei kühlen Getränken und Eis eine erste Verschnaufpause eingelegt; kurze Zeit später bot eine Furt durch einen kleinen Bach reichlich Spielmöglichkeiten.

Zum Abendessen gab es heute Tortellini mit einer selbstgemachten Schinken-Erbsen-Sahne-Sauce.


Dienstag, 5.8.03, 5. Tag

Pfadis:

Gegen sechs waren die ersten wieder fit und bereiteten Cappuccinowasser. Um halb acht hatten wir dann gefrühstückt und schulterten unsere Lasten. Noch waren die Temperaturen im angenehmen Bereich und wir liefen leichten Fußes durch lichten Laubwald und über Weiden, bis wir wieder auf eine befestigte Straße stießen, der wir in Serpentinen ins Tal folgten.

Nach ein paar Kurven verließen wir die Straße, den Monte Verguglio vor Augen, und gelangten nun so über einen Hohlweg recht zügig bis hinab in den Talkessel. Auf halber Strecke bot sich an einer kleinen Tränke noch einmal die Gelegenheit, die Wasserflaschen aufzufüllen und kurz zu rasten.

Kurz darauf standen wir mitten in Bagnara (634 m), das einer riesigen Baustelle glich. Hier hatte das Beben vor sechs Jahren heftige Schäden verursacht! Wir hielten uns nicht lange auf und verließen den Ort über die Straße in südliche Richtung.

Was nun folgte, war eine Verknüpfung mehrerer unglücklicher Umstände: Leichtfertigkeit, Faulheit auf die Karte zu schauen und Ablenkung! Verhängnisvoll!! Ein paar hundert Meter hinter dem Ort zelteten ein paar italienische Pfadfinder, auf die unser Augenmerk gerichtet war. Plötzlich rief jemand von hinten, daß dort ein Schild mit den Farben rot-weiß-rot läge und wohl ehemals, nach links den Weg hinauf, die Strecke ausgeschildert hatte. Wir bogen also folgerichtig links ab und quälten uns gut 20 Minuten elendig steil den Weg zum Monte Pennino (1571 m) hinauf. Christoph, der den Weg als einziger schon mal gelaufen war, sagte nichts. Bei einer Pause schaute Andree dann doch mal auf die Karte und es wurde erschreckende Gewißheit, daß wir gut einen Kilometer zu früh links abgebogen waren und es nur zwei Möglichkeiten gab: zurück und voller Schmach an den italienischen Pfadfindern vorbei oder noch ein Stück bergan und dann über eine Baustraße, deren Verlauf nur Vermutung war, da nicht in der Karte verzeichnet.

Wir wählten natürlich die zweite Variante und hatten Glück ! Die Straße war wohl neu für Steinbruch-Lkw´s geschoben worden und führte in die richtige Richtung am Hang entlang. Genau zu der Stelle, an der wir dann wiederum links auf den richtigen Weg einschwenken konnten. Ein wahrlich kraftraubender Abstecher, zumal sich Ben und Birgitt auf dem groben Split noch unsanft auf das Gesäß gesetzt hatten, was blaue Flecken und eine kleine Narbe noch tagelang bezeugen konnten.

Nach kurzer Rast strebten wir weiter mit der Hoffnung, am Treffpunkt mit den Jufis noch den Transit zu erwischen. Der Bauchgurt von Michaels Rucksack benötigte eine Nachjustierung, die wir hier nicht vornehmen konnten. Beim Überqueren einer steilen Wiese, an die Christoph sich auch mal wieder erinnerte, hörten wir auf einmal Rufe hinter uns und sahen einzelne Jufis auf uns zueilen. Am Ende des Anstiegs erwarteten wir sie im Schatten. Es waren Florian und Sarah mit einigen Jufis, die von Martin als erste Gruppe schon im zurückliegenden Bagnara ausgesetzt worden waren.

Auch sie hatten schon nach zwei (!!) Kilometern erste Ausfälle zu melden. Bei einem der Kinder paßten die „Wanderschuhe“ im wahrsten Sinne des Wortes hinten und vorne nicht. Fazit: zwei riesige Blasen jeweils an der Achillessehne links und rechts. Wir versorgten die Stellen mit Compeed® Blasenpflaster und liefen den letzten Kilometer bis zur Bar in Colle Croce (872 m) gemeinsam.

Hier erwarteten uns schon Jan und Massimo mit den restlichen Jufis, die schon ordentlich den Umsatz der Bar steigerten. Da Martin mit dem Transit leider schon wieder weg war, richteten wir Michaels Bauchgurt mittels einem Spannriemen, den Jan zur Verfügung stellte und ruhten uns noch ein wenig aus.

Jufis:

Auch für sie hatte der heutige Tag schon früh mit einem letzten Frühstück auf dem Platz begonnen. Das persönliche Gepäck mußte zusammengepackt werden; es sollte für die nächsten Tage im Transit transportiert werden. Mit „auf Tour“ mußte allerdings das Daypack passend gepackt werden: Wasservorräte, Regenzeug und Tagesverpflegung.

Danach waren die Zelte dran; auch hier erwies sich jetzt das intensive Vorbereitungstraining in Deutschland als sehr nützlich. Gemeinsam wurden dann noch alle Material- und Verpflegungskisten zusammengepackt; ein Teil des Materials würde für die nächsten Tage hier im Anhänger zurück bleiben; der erforderliche Rest mußte ab jetzt immer im Transit mitgeführt werden. Und das waren wahrlich Berge an Ausrüstung! Das Küchenüberdach ließen wir gleich stehen. In zwei Gruppen wurden die Jufis jetzt von Marianne und Martin nach Bagnara bzw. Colle Croce gebracht; dann mußten die beiden erst einmal die Wölflinge ins 25 Km entfernte Assisi bringen. Wieder zurück den Anhänger beladen und wegstellen; den Transit beladen und der Gruppe hinterher fahren (zwischendurch noch in Colfiorito den Tageseinkauf erledigen). Am Ende dieses Tages waren fast 150 Km mehr auf dem Tacho!

Willkommene Rast an der Bar von Colle Croce Durch das Pian von Colle Croce bei über 30 Grad

Die Jufis drängten, da sie noch nicht viel, bzw. gar nicht gelaufen waren zum Aufbruch und wählten die Route durchs flache „Piano di Colle Croce“. Die Pfadfinder indes blieben auf dem original E1-Wegverlauf, der zunächst über einen kleinen Hügel verlief und dann durch die schattigen Laubwälder am Osthang des Mt. d´ Annifo nach Süden führte. An einer schönen Stelle packten wir unsere restlichen Lebensmittel aus; am Abend würde es aus dem Transit Nachschub geben.

Nach einem weiteren Kilometer erreichten wir das Örtchen Annifo (874 m), in dem wir nur zum Trinken am zentralen Brunnen innehielten. Der Wegverlauf war nun etwas kompliziert. Er war zwar gut in unserem Wanderführer (Helmut Dumler, „Wanderungen in Umbrien“, Verlag Bruckmann, Zitate daraus ab jetzt kursiv gesetzt) beschrieben. Das Problem war, das Karte, Führer und die nach dem Erdbeben neuen, hiesigen Markierungen, jeweils verschiedene Routen auswiesen! Wir gingen mit pfadfinderischem Verstand an die Sache heran und erreichten bald die Stelle, an die Christoph sich als ehemaligen Lagerplatz erinnerte. Alles wird gut! Nun ging es durch das ebene Piano di Annifo, in dem die Luft stand und die Sonne uns unbarmherzig zusetzte.

Wir waren froh, als wir die Straße am Feuchtgebiet, dem Palude di Colfiorito erreichten. Dieses Malariabrutgebiet hatten wohl schon die alten Römer versucht trockenzulegen, was aber anhand der ringsum höheren Berge nicht so richtig gelang. Während der Pause an der Straße rückten auch wieder die Jufis von hinten nach, mit denen wir dann zusammen bis nach Colfiorito (760 m) liefen. Im Ort selbst steuerten wir die erste Bar an, in der Kinder, Jugendliche und Leiter den kühlen Getränken zusprachen.

Auch wenn es schwer fiel: wir hatten noch drei bis vier Kilometer vor uns und so ging es mit müden Knochen weiter. Und das nun durch eine geschichtsträchtige Gegend!

„Über den Piano di Colfiorito zog während des Zweiten Punischen Krieges das 40.000-Mann-Heer Hannibals und plünderte die Heimstätten römischer Kolonisten.“

Dieses Zitat stammt aus unserem Reiseführer von Helmut Dumler ("Wanderungen in Umbrien"; Verlag Bruckmann; Zitate daraus ab jetzt in kursiv gesetzt). Aber Dumler hatte auch für die heutigen Trekking-Leute einige wichtige Informationen parat:

„GEA (= Grande Escursione Appenninica) Wanderer streben ihrem längsten Marsch entgegen: zwei Tage ohne Bett, ohne Lebensmittelnachschub, lediglich nach 7 Stunden eine Trattoria; Viehtränken sind die einzigen Wasserstellen. Schatten ist ein oftmals ersehnter Komfort. Nagelprobe für Zivilisationsverwöhnte! Abgesehen von der Mühsal wird die größtenteils menschenleere Strecke bis Castelluccio zum nachhaltigen Erlebnis. Starkes Empfinden und sinnliches Spüren von Stille!“

Oh, Mann! Das stand uns nun also in den nächsten Tagen bevor! Na ja, Betten hatten wir ja auch sonst nicht; der Transit würde (hoffentlich) pünktlich abends Verpflegungsnachschub heranschaffen (und gleichzeitig „rollende Trattoria“ sein). Wichtig würden unterwegs die Wasserstellen werden: wie würde es jetzt im Hochsommer mit ihnen aussehen? Eventuell ausgetrocknet?

Vorbei ging es nun an der Basilica di Plestia (760 m). Diese ursprünglich romanische Stelle aus dem 10. Jahrhundert steht an der Stelle eines vorgeschichtlichen Tempels für die umbrische Göttin cupra dea. Diese Strecke war nicht wirklich toll, da sie an der Straße entlang lief, aber bald erreichten wir den Ort Taverne (758 m und dann ging es noch einmal 2 km den Berg hinauf bis nach Dignano (885 m), wo wir dann das sonore Brummen unseres Transit hinter uns vernahmen. Martin und Marianne wiesen uns oberhalb des Ortes auf einer Wiese ein und wir warteten auf die Jufis, die ein paar Minuten später am Endpunkt eintrudelten. An der benachbarten Wasserstelle bot sich erst einmal die Gelegenheit, den Schweiß und die Sonnenmilch hinunterzuwaschen.

Danach wurden die Zelte auf der Wiese vor der Höhe 1052 aufgebaut und wir bereiteten das Abendessen zu. Erstmals wurde jetzt in vier Kleingruppen zu je sechs Personen gekocht (also auch mit voller Verantwortung der Köche für das „Kochresultat“); Jede Gruppe hatte dafür einen kleinen Gaskartuschenbrenner sowie ein Topfset zur Verfügung (gut markiert, damit beim Spülen niemand schummeln konnte).

Vor dem Essen liefen noch ein paar Unermüdliche hinauf auf die Höhe, um sich den Sonnenuntergang anzuschauen. Obwohl es bedingt durch das nahe Wasser reichlich Mücken gab, ließen es sich die unbelehrbaren Jufis gegen den wohlgemeinten Rat der Leiter nicht nehmen, unter freiem Himmel zu schlafen. Später gab es keiner zu, doch die Mückenstiche konnte man noch Tage später ausmachen.

Wetter: wieder einmal sehr heiß; pralle Sonne den ganzen Tag über
gelaufene Strecke: Pfadis 23 km !! (+ 3 km und etliche Höhenmeter beim Abstecher)
Jufis jeweils 12 bzw. 15 Kilometer
Essen: Linsensuppe mit Speck und Würstchen

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