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           Samstag, 13.10., 8. Tag 
           
          Wieder ein herrlicher Morgenanfang – obwohl doch anders als sonst! Die 
          Sonne kommt recht rotgefärbt über einer kleinen Landzunge im Westen 
          hoch; das deutet auf eine etwas anders geartete Wettersituation. 
           
          Und passend dazu quellen im Westen auch einige dicke Wolken über die 
          Bergkämme, kommen aber zur Zeit zum Glück noch nicht näher. Was soll`s 
          ? Wir müssen das Wetter ja so wie so hinnehmen, wie es kommt. Die Nacht 
          jedenfalls war ruhig und ohne besondere Vorkommnisse. 
           
          Wir nehmen – entweder im Innenzelt sitzend und nach draußen schauend, 
          oder bequem mit hochgestelltem Rückenteil auf einer Strandliege sitzend 
          – die ersten beiden dampfenden Kaffeebecher zu uns; argwöhnisch die 
          Wolkenwand im Blick, die aber nicht näher kommt. 
           
          Danach machen wir uns mal wieder auf zum morgendlichen Bad; in altbewährter 
          Aufteilung: 2 Nudisten und zwei Konservative. Das Bad im Meer ist auch 
          heute ein Genuß; diesmal trauen wir uns tiefer in die Höhlen hinein. 
          Unterhalb der Wasseroberfläche weichen die Felsen zurück und werden 
          von der Morgensonne wie mit Unterwasserstrahlern ausgeleuchtet. Und 
          siehe da: am Ende der Höhle ist ein kleiner Durchbruch, durch den wir 
          in eine Nachbarhöhle schwimmen können. Ein merkwürdiges Gefühl – in 
          den schwappenden Wellen herumzuschwimmen und sich von der Strömung durch 
          die Felsentore treiben zu lassen. Einhellige Meinung: im Gran Dorado 
          ist es nicht besser! 
           
          Nun, im Gegensatz zum Gran Dorado ist das hier alles echt und im Prinzip 
          umsonst; unseren „Eintritt“ werden wir gleich oben in der Taverne in 
          Form eines Frühstücks entrichten. Und mit diesen Aussichten geht das 
          Abbauen heute ziemlich schnell vonstatten! Der Hunger treibt halt! 
           
          Ein kleines Problem tut sich zwischenzeitlich noch auf: als wir vom 
          Bad zurückkommen, werden wir von einer Unzahl von winzigkleinen Mücken 
          umschwirrt. Diese sind urplötzlich mit einer merkwürdigen Windstille 
          gekommen. Zuvor war es doch zwischendurch schon mal so windig, dass 
          wir Sorge um unser Salewa hatten – kein Wunder, es ist ja nirgends abgespannt 
          und wird nur durch das Gewicht der innenliegenden Rucksäcke an Ort und 
          Stelle gehalten. 
           
           
              
              
             
          
           
           
          Oben hat man schon geöffnet – hmmm, uns läuft das Wasser im Mund zusammen 
          bei dem Gedanken an schöne Omeletts und griechischen Salat. Und ein 
          Mythos wird wohl auch schon schmecken. Marianne und Martin schultern 
          schon mal die Rucksäcke und ziehen hoch; die Jungen sind heute etwas 
          langsamer und kommen nach. 
           
          Und dann geht`s los! Wir starten mit einem deftigen Omelett; mit viel 
          Schinken und Käse überbacken; dazu natürlich Brot. Danach gönnen wir 
          uns alle noch einen ebenso umfangreichen griechischen Salat; verfeinert 
          durch Unmengen Olivenöl, dass wir zusätzlich drübergießen und mit Brotstücken 
          aufsaugen. An diese Sitte haben wir uns inzwischen richtig gewöhnt. 
           
          Während des Frühstücks setzt dann plötzlich starker Wind ein. Wir haben 
          Mühe, das Tischtuch und unsere Teller und Gläser festzuhalten! Aus der 
          Bar dazu griechische Musik – über uns spannt sich nach wie vor ein makelloser 
          blauer Himmel – einfach ein herrlicher Tagesbeginn!! 
           
          Gegen elf Uhr tröpfeln dann aber allmählich die ersten Badetouristen 
          ein; Zeit für uns, uns auf die Socken zu machen! Schnell werden noch 
          ausgiebige Wasservorräte gefasst, dann verabschieden wir uns von den 
          freundlichen Typen hinter der Bar und machen uns an die heutige Etappe: 
          Schlucht 3, die berüchtigte Aradhena-Schlucht, von der die Reiseführer 
          teilweise wegen der schwierigen Klettereien warnen. Aber inzwischen 
          sind wir ja schon „alte Schlucht-Hasen“! Der Einstieg in die Schlucht 
          ist leicht; ein breiter Kiesweg führt hinein. Die Felswände rücken aber 
          schnell auf beiden Seiten näher; es wird bald enger als wir es von den 
          anderen Schluchten gewohnt sind. Wir fotografieren viel, haben aber 
          Probleme mit dem Gegenlicht und den harten Kontrasten. Es geht auch 
          nur noch mit Hochkantformaten – aber selbst so werden die Fotos der 
          Wirklichkeit nicht gerecht! So tasten wir uns Stück für Stück weiter 
          in die immer enger werdende Schlucht hinein. Den letzten Schattenbereich 
          nutzen wir noch für eine kleine Trinkpause. Danach geraten wir in die 
          pralle Mittagssonne. 
           
          „Von der schön gelegenen Marmara-Badebucht geht es direkt im Kiesbett 
          des Baches in die Schlucht hinein. Gleich zu Beginn bauen sich zu beiden 
          Seiten bis zu 200 Meter hohe senkrechte, rötlich gefärbte Felswände 
          auf. Diese Schlucht ist im unteren Teil wie ein Canyon gebaut, mit ebenem 
          Talboden und absolut senkrechten Wänden. 
           
          Der sehr schattige erste Abschnitt verleitet auch an sehr heißen Tagen 
          zu einer Begehung. Der ebene Talgrund steigt nach einer halben Stunde 
          immer mehr an, Felsblöcke versperren den Weg und zwingen immer wieder 
          zu kleinen Kletterpartien; wo es unübersichtlich wird, weisen Steinmännchen 
          den Weg. Nach 45 Minuten ab Schluchtbeginn finden wir unter einem großen 
          Felsblock eine Quelle, die fast das ganze Jahr über Wasser hat. Nach 
          weiteren 15 Minuten weitet sich die Schlucht, und über den grünbewachsenen 
          Hang auf der rechten Talseite führt ein schmaler Steig in 2o Minuten 
          zum schön gelegenen Dorf Livaniana hinauf.“ 
           
          
              
             
          
           
           
          Und genau so ist es! Nicht in der Beschreibung enthalten ist allerdings 
          der Hinweis, dass Wanderer mit vollem Marschgepäck ziemlich schnell 
          ins Schwitzen kommen; spätestens, nachdem sie den Talboden verlassen 
          und in der vollen Sonneneinstrahlung bergauf kraxeln müssen. Erfreulich 
          allerdings ist die Tatsache, dass die Schluchtbeschreibungen in den 
          diversen Reiseführern wohl die meisten Touristen eher abschrecken. Nur 
          zwei sind in unserer Laufrichtung (also bergauf) unterwegs; so an die 
          zwanzig weitere kommen uns im Laufe der gesamten Wanderung von oben 
          entgegen. Eine dieser Kleingruppen beobachten wir interessiert: die 
          haben teilweise den Weg völlig verfehlt und müssen sich jetzt durch 
          dichtestes Gestrüpp durchschlagen. Aber auch auf uns wartet nun die 
          „Herausforderung des Tages“. 
           
          Wir nähern uns nun der Stelle, auf die wir schon lange gewartet haben, 
          und die uns schon bei den Vorplanungen Kopfzerbrechen bereitet hat. 
          Die Aussagen in den Reiseführern dazu sind teilweise widersprüchlich: 
          in einer älteren Ausgabe von unserem Bruckmann-Führer heißt es: 
           
          „Es gilt einen 12 m hohen Felsklotz zu überwinden. Ein entsprechend 
          langes Seil als Sicherung ist mitzuführen.“ 
           
          In unserer Ausgabe lesen wir: 
           
          „Nach 1 Stunde 45 Minuten erreichen wir die bislang schwierigste 
          Stelle dieser Wanderung. Ein Felssturz hat mit gewaltigen Blöcken die 
          Schlucht versperrt. Ein ca. 12 Meter hoher, blank geschliffener und 
          senkrechter Felsblock musste früher mit Hilfe einer befestigten Eisenkette 
          und mehreren alten Seilen überklettert werden. Über zwei stabile Eisenleitern 
          wird dieser Felsabbruch heutzutage überwunden; nur schwindelfrei sollte 
          man dabei sein.“ 
           
          Dies alles reizt unsere Jungen natürlich sehr! Und so ist ihr Tempo 
          kurz vor Erreichen der Stelle etwas schneller als von uns Alten; als 
          wir die Stelle erreichen, sind sie bereits auf der Eisenleiter (der 
          Weg dahin war durch quergelegte Baumstämme deutlich versperrt worden) 
          und sind auf der gerade beschriebenen Route. 
           
          Marianne und Martin folgen der neu markierten Route: vor nicht allzu 
          langer Zeit in die Felswand geschlagen und durch ein Holzgeländer gesichert 
          (wenn man genau hinschaut, kann man diesen „Geländer-Weg“ auf dem vorletzten 
          Bild im hellen Felsgestein erkennen). Diese neue Strecke bietet neben 
          der Sicherheit auch einen etwas bequemeren Aufstieg, da der Weg mit 
          festen Felsstufen angelegt ist. Diesen Komfort haben die beiden Jungen 
          nun allerdings nach der leichten Erklimmung der Eisenleitern nicht mehr! 
          Sie müssen sich am Rand eines riesigen, steilen Geröllhanges mühsam 
          hochkämpfen; oben haben sie dann das Problem, wie sie von der rechten 
          zur mittleren Talstelle über das brüchige Gestein hinüberwechseln sollen. 
           
          Insgesamt gesehen vielleicht recht erlebnisreich, auf keinen Fall aber 
          zur Nachahmung empfohlen. Das geben die Jungen später auch zu, als sich 
          unsere Wege bald darauf wieder oberhalb des Geröllfeldes treffen. Hier 
          ist die Sperrung des alten Weges sogar noch durch zusätzliche rote Markierungen 
          deutlich gemacht. 
           
          Vor uns liegt nun ein weiteres anstrengendes Wegstück. Einen ersten 
          Blick darauf konnten wir ja schon vor einigen Tagen bei der Überquerung 
          der Eisenbrücke werfen: 
           
          „Nach weiteren 20 Minuten sehen wir hoch über uns eine neu erbaute 
          Eisenbrücke der Verbindungsstraße Anopolis – Aradhena. Und kurz darauf 
          führt in vielen Serpentinen der alte Weg von der rechten Talseite herab, 
          quert die Schlucht und zieht sich in ebenso vielen Kehren links hinauf 
          in das alte Dorf Aradhena.“ Die Reste der ehemaligen großen Stadt Aradhena, 
          die auf einer schönen freien Geländeterrasse (600 m hoch) liegen, zeigen 
          nur noch wenig von den gewaltigen Ausdehnungen des früher dicht besiedelten 
          Gebietes. Die minoische Stadt Aradhena hatte mehr als 30.000 (!) Einwohner 
          und war bis in die römische Zeit hinein bewohnt.“ 
           
          Wir laufen jetzt weiter den relativ ebenen Weg auf dem Schluchtboden 
          entlang und warten auf den Anblick der Brücke, diesmal von unten. Als 
          wir sie endlich nach einer Wegbiegung vor uns haben (besser gesagt: 
          über uns), stellen wir ziemlich schnell fest, dass die Entfernungen 
          in einer engen Schlucht doch sehr täuschen können! 
           
          Was wie ein kurzes Stück aussah, entpuppt sich dann doch noch als gehöriges 
          Wegstück! Schuld daran sind auch die vielen Felsen, um die herum sich 
          unser Wanderweg immer wieder schlängelt. Ab und zu dröhnt es von oben, 
          wenn ein Auto die Brücke überfährt. 
           
          Dann tauchen wir kurz in den Brückenschatten ein und müssen nun nochmals 
          ein längeres Stück weiterlaufen, ehe wir die beiden Serpentinenwege 
          erkennen können. Und hier müssen wir nun eine wichtige Entscheidung 
          treffen: wollen wir links aufsteigen und einen Umweg (ca. 1 Kilometer) 
          über den Kiosk an der Brücke machen (ein kaltes Mythos käme uns nach 
          dieser Wanderung doch sehr gelegen) oder lieber den rechten Aufstieg 
          wählen, der uns direkt zur Straße nach Anopolis bringt? 
           
          „Zwanzig vor vier, also fast viereinhalb Stunden nach dem Start haben 
          wir das Schluchtende erreicht; dummerweise noch nicht die Straße, denn 
          jetzt müssen wir noch die Serpentinen rauf. Es war also wirklich eine 
          anstrengende Schlucht; über Blockfelder geturnt; immer wieder bergauf, 
          immer wieder die Hitze. Unser Trinkwasser ist zu Ende, der Wein sowieso 
          schon.“ 
           
          Die beiden folgenden Bilder zeigen recht deutlich, was für einen Weg 
          wir noch vom Schluchtboden hinaufklettern mussten. Später erzählt uns 
          Andreas, dass er aus Aradhena gebürtig ist und diesen Weg, von Hora 
          Sfakion über Anopolis kommend, sehr oft mit seinem Pferd (als Lasttier) 
          gemacht hat: die Serpentinen runter und auf der anderen Seite gleich 
          wieder rauf; und das Tag für Tag. Damals gab es die Eisenbrücke noch 
          nicht, und der Serpentinenweg war die einzige Verbindung. 
           
          Wir grübeln auch darüber nach, wie wohl früher die 30.000 Bewohner über 
          diese einzige Verbindung versorgt wurden. Wir verzichten lieber auf 
          ein kühles Bier und wählen den direkten Aufstieg rechts. 
           
          Wir hoffen natürlich wieder auf eine Mitfahrgelegenheit oben auf der 
          Teerstraße nach Anopolis. Mit diesem beflügelnden Gedanken machen wir 
          uns an den schweißtreibenden Aufstieg; der wird auch nicht viel gemildert 
          durch den schönen Rückblick auf Schlucht und Brücke. Das diesige Gegenlicht 
          verhindert leider klare Fotos. 
           
          Auf der Teerstraße haben wir kein Glück – wir müssen also bis Anopolis 
          durchlaufen. Das macht uns aber nach den bisherigen Anstrengungen nicht 
          mehr viel aus; Hauptsache, keine Blockfelder mehr! Kurz vor Anopolis 
          hören wir das Hupen des Linienbusses und sehen ihn gerade noch rückwärts 
          einparken. Wir fragen den Fahrer natürlich gleich, wann er morgen, am 
          Sonntag, runter nach Hora Sfakion fahren wird. Seine Antwort: 6 Uhr 
          morgens – einziger Bus ab Anopolis! Na, das ist uns aber nun wirklich 
          zu früh! Wir wollen ja heute Abend ein Hotel oder eine Pension nehmen 
          und am Sonntag nicht schon um fünf Uhr in der Frühe das Zimmer räumen! 
           
          Während wir weiter bis zum Ortskern laufen, beraten wir, was zu tun 
          ist. Es gäbe die Möglichkeit, ein Taxi zu bestellen, was aber vermutlich 
          ziemlich teuer ist. Zweite Möglichkeit: nochmals die Anopolis-Schlucht 
          hinuntersteigen – dazu hat aber auch niemand so richtig Lust. Bleibt 
          als dritte Alternative die Serpentinen-Teerstraße hinunter nach Hora 
          Sfakion – immer mit dem Hintergedanken, dass uns ein Wagen als Anhalter 
          mitnimmt. Dafür entscheiden wir uns dann kurzer Diskussion. 
           
          An der Piazza machen wir natürlich Station in „unserem“ Kafenion; die 
          Wirtin selbst ist nicht da, das erspart uns Erklärungen, warum wir heute 
          Abend noch weiterlaufen wollen. Wir haben uns nämlich dazu entschieden, 
          bis zum Ortsende weiterzugehen und dort im uns ja schon von den Rückfragen 
          zum Einstieg in die Anopolis-Schlucht bekannten Hotel-Restaurant zu 
          übernachten und auch zu speisen. Unterwegs machen wir noch kurz Pause 
          an einer Bäckerei; wer weiß, ob wir morgen Brot kaufen können, und erstehen 
          ein normales Brot und ein Honigbrot, von dem wir vorher eine Kostprobe 
          nehmen dürfen. Schnurstracks geht es dann weiter zum besagten Hotel; 
          hier empfängt uns diesmal nicht die nette Chefin, sondern der Hausherr 
          persönlich. Mit der Unterkunft gibt es kein Problem: zwei Doppelzimmer; 
          jeweils für 5.000 Drachmen – das ist o.K. – diesen Preis hatten wir 
          uns auch als Limit gesetzt. Die Zimmer erreicht man über eine Außentreppe 
          hinauf zum 2. Stockwerk. 
           
          Die Räume selbst allerdings sind eine mittlere Katastrophe – noch nicht 
          so richtig fertiggebaut; nackter Betonfußboden ohne Bodenbelag; auch 
          keine Toilette oder gar Dusche auf den Zimmern. Diese liegen am Ende 
          des Flurs und sind in noch schlechterem Zustand – aber man gewöhnt sich 
          ja schließlich an alles... 
           
          Als wir schließlich unsere Verandatür aufbekommen haben, liegt draußen 
          eine halbfertige Terrasse; laut eingekratzter Inschrift im Betonboden 
          im Jahr 1989 hergestellt – seitdem ist die Zeit hier aber stehen geblieben. 
          Das fehlende Schutzgeländer stört uns auch nicht weiter; wir holen uns 
          unten im Restaurant kühle Getränke, sogar mit Gläsern(!) und lassen 
          uns auf dem Beton der Terrasse nieder; mit dem Rücken an unsere Zimmerwand 
          gelehnt. Und der Anblick der langsam über den Bergen dem Horizont entgegenstrebenden 
          Sonne entschädigt uns für das karge Umfeld. Müde ziehen wir die Wanderstiefel 
          aus und dann noch die Socken – es ist schön, die Beine einfach auszustrecken 
          und die abendliche Ruhe zu genießen. Die Jungen gehen vorab schon mal 
          in die Dusche, haben mit heißem Wasser aber nicht viel Glück. Egal, 
          für den Staub und den Schweiß des Tages reicht uns auch lauwarmes Wasser! 
          Flobö kann den Sonnenuntergang direkt beim Duschen aus dem kleinen Fensterchen 
          beobachten. 
           
          Was uns als nächstes auffällt, ist die Abwesenheit von elektrischem 
          Strom. So bereiten wir unser Lager bei einbrechender Dämmerung schon 
          mal vor und duschen dann auch noch schnell, ehe es in den Duschräumen 
          ganz dunkel ist. Wir müssen unten nachher mal fragen, ob vielleicht 
          irgendwo die Sicherungen abgeschaltet sind. 
           
          Als wir uns gerade fertig machen zum Besuch im Restaurant, gehen schlagartig 
          alle Lichter an; exakt parallel zu den Straßenlampen draußen. Wir kommen 
          dadurch auf die Theorie, dass hier die Häuser erst Strom mit dem Einschalten 
          der Straßenlampen bekommen – vielleicht sparen sich die Leute aber auch 
          tagsüber den Strom, wer weiß? Unsere Theorie wird schlagartig über den 
          Haufen geworfen, als plötzlich sämtliche Lampen wieder erlöschen. An 
          diesem Spiel wollen wir uns aber nicht beteiligen und so schnappen wir 
          unsere Maglites oder Stirnlampen und machen uns so gerüstet auf den 
          Weg nach unten über die Außentreppe. Und unten sitzen unsere Wirtsleute 
          schon mit ein paar Bekannten - lauschig um eine Petroleumlampe auf dem 
          Tisch versammelt – und von ihnen erfahren wir, dass die gesamte Südküste 
          mal wieder Stromausfall hat. Schuld daran ist der starke „Meltemi“, 
          der warme Wind aus dem Gebirge. Den haben wir ja heute im Laufe des 
          Tages schon öfter gespürt; der Wirt erklärt uns weiter, dass einige 
          Strommasten im Gebirge wohl gebrochen seien – man würde aber fieberhaft 
          daran arbeiten. 
           
          Dies ist nun allerdings eine schlechte Nachricht! Denn ohne Strom kein 
          warmes Essen! Während Marianne die beiden Jungen ruhig hält, die schon 
          mal vorab einen kalten Salat bestellen möchten (aber wie soll der in 
          einer stockdunklen Küche zubereitet werden), flammt das Licht schon 
          wieder auf. Mühsam halten wir die beiden Jungen nun noch zehn Minuten 
          zurück; als dann aber der Strom immer noch da ist, stürmen sie los, 
          um sich nach möglichen Gerichten zu erkundigen. Das ist eine Uraufführung: 
          erstmals bestellen die beiden Jungen – das ist nun wirklich ein deutliches 
          Zeichen auf ihren großen Hunger. Das letzte haben wir praktisch aber 
          auch heute Morgen an der Marmara-Bucht gegessen. 
           
          Sie kommen zurück und geben eine Kurzbericht über die Speisekarte: Souflaki, 
          also so eine Art Fleischspieß, mit Bratkartoffeln steht zur Wahl oder 
          etwas, was sie nicht verstanden haben. Dazu natürlich ein Salatteller. 
          Also ordern wir vier Portionen Souflaki samt Beilagen. 
           
          Nach kurzer Zeit starten wir mit dem Salat; diesmal etwas anders zubereitet: 
          viel Weißkohl ist dabei, was uns aber nicht so ganz zusagt. Dafür ist 
          das Brot hervorragend: schön weich und frisch mit krosser Kruste; dazu 
          in großen Mengen. Und das in das gewürzte Olivenöl eingetaucht – eine 
          Delikatesse! 
           
          Danach kommen auch schon die Souflaki-Teller, für jeden so an die vier 
          Spieße mit kleinen Schweinefleisch(?)stückchen; recht wohlschmeckend 
          und auch zart; dazu die schon bekannten, grobgeschnittenen Bratkartoffeln, 
          in Olivenöl angebraten. Mein Gott, was haben wir hier auf Kreta schon 
          an Olivenöl zu uns genommen – das muß ja schon bald in Litern gemessen 
          werden (Exkurs: während ich heute, am 28.8.02 diese Zeilen schreibe, 
          läuft mir dabei schon wieder das Wasser im Munde zusammen – zum Mittagessen 
          werde ich mal selbst einen griechischen Salat fertig machen!) 
           
          Dazu gibt es natürlich Hauswein; hier wird in Karaffen ausgeschenkt; 
          merkwürdigerweise aber nicht mit Litermaßen gekennzeichnet, sondern 
          in Kilogramm! So bestellen wir im Laufe des Abends 4(!) Kilogramm wohlschmeckenden 
          Rotwein. Das reicht für eine erholsame Nachtruhe! 
           
           
          Sonntag, 14.10., 9. Tag 
           
          Erst gegen acht wälzen wir uns ausgeschlafen aus den Federn (aus den 
          Schlafsäcken, die wir benutzt haben) und lassen den Morgen ruhig angehen. 
          Nach den ersten beiden Kaffees wird draußen auf der Terrasse gefrühstückt; 
          wir haben ja genügend Brotvorräte, dazu gibt es einen Thunfisch und 
          zwei Streichwürstchen; als Nachtisch noch das Honigbrot und danach sind 
          alle gesättigt. Zwischenzeitlich sind wir auch in näheren Kontakt mit 
          unseren Zimmernachbarn gekommen. Es ist ein englisches Paar, das auf 
          Wandertour mitten durch die weißen Berge unterwegs ist. 
           
          Martin führt noch eine Notoperation am Gasbrenner durch – diese Idee 
          ist ihm während der Nacht gekommen. Mit der Spitze einer Sicherheitsnadel 
          versucht er die Brennerdüse zu reinigen – und er hat leidlichen Erfolg! 
          Die Flamme zischt jetzt wesentlich stärker heraus. Auf diesen Erfolg 
          gibt es noch einen nunmehr wesentlich schneller zubereiteten dritten 
          Kaffee; dann packen wir alles zusammen; nehmen unten noch einen ersten 
          Wein zu uns (samt kiloweiser Auffüllung der Trinkflaschen) und begleichen 
          dann unsere Rechnung. Wenn man bedenkt, dass die Übernachtung je Person 
          weniger als 15 DM gekostet hat, können wir wirklich nicht klagen! Auch 
          die Preise für Essen und Getränke sind erfreulich gering. Beim Verlassen 
          des Hotels haben wir noch einmal einen schönen Blick zurück auf die 
          weißen Berge. Und dann sind wir wieder auf der Straße unterwegs! 
           
          Es lässt sich gut auf der Straße bergab laufen; das Wetter ist wie gewohnt 
          hervorragend. Nach kurzer Zeit kommen wir an dem Abzweig vorbei, der 
          in etwa einet Stunde hinunter nach Loutro führen soll. Na ja, das ist 
          vielleicht mal eine Strecke für eine andere Tour. Denn das steht jetzt 
          fest: wiederkommen wollen wir! 
           
          Gut gelaunt geht es also immer weiter die Straße entlang; wir schätzen 
          die Zeit, die wir vielleicht bis Hora Sfakion brauchen werden – heute 
          wollen wir ab dort auf jeden Fall noch ins nächste Zielgebiet nach Frangokastello 
          wechseln; auch dort warten noch Schluchten auf uns! 
           
          So lassen wir auch die ersten Pickups an uns vorbeifahren, ohne den 
          Daumen zu heben. Zu schön ist die Aussicht hinunter über die Gebirgskante 
          auf das glitzernde Meer. Am Horizont kann man zwei größere Inseln ausmachen; 
          dort muß es noch einsamer sein. 
           
          Wir umrunden eine größere Bergnase und haben von dort aus erstmals eine 
          gute Aussicht hinüber nach Hora Sfakion. Oh je, das sind doch noch einige 
          Kilometer zu laufen. So nutzen wir gerne die Möglichkeit zu einer Pause, 
          als sich völlig überraschend ein weiter Blick hinunter auf unsere Sweetwater 
          Bay öffnet. Wir müssen uns momentan ungefähr oberhalb der Felskante 
          der Bucht befinden. Wir erkennen den weißen Kiesstrand und auch den 
          Fähranleger mit der Bar. Weiter nach rechts ist auch ziemlich deutlich 
          der E4 zu erkennen und die Halbinsel mit dem kleinen Kirchlein Agios 
          Stavros. Wie lange ist das jetzt her – zwei, drei Tage? Schön, das alles 
          mal aus dieser Perspektive zu sehen! 
           
          
              
              
             
          
           
           
          Gleich werden die kleinen Schiffe aus Loutro und Hora Sfakion wieder 
          Sonnenhungrige dort unten absetzen; und unsere beiden Alten werden wieder 
          ihrem Müßiggang nachgehen! Wir gehen jetzt auch wieder; zunehmend aber 
          mit schleppenderem Gang. Arg drückt der Rucksack und noch ärger setzt 
          uns die Sonne nun zu! 
           
          Schatten ist nirgendwo zu finden. Stattdessen haben wir nun einen Ausblick 
          auf sämtliche noch vor uns liegende Serpentinen in all ihrer Pracht! 
           
          Gut, diese weite Aussicht ist schon schön! Ganz weit hinten im Dunst 
          können wir sogar schon die Halbinsel von Frangokastello erahnen – besonders 
          Flobö ist darauf gespannt, weil er den Anblick der dortigen Burg von 
          seinem Bildband kennt. 
           
          Noch schöner wäre jetzt vielleicht aber doch eine Mitfahrgelegenheit! 
          Einmal versuchen wir, eine Serpentine abzukürzen; das spart zwar einige 
          Meter, ist aber durch die Kletterei über die Felsen insgesamt nicht 
          leichter. Da bleiben wir doch lieber geduldig auf der Straße. 
           
          Leider ist um diese Tageszeit anscheinend der Verkehr von oben her zum 
          Erliegen gekommen; lediglich von unten sehen wir auf der Straße ab und 
          zu mal ein Auto hochkommen. Und daran, wie lange es dauert, bis uns 
          ein solcher Wagen dann erreicht, können wir dunkel erahnen, wie lange 
          die Wegstrecke noch ist! An einer Leitplanke machen Marianne und Martin 
          dann mal kurz Rast; die beiden Jungen wollen das in der prallen Sonne 
          nicht und laufen schon mal weiter. M&M sitzen also auf der Leitplanke 
          in der wärmenden Sonne und genießen einen Becher Wein. Da tritt das 
          Sonntagsglück in Form eines von oben kommenden Motorengeräusches in 
          ihr Leben! 
           
          Als der Pickup um die letzte Kurve kommt, stehen die beiden schon mit 
          geschulterten Rucksäcken und hochgerecktem Daumen bereit! Und der Wagen 
          hält! Der Fahrer ist bereit, sie mitzunehmen; zuerst aber macht sich 
          der auf der Ladefläche sitzende Köter davon und muß mühsam eingefangen 
          werden. 
           
           
          Martin hält ihn dann auf der Fahrt nach unten fest an seinem Halsband. 
          Fröhlich winkend geht es bald darauf an den Jungen vorbei. Die haben 
          inzwischen bereits ein gehöriges Stück geschafft und werden nun wohl 
          auch auf ein nächstes Fahrzeug hoffen. Der Treffpunkt ist auch ohne 
          Verabredung klar: die Tische vor dem Supermarkt von Andreas, „unserem 
          Mann“ in Hora Sfakion.  
          Beim Hinunterfahren wird uns erst bewusst, wie lang die Strecke tatsächlich 
          ist. Um zwanzig vor zwölf sind wir oben losgefahren; also zwei Stunden 
          wird man wohl von dort oben zu Fuß brauchen. Wir sitzen nach einem kurzen 
          Fußweg von der Tankstelle, wo uns unser freundlicher Fahrer abgeladen 
          hat, nun bei einem Mythos vor Andreas Geschäft und sehen die kleinen, 
          glitzernden Punkte einzelner Wagen auf der Serpentinenstrecke hoch oben 
          in Richtung Anopolis. Und irgendwo dazwischen müssen auch noch zwei 
          kleine, grüne Pünktchen laufen! 
           
          „Und jetzt, während ich das gerade auf Band gesprochen habe, trifft 
          mich fast der Schlag! Als ich sage, da oben müssen zwei kleine grüne 
          Punkte laufen, da kommen diese beiden kleinen Punkte hier an, frisch 
          wie immer – die sind mit Sicherheit auch getrampt! Also sie sind schweißnaß; 
          die Schweißperlen stehen ihnen schon auf der Stirn – sie sind eben nicht 
          getrampt, wie sie sagen, sondern voll durchgelaufen; in 17 Minuten vom 
          Buchteingang, vom E4-Abzweig, bis hierhin. 13:48 Uhr sind wir also wieder 
          vereint.“ 
           
          Inzwischen haben wir von Andreas auch schon die notwendigen Informationen, 
          wie es weitergehen kann: um Viertel vor vier geht ein Bus, direkt von 
          Hora Sfakion bis Frangokastello; die Tickets dafür können wir schon 
          nebenan im Verkehrsverein kaufen. Die für uns passenden Busse nach Chania, 
          mit Umsteigen in Vrisses nach Heraklion, fahren jeweils ab 11 Uhr. Das 
          ist für die Rückfahrt in einigen Tagen wichtig. 
           
          Wir haben jetzt also noch etwas Zeit und kaufen schon mal für den Abend 
          ein. Für die geplante Linsensuppe besorgen wir einige Zwiebeln; das 
          kleine Stück Bauchspeck soll umgerechnet 6 Mark kosten – da verzichten 
          wir doch gerne! Stattdessen werden wir uns dazu ein Stück der noch im 
          Gepäck befindlichen Sommerwurst klein schneiden. Flobö besorgt uns dann 
          die Tickets, und nach der Verabschiedung von Andreas geht es mit dem 
          pünktlich eingetroffenen Bus los. 
           
          Wir sind die einzigen Fahrgäste im Bus; im Führerhaus gibt es griechische 
          Techno-Musik; und so fahren wir die Strecke über Komitades zurück, die 
          wir vor einigen Tagen von Imbros her kommend schon einmal gemacht haben. 
           
          Unser Fahrer lässt uns dann im Zentrum von Frangokastello raus; jetzt 
          wollen wir natürlich zuerst einmal dieses berühmte Kastell sehen! Einige 
          hundert Meter laufen wir bis dahin auf der Teerstraße; überall sind 
          hier Hotels und Restaurants; das alles ist schon recht stark touristisch 
          geprägt! 
           
          Das Kastell samt Umgebung entpuppt sich dann leider als die Enttäuschung 
          des Tages: die Postkartenidylle mag es hier ja vielleicht mal gegeben 
          haben – jetzt sind rund um das Kastell überall Bettenburgen, fast schon 
          so schlimm wie an der Nordküste! Ganze Ferienkolonien haben sich am 
          Strand breitgemacht; teilweise mit eigenen Häfen. 
           
          Vor Erreichen des Kastells beschließen wir schon, es nicht zu betreten, 
          falls man dafür Eintritt haben möchte. Das will man zwar nicht, der 
          Grund wird uns aber auch schnell klar: Das Kastell besteht praktisch 
          nur aus vier Außenmauern mit Ecktürmen; viel mehr als ein einziger, 
          großer Innenhof ist innenseitig daher auch nicht zu bewundern. 
           
          „Frangokastello (zu deutsch Frankenburg) wurde 1371 von den Venezianern 
          erbaut. Sie war 1828 Schauplatz einer erbitterten Schlacht, bei der 
          700 kretische Kämpfer einem Heer von 8000 Türken gegenüberstanden und 
          unterlagen. Zur Erinnerung an die Schlacht und den Führer Hadzimichalis 
          steht an der Ostseite ein Denkmal mit seiner Büste. Im Volksglauben 
          lebt dieses Ereignis in einer sonderbaren Spukerscheinung weiter. Alljährlich, 
          um den 17. Mai, bewegt sich kurz vor Sonnenuntergang ein langer Zug 
          von schwarzgekleideten Reitern und Fußvolk von Agios Haralambos nach 
          Frangokastello. Man nennt dieses Phänomen „Drossoulites-Erscheinung“ 
          (Taumänner). Die Erscheinung dauert nur 10 Minuten und tritt nur auf, 
          wenn nach einigen feuchten Tagen vorläufige Windstille herrscht, bevor 
          Nordwind einsetzt. Wissenschaftlich versucht man das Phänomen als Luftspiegelung 
          unter besonderen klimatischen Gegebenheiten zu erklären. Ganz abgesehen 
          davon hat Frangokastello einen herrlichen Sandstrand, gute Möglichkeiten 
          zu übernachten (keinen Massentourismus) und einige Tavernen zum Einkehren.“ 
           
          Draußen finden wir dann diesen ersten richtigen Sandstrand auf Kreta; 
          wir gehen aber nicht schwimmen, weil wir erst einmal die Zelte aufbauen 
          wollen. Und das stellt uns doch ziemlich schnell vor ein Problem! Nahezu 
          der gesamte Strand um Frangokastello herum ist durch Hotels oder Ferienanlagen 
          schon besetzt; die Abschnitte dazwischen reichen für ein ungestörtes 
          Wildcampen nicht. Wir wollen uns gerade zu einem kleinen Strandstück 
          aufmachen, da hält ein Wagen neben uns. „Rooms?“ fragt eine nette Frau. 
          Nein, aber vielleicht ein Tip, wo man am Strand sein Zelt aufbauen könnte. 
          „No problem, three, four hundred meter in the other direction!“ Also 
          machen wir uns auf in östliche Richtung, um außerhalb des Ortes den 
          versprochenen Platz zu finden. Von weitem sehen wir auch eine Art eingezäuntes 
          Ruinenareal, mit einer halbverfallenen Kirche. Das sieht nicht schlecht 
          aus! Vor allem dürfte es dort windgeschützt sein, denn inzwischen hat 
          sich der tagsüber schon beständige Wind zu einem echten Sturm entwickelt. 
           
          
              
              
             
          
           
           
          Wir nähern uns also diesem wunderschön abseits gelegenen Gemäuer und 
          schauen durch`s Tor: Fehlanzeige, ein alter Friedhof! Na ja, das wollen 
          wir nun dann doch nicht.... Aber was sehen wir ein Stück weiter: hinter 
          einer Art Bauschutthalde kommen wir wirklich zu einem einsameren Abschnitt; 
          ein gutes Plätzchen finden wir an einem eingezäunten Areal, auf dem 
          sich lediglich ein fensterloser, weißer Steinklotz befindet; oben mit 
          einem Wasservorratsbehälter. Da das Tor aber weit geöffnet ist, gehen 
          wir mal rein – das kann ja nicht ein zweiter Friedhof sein! 
           
          Von der Seeseite hat das Haus eine Tür, ebenfalls geöffnet, und einige 
          Fenster – unbewohnt sieht es nicht gerade aus. Das ist uns dann auch 
          etwas zu mulmig. Wir gehen also wieder vor den Zaun und versuchen unser 
          Glück beim Aufbau des ersten Zeltes, so etwa hundert Meter von der fensterlosen 
          Rückfront des Hauses entfernt. 
           
          Das erste Problem bekommen wir, als wir mit vereinten Kräften das Innenzelt 
          des Salewa hochgezogen haben und es schon mal an den vier Ecken im Boden 
          verankern wollen – Fehlanzeige bei diesem steinigen Untergrund. Als 
          schiere Unmöglichkeit erweist sich dann allerdings der Versuch, das 
          Überzelt drüber zu ziehen! Inzwischen bläst ein derartig starker Sturm 
          aus dem Gebirge seewärts, dass wir das Überdach nicht aufbauen können! 
           
          Wir haben nun endgültig die Nase voll vom Zelten. Martin spricht den 
          anderen aus der Seele, als er vorschlägt, doch heute Abend wieder ein 
          Zimmer zu nehmen. Zuvor wollen wir aber gleich hier an Ort und Stelle 
          unsere Vorräte dezimieren – wir hatten uns alle noch eine Flasche Bier 
          eingepackt und auch jede Menge Trinkwasser mitgenommen – das werden 
          wir ja alles nicht mehr brauchen, wenn wir ein Zimmer haben. 
           
          Zumindest wollen wir aber mal kurz Pause machen und in Ruhe – vor allem 
          vor dem beständigen Sturm geschützt – genussvoll das Bier trinken (der 
          Rucksack ist durch das viele Hin- und Hertragen auch nicht gerade leichter 
          geworden...); und dazu bietet sich der Windschutz vor dem Haus doch 
          recht gut an. 
           
          Wir gehen also zurück zum Haus und wollen uns gerade ermattet niederlassen, 
          da tritt eine Art Maler/Bildhauer/Künstler?? aus der Haustür. Wir fragen 
          artig, ob wir hier mal kurz Pause machen dürften. Seine Antwort wird 
          für uns zum Spruch des Tages: „Not really – this is private ground!“ 
           
          Na, nun wissen wir ja, woran wir sind. Was hätte der erst einmal geguckt, 
          wenn er aus dem Haus gekommen wäre und unsere beiden Zelte auf dem Hof 
          gesehen hätte! Auch sonst ist der Typ nicht unbedingt der Freundlichste! 
          Auf unsere Frage, wo man hier ein Quartier bekommen könne, zeigt er 
          auf die Ortschaften weit weg an den Berghängen. Dort – vielleicht, wenn 
          wir Glück haben. Tolle Auskunft! Wir ziehen uns also zurück und steuern 
          noch einmal den Windschutz der Friedhofsmauer an. Die Toten dort werden 
          ja wohl nichts dagegen haben, wenn wir in ihrer Gesellschaft ein kleines 
          Erholungspäuschen einlegen. 
           
          Gesagt, getan – und so erfrischt schultern wir dann wieder unsere etwas 
          leichteren Rucksäcke (Wasser haben wir auch schon mal etwas weggeschüttet). 
          Der Typ vom Haus sorgt noch lange für Gesprächsstoff (und hilft uns 
          so unfreiwillig doch weiter, weil wir darüber den anstrengenden Rückweg 
          kaum wahrnehmen). Einige von uns meinen, sie hätten ganz genau gesehen, 
          dass der Bursche nur ein Auge hatte, mit dem er uns die ganze Zeit über 
          stechend gemustert hat. Martin vertritt dagegen die Theorie, es müsse 
          sich um den einsamen Maler am Strand handeln, der Mona Lisa malen wolle 
          (in Anspielung auf einen Titel der Flipper). 
           
          Marianne drängte dann mit einem Blick auf die Uhr zum Aufbruch – oh 
          ja, wir hatten die Zeit ganz aus dem Auge verloren – in Kürze wird schon 
          Sonnenuntergang sein! So ziehen wir also auf einer Parallelstraße in 
          die Ortschaft Frangokastello hinein; wir sehen einen schönen Sonnenuntergang 
          mit der Kulisse von Frangokastello und machen einige Fotos davon. 
           
          Dann bemerken wir, dass wir auf dieser Straße am Ortszentrum vorbeilaufen 
          werden; über eine Nebenstraße, vorbei an Ferienhaussiedlungen, die wohl 
          fest in deutscher Hand sind, erreichen wir wieder die Hauptstraße. „Rooms 
          to let“ steht auf Schildern, die nach links und auch nach rechts zeigen. 
          Wir gehen geradeaus in einen kleinen, noch geöffneten Minimarket. „Do 
          you speak english?“, „Yes, aber wir können uns auch auf deutsch unterhalten!“ 
          meint die junge blonde Frau an der Kasse. 
           
          Als sie von unserer Herbergssuche erfährt, berät sie sich kurz mit ihrem 
          Mann und telefoniert dann herum. Wir haben die Wahl zwischen einem Appartement 
          für 15.000 (wir zeigen uns entsetzt) bis hinunter zu 9.000 (wir atmen 
          erleichtert auf). Und so kommen wir an eine preiswerte und tadellose 
          Ferienwohnung! Sie liegt etwa zweihundert Meter zurück im Hinterland, 
          in der Nähe der Siedlung, an der wir gerade schon vorbeigekommen sind. 
          Dort sollen wir auf die Besitzerin warten. Unsere vielen deutschen Nachbarn 
          stehen in den Türen, und wir bekommen ermunternde Bemerkungen mit wie 
          „So was ist richtig!“ Wenn die wüssten, wie schwer so ein Rucksack abends 
          drücken kann! 
           
          Danach sitzen wir vor einer langgestreckten Häuserreihe von Ferienbungalows; 
          alles blau-weiß gestrichen, aber schon verlassen und warten auf die 
          Chefin und die Schlüssel. Flobe meint, das sähe hier ja fast aus wie 
          die Umkleidekabinen einer Badeanstalt. 
           
          Die Chefin kommt auch bald – und zum ersten mal kommen wir nicht auf 
          englisch weiter. Dafür spricht die Frau besonders gut griechisch in 
          einem Mordstempo. Für uns ist das egal, weil wir auch langsames griechisch 
          nicht verstehen könnten. Da der Preis aber schon ausgemacht ist, zahlen 
          wir gleich für zwei Nächte und die Frau schließt uns einen der Bungalows 
          auf. Und, man muß es so deutlich sagen: für unsere Verhältnisse der 
          reinste Luxus! 
           
          Kurze Zeit später kommt die Wirtin nochmals zurück und bringt Bettzeug. 
          Zusammen mit Marianne bezieht sie alle Betten. Als sie auch noch anfangen 
          will, zu fegen und zu wischen, können wir ihr das mit Mühe ausreden. 
          Auch im Hinblick auf den Preis von nur 9.000 Drachmen und dem Vergleich 
          mit unseren bisherigen Zimmern ist das hier die mit Abstand feudalste 
          Unterkunft! 
           
          Wir haben drei Betten; eine Dusche mit WC und sogar eine volleingerichtete 
          Küche; einschließlich Dunstabzugshaube, die allerdings etwas merkwürdig 
          ihre Abluft durch zwei Innenschränke bläst. Egal – hier sind wir sofort 
          heimisch – und das für diesen Preis! Und so macht sich Martin schon 
          bald an die Zubereitung einer leckeren Linsensuppe. Ein appetitlicher 
          Geruch nach angebratenen Zwiebeln und gerösteter Sommerwurst breitet 
          sich im Raum aus. Aber auch die anderen tragen zur Abendgestaltung bei: 
          Marianne streckt sich schon mal auf dem Bett aus; Flobö zieht noch einmal 
          zum Supermarkt los um die Bier- und Weinvorräte zu ergänzen; Flobe testet 
          derweil schon mal die Dusche. 
           
          Von der Blonden im Minimarkt, übrigens eine Deutsche, die hierher geheiratet 
          hat, haben wir auch nähere Informationen über den Sturm bekommen. Dessen 
          Auswirkungen können wir draußen an den Büschen und Bäumen erkennen. 
          Gut, dass wir nicht gezeltet haben! 
           
          Aber der Sturm beeinträchtigt auch das Leben innerhalb der Wohnung: 
          Marianne ruft um Hilfe, weil sie gegen den Winddruck die Tür der Toilette 
          nicht mehr aufbekommt, und die Erfahrung lehrt, dass man die Haupttür 
          besser gar nicht aufmachen sollte, weil sonst alle leichteren Gegenstände 
          durch den Raum gewirbelt werden. 
           
          Um Punkt Viertel vor neun geschieht dann das, womit wir eigentlich schon 
          seit längerer Zeit gerechnet haben: der Strom fällt aus und wir haben 
          wieder mal tiefe Dunkelheit. Zum Glück ist die Linsensuppe just in diesem 
          Augenblick vom Ofen genommen worden. 
           
          So sitzen wir draußen auf der recht windgeschützten Veranda und genießen 
          die Suppe angesichts der tobenden Elemente rings um uns herum. Auf Taschenlampen 
          können wir dabei verzichten; Zum Essen reicht die Helligkeit draußen 
          immer noch. 
           
          Danach schauen wir uns draußen ein wenig um. Unsere vielen deutschen 
          Nachbarn in ihren Edelunterkünften sitzen jetzt ebenfalls in der Dunkelheit. 
          Überhaupt sieht es draußen ziemlich gespenstisch aus: an der kompletten 
          Südküste ist in beiden Richtungen kein einziges Licht zu sehen. Einzige 
          Ausnahme sind ein paar Autoscheinwerfer, die man an den Berghängen herumkriechen 
          sieht. Der Meltemi schafft anscheinend für die Stromversorgung hier 
          erhebliche Probleme. Wir denken an die armen Restaurant- und Ladenbesitzer, 
          die jetzt alle aufgeschmissen sind; natürlich auch sämtliche Touristen, 
          die heute irgendwo zu Abend essen wollten. Tja, so kann`s gehen! 
           
          Urplötzlich ist der Strom wieder da und alles ist in blendendes Licht 
          getaucht. Aber – wir kennen das ja schon vom gestrigen Abend – wie lange 
          das dauern wird, weiß man nicht. Nach einem letzten Schlummertrunk ziehen 
          wir uns in die frischen Betten zurück; die Verandatür ist weit geöffnet 
          und wir hören beim Einschlafen dem tobenden Sturm zu. 
           
           
          Montag, 15.10., 10. Tag 
           
          Es war eine ruhige, friedliche Nacht. Wir haben der Wärme wegen nur 
          unter den weißen Laken geschlafen und sind frisch für die heute geplante 
          Doppel-Schlucht-Wanderung. Der Strom ist über Nacht wohl nicht mehr 
          ausgefallen; die rote Betriebslampe am Boiler brennt. Zumindest, als 
          wir uns gegen halb acht aus den Betten wälzen. 
           
          Während die beiden Jungen unterwegs zum Minimarket sind, geht die Lampe 
          am Boiler aus – kurze Kontrolle am Deckenlichtschalter: jawohl, der 
          Strom ist wieder weg. Die Jungen berichten nach ihrer Rückkehr, es hätte 
          im Minimarket ein paar Mal kurz geflackert, dann wäre es mit dem Strom 
          vorbei gewesen. 
           
          Sie bringen auch weitere Neuigkeiten über den Meltemi. Den nennen die 
          Einheimischen hier auch „Borso“, den „guten Wind“, der vom Gebirge her 
          bläst; im Gegensatz zum Schirokko, dem warmen, oft sandhaltigen „bösen“ 
          Wind, der von Afrika her bläst. Weiterhin bringen sie die frohe Kunde, 
          dass der Weg hinauf durch die Kalikratiano-Schlucht zum Ort Kallikratis 
          nur etwa 2 ½ Stunden dauern soll. 
           
          Dieser Ort ist für heute das Ziel: hoch durch die erste Schlucht bis 
          Kallikratis; von dort quer durch das Gebirge zum nächsten Ort Asfendou 
          und dann durch die Asfendou-Schlucht wieder zurück nach Frangokastello. 
          Auf der Karte sieht das ganz einfach aus; die Wegbeschreibungen halten 
          auch keine unangenehmen Überraschungen bereit. 
           
          Ein gutes Frühstück soll uns dafür aber zuerst einmal die richtige Grundlage 
          bieten. Erstmalig haben wir Margarine zur Verfügung; dazu leckeres, 
          frisches Brot. Seinen letzten Schliff erhält das Frühstück durch eine 
          Dose Heringsfilet in Pfeffersauce und ein kleines Teewürstchen. 
           
          Ohne schweres Gepäck(!) geht es dann bei bestem Wetter los; wir haben 
          zwei Rucksäcke leergemacht und tragen nur die wichtigsten Dinge mit 
          uns: genügend Wasserflaschen, Regenzeug, Fotoapparat, Routenbeschreibung 
          und Erste-Hilfe-Ausrüstung. 
           
          Zuerst müssen wir mal aus unserer Ebene hin zum Dorf Patsianos bzw. 
          seinem direkten Nachbarort Kapsodasos. Von hier aus wollen wir dem E4 
          folgen; allerdings in umgekehrter Laufrichtung als im Reiseführer beschrieben. 
          Leider verlieren wir schon in der Ebene mehrmals den Weg. Wir steuern 
          schließlich möglichst gradlinig auf den Ort zu und nutzen dabei die 
          vielen Trampelpfade zwischen den Olivenhainen. An einem besonderen Exemplar 
          eines uralten Olivenbaumes machen wir Rast. 
           
          Steil geht es dann hoch ins Örtchen Patsianos, wo wir ein wenig ratlos 
          auf der einzigen Hauptstraße stehen und nach dem Einstieg in den E4 
          suchen. (Die Zitate aus der Routenbeschreibung sind jetzt natürlich 
          auf unsere Laufrichtung angepasst) 
           
          „Von Patsianos kommt man über den linken Schluchteingang, von Kapsodasos 
          über den rechten Schluchteingang vorbei an riesigen Oleanderbüschen 
          in die Schlucht. Nach einer Stunde öffnet sie sich unverhofft zu einem 
          Kessel. Kalkfelsen türmen sich hoch auf, bei einem ersten Blick könnte 
          man einen Augenblick lang glauben, in den Dolomiten zu sein. Die Schlucht 
          wird enger; der zum Teil zementierte Weg steiler. Der alte Weg ist klar 
          und eindeutig zu verfolgen.“ 
           
          Leider ist in unserer Ortschaft nirgendwo ein Hinweis auf den E4 zu 
          sehen. Wir wählen also den nächsten Pfad durch den Ort bergauf. Das 
          ist aber falsch, wie sich bald darauf herausstellt. Diese kleine Gasse 
          führt bald wieder hinunter zur Hauptstraße. Eine alte Frau versucht 
          uns den Weg zu erklären; leider scheitert das an unseren mangelnden 
          Sprachkenntnissen. 
           
          So laufen wir durch Gärten und kleine Gassen zum Nachbarort Kapsodasos, 
          um dort unser Glück zu versuchen. Dabei treffen wir auf eine deutsche 
          Familie, die gerade ein Stück des E4 gelaufen ist. So kommen wir doch 
          noch auf den richtigen Weg! 
           
          
              
              
             
          
           
           
          Der Weg durch die Schlucht ist in der Routenbeschreibung auch ziemlich 
          exakt beschrieben; auch das umgekehrte Lesen macht keine Mühe. Größere 
          Probleme bereitet da schon eher die Sonne, die jetzt in den Mittagsstunden 
          voll in die nach Süden gerichtete Schlucht knallt. Und zwischen den 
          hohen Felswänden steht dazu noch die heiße Luft. Gut, dass wir viel 
          Trinkwasser mitgenommen haben. 
           
          „Durch Farnwiesen neben einem ausgetrockneten Bachbett führt der 
          Weg sacht ansteigend zum Schluchtanfang hoch. Wir erreichen bald darauf 
          die tiefste Einsenkung des Hochtales von Kallikratis. Orientierungspunkt 
          ist eine auf einem Hügel gelegene Kirche.“ 
           
          Schritt für Schritt kämpfen wir uns durch die Hitze die Schlucht hoch; 
          teilweise nutzen wir auch das ausgetrocknete Bachbett als Weg. Unterwegs 
          findet Martin eine schöne, quietschgelbe Sonnenbrille. Wir verabreden 
          eine Weinpause bei 400 Höhenmetern; das Laufen ist aber wegen des geringen 
          Gepäcks heute trotz der Hitze fast schon genussvoll. Bei 660 Metern 
          Höhe erreichen wir dann die Hochebene von Kallikratis. Wir schaffen 
          dabei einen Rekord: 210 Höhenmeter in 30 Minuten! 
           
          Oben angekommen verläuft der Weg dann doch noch etwas anders als im 
          Reiseführer beschrieben. Wir folgen der einzigen Schotterpiste; an einer 
          Gabelung halten wir uns schon mal etwas nach links, weil wir dort wegen 
          eines Kirchturms die „Ortsmitte“ vermuten. Von einem eigentlichen Dorf 
          kann man aber nicht sprechen; dafür sind es zu wenig Häuser bzw. Stallungen, 
          die zudem weit auseinander liegen. 
           
          „Im Ortskern von Kallikratis sehenswert ist die Kirche mit ihrer 
          Sonnenuhr sowie die schöne Brunnenanlage. Zwei Kafenia sind den Sommer 
          über geöffnet; im Winter ist das Dorf zumeist verlassen, die Bevölkerung 
          zieht sich dann in die tiefergelegenen Orte zurück. Der Verbindungsweg 
          zur Küste wird von den Bewohnern noch regelmäßig benutzt, sofern nicht 
          größere Mengen an Gepäck zu transportieren sind. Mit dem Auto ist ein 
          weiter Umweg notwendig, um die Küste zu erreichen. Die Bewohner von 
          Kallikratis leisteten in der Zeit der Türkenbesetzung erbitterten Widerstand; 
          das Dorf konnte nie besetzt werden.“ 
           
          
              
              
             
          
           
           
          Das ehrt die Bewohner von Kallikratis; uns interessiert nun aber immer 
          mehr die Frage nach den „im Sommer geöffneten Kafenia“. Geht bei denen 
          hier der Sommer bis Mitte Oktober?? Glücklicherweise ja, wie sich kurz 
          darauf herausstellt! Zwei Tische und einige Stühle vor einem Haus sowie 
          eine Bierreklame an der Wand signalisieren uns die ersehnte Kneipe – 
          und sie hat geöffnet, wunderbar! 
           
          Es gibt auch kaltes Bier, Amstel; bei näherem Hinschauen bemerkt Flobö 
          aber, dass es schon seit längerer Zeit abgelaufen ist. Er verzichtet 
          daraufhin auf`s Weitertrinken; Flobe belässt es dann bei einer halbgeleerten 
          Flasche, nur Martin trinkt seine Flasche tapfer aus. Marianne will schon 
          mal weiter und zieht ohne Rucksack los. Und damit beginnt ein eigenartiger 
          Wettlauf! Obwohl sie nur vielleicht 15 Minuten Vorsprung hat, treffen 
          wir sie erst im etwa sechs Kilometer entfernten Nachbarort Asfendou 
          wieder! Und das, obwohl wir anderen drei die Straße wirklich in schnellstem 
          Tempo zurücklegen. Zwischenzeitlich kommt uns der Gedanke, dass Marianne 
          vielleicht von uns überholt worden wäre, als sie sich gerade die Kirche 
          näher angeschaut hat? Die haben wir nämlich samt Sonnenuhr „links liegen 
          lassen“. 
           
          Als uns deutsche Autofahrer entgegenkommen, halten wir sie an und fragen, 
          ob sie jemand vor uns gesehen hätten. Ja, so vielleicht achthundert 
          Meter weiter vorne. Gut, das muß Marianne sein. Wir erhöhen noch einmal 
          unser Marschtempo und erreichen sie dann auch tatsächlich beim Dorf 
          Asfendou. 
           
          Hier haben wir allerdings einige Probleme, den richtigen Weg hinein 
          in die Schlucht zu finden. Leider hilft uns die Routenbeschreibung an 
          dieser Stelle nicht viel, weil man die dort aufgeführten Markierungspunkte 
          nur von unten erkennen kann. 
           
          So suchen wir uns mal wieder einen eigenen Weg zwischen Gärten und Steinmäuerchen 
          hindurch; ein alter Hirte will uns weiterhelfen, wieder aber scheitern 
          wir an den unüberwindlichen Verständigungsschwierigkeiten. In Italien 
          hätten wir es da schon einfacher. Dennoch – die Schlucht als solche 
          ist ja nicht zu verfehlen, sie verläuft im Prinzip parallel zur soeben 
          emporgestiegenen Kalikratiano-Schlucht. Wir schätzen die Luftlinienentfernung 
          zwischen den beiden Schluchten so auf drei bis fünf Kilometer. Da die 
          Zeit inzwischen fortgeschritten ist, machen wir uns zügig an den Abstieg. 
           
          „Der Weg beginnt in Agios Nektarios. Von der Kirche führt eine Straße 
          direkt auf die Schlucht zu. Bei einem doppelten Strommast am linken 
          Rand der auslaufenden Schlucht hoch zu einer Stallung mit blauen Fenstern. 
          Ein breiter, zum Teil gepflasterter alter Maultierpfad zieht sich am 
          linken Schluchtrand hoch. Nach einer guten Stunde steigt der Weg nach 
          einer Steinhütte im mehreren Serpentinen hoch. Es geht beständig steil 
          aufwärts, aber auf gut begehbarem Weg. Nach gut zwei Stunden Aufstieg 
          nähern wir uns dem Schluchtende und sehen die ersten Häuser von Asfendou.“ 
           
          Wir laufen natürlich wieder in umgekehrter Richtung. Die Beschreibung 
          stimmt zwar; dennoch sind wir uns einig, dass man auf diese Schlucht 
          auch getrost hätte verzichten können. Vielleicht liegt es auch daran, 
          dass wir inzwischen schon so viele Schluchten begangen haben. Eine besonders 
          schöne Schlucht ist die Asfendou-Schlucht jedenfalls nicht! Aber – wie 
          gesagt, es kann der Vergleich mit den anderen, wilderen Schluchten sein 
          oder auch einfach daran liegen, dass wir inzwischen ziemlich müde sind. 
           
          Der Weg führt wirklich steil bergab; dazu ist er mit Geröll übersät 
          und wir müssen bei jedem Schritt gut aufpassen. Von wegen „gut begehbar“! 
          Na ja, der Reiseführer gibt ja auch 6 ½ Stunden reine Gehzeit an; dazu 
          einen Aufstieg und Abstieg von jeweils 850 Metern. Das macht sich nun 
          beim Abwärtsgehen langsam in unseren Waden bemerkbar. Dankbar setzen 
          wir jetzt unsere Trekking-Stöcke ein. 
           
          In der Schlucht selbst wird es jetzt zunehmend dämmriger, obwohl am 
          Schluchtausgang noch die Sonne scheint. Als wir dort ankommen, können 
          wir gerade noch den Sonnenuntergang über den Bergen von Hora Sfakion 
          miterleben. Und uns wird klar, dass wir der hereinbrechenden Nacht nicht 
          entkommen können! Wir wollen aber zumindest versuchen, noch beim letzten 
          Tageslicht die holprige Schlucht zu verlassen. Das verzögert sich leider, 
          weil wir aus irgendeinem Grund plötzlich vom Weg abgekommen sind. Jetzt 
          heißt es, möglichst schnell, teilweise abwärtskletternd über kleine 
          Felsen, in gerader Linie auf das unter uns liegende Agios Nektarios 
          zuzusteuern. Und das klappt dann auch! 
           
          Was danach aber folgt, kann man getrost als einzige Strapaze bezeichnen! 
          Beim Eintreffen in Agios Nektarios ist es auch mit der Dämmerung vorbei 
          und wir geraten in Dunkelheit – und die ist außerhalb der Ortschaft 
          mangels Straßenlampen ziemlich deutlich ausgeprägt! Kurzfristig müssen 
          wir uns noch mit zwei Straßenkötern anlegen; die Trekking-Stöcke halten 
          sie aber auf Distanz! 
           
          So stolpern wir durch die Nacht; immer entlang der Teerstraße, so an 
          die 5 Kilometer weit, ehe wir müde und abgekämpft den Minimarket erreichen. 
          Hier ist erst einmal ein guter Schluck fällig! 
           
          Von unserer Deutschen erfahren wir wieder einmal Neuigkeiten: Vor kurzem 
          waren zwei andere deutsche Frauen hier auf Schluchtentour; sie haben 
          im Prinzip alle unsere Schluchten ebenfalls durchwandert und wollten 
          sich dann noch „den besonderen Kick“ verschaffen: zwischen Imbros-Schlucht 
          und Asfendou-Schlucht ist noch eine weitere nach Norden führende Schlucht, 
          allerdings so unzugänglich, dass man dort keine Wege markiert hat. 
           
          Dort gerieten sie dann in extreme Schwierigkeiten: sie sollen ihre ganze 
          Ration an Notfall-Tropfen aus ihrem Erste-Hilfe-Set benötigt haben, 
          um mit zitternden Knien dann die Steilabbrüche und Felswände bewältigen 
          zu können. 
           
          Als wir schließlich erschöpft in unserem Zimmer eintreffen, muß Martin 
          noch mal ran und Käsespätzle aus der Tüte zubereiten. Er legt Wert darauf, 
          dass diesmal der strenge Geruch aus den geöffneten Tüten kommt und nicht 
          von seinen Socken stammt! Florian regt noch an, eine eigene Seite im 
          Reisetagebuch dem Reiseführer zu widmen um dort alle irrigen Beschreibungen 
          aufzulisten. In dieser Nacht schlafen wir alle sehr gut nach diesem 
          Weg! 
           
          
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