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Mittwoch, 31.7., 12. Tag

Beim Frühstück studieren wir intensiv unsere neue Karte und den Reiseführer: unsere Schätzungen für die Strecke bis Bodö schwanken zwischen 230 und 420 Kilometern. Wir haben uns entschlossen, wann immer es geht, eine Fähre einzusetzen – bis Bodö wollen wir schließlich noch kommen. Zu lange wollen wir aber auch nicht mehr fahren, da ja die beiden Wandertouren möglich sein sollen.

Kartenstudium beim Frühstück

Nach dem Frühstück und dem Lagerabbau verlassen wir den Campingplatz und erreichen nach etwa 10 Kilometern die Ausläufer von Brönnöysund. Frühstück gibt es wie gewohnt auf einer Bank vor dem Supermarkt: diesmal aber bei schönstem Sonnenschein und sehr angenehmen Temperaturen. Danach legen wir ohne große Steigungsstrecken die letzten 11 Kilometer bis zur Fähre in Horn zurück.

Vor uns der Fähranleger von Horn

Hier treffen wir auf zwei andere Radler, die wir in den nächsten Stunden noch häufiger sehen werden. Am Fähranleger haben wir die Wahl, entweder der RV 17 auf der anderen Fjordseite zu folgen und eine zweite Fähre hinüber nach Tjötta zu nehmen (so ist die Route im Reiseführer auch beschrieben) oder aber eine längere Fähre direkt nach Tjötta zu nehmen, dann allerdings mit dem Umweg über die Insel Vega.

Der Straßenname Kystveien stimmt haargenau!

Da das Wetter aber so schön ist, verzichten wir auf die längere Fährstrecke und setzen unsere Radtour auf der anderen Fjordseite ab Anndalsvag fort; eine Entscheidung, die wir nicht bereuen, da wir jetzt eine wirklich schöne Strecke direkt an der Küste entlang fahren. Nicht einmal der Wind macht uns zu schaffen! Es sieht so aus, als ob wir heute ein Stück vom Jahrhundertsommer mitbekommen sollen. Gut, Regen hatten wir ja eigentlich auch schon genug. 17 Kilometer sind es auf dieser Strecke – links das Meer und rechts aufsteigende Berge bis über 1000 m (Höyholmstindane). Das ist schon eine tolle Kulisse für unsere Radtour! Zwischendurch muß Christian sein Gepäck mit Florians Hilfe etwas fester zurren; das kann uns aber auch nur kurzfristig aufhalten.

In Forvik kaufen wir ein und machen es uns während der Wartezeit auf die nächste Fähre am Kai gemütlich; eine geruhsame Mittagspause mit frischem Kneippbröd, Butter und unseren eigenen Vorräten. Endlich mal ein Wetter, wie wir es uns für die Radtour vorgestellt und gewünscht haben!

Geruhsames Warten auf die nächste Fähre

Auf der nun folgenden Fährüberfahrt geht der Lenz weiter; erstmals sehen wir die „7 Schwestern“ vor uns. An Bord ist sogar eine junge Hostess, die uns auf deutsch Tips gibt und Broschüren verteilt. Wir sitzen an der Reling und lassen die Landschaft genussvoll an uns vorübergleiten. Wir sind uns einig: das sind Ferien!

Kurz vor dem Anlegen in Tjötta

Leider geht auch diese schöne Zeit an Bord für uns mal vorbei – in Tjötta nutzen wir den kleinen Markt am Fähranleger noch für letzte Einkäufe, dann geht es an die Inselüberquerung in Richtung der „Sieben Schwestern“, die nun schon ziemlich hoch vor uns aufragen. Nach wenigen Kilometern ein Soldatenfriedhof, der uns an die jüngere Geschichte erinnert. An die 7000 russische Soldaten – hier als deutsche Kriegsgefangene ums Leben gekommen – haben hier ihre letzte Ruhestätte gefunden. Wir fragen uns betroffen, warum wir Deutschen hier in Norwegen Russen als Kriegsgefangene umbrachten. Direkt nebenan dann nochmals 1000 Gräber – bei der Versenkung des deutschen Frachters „Rigel“ durch die Alliierten kamen diese an Bord befindlichen tausend Kriegsgefangenen zusätzlich ums Leben.

Auf dem Soldatenfriedhof bei Tjötta

Am Parkplatz vor dem Friedhof fassen wir noch schnell genügend Wasser für den Abend, dann geht es bei starkem Gegenwind weiter über eine schmale Landzunge. Zum ersten Mal finden wir keinen Mangel an geeigneten Zeltplätzen; links und rechts der Straße breiten sich bis zum Meer große Wiesen aus, auf denen Schafe gehalten werden. Leider ist es für einen Übernachtungsstop noch etwas zu früh; wir wollen heute noch ein paar Kilometer mehr auf dem Tacho haben. Zudem ist der Wind vom Meer her etwas sehr stark. Lieber was Windgeschütztes suchen!

Danach kommt aber natürlich nichts mehr! Links und rechts immer wieder Häuser; wo kein Haus steht, verwehrt uns dichter Wald oder sumpfiges Gelände den Zutritt. Durch Zufall finden wir dann – direkt unter der „Stortinden“ (mit 910 m die erste der sieben Zinnen der Bergkette) einen Feldweg in Richtung Meer. Wir folgen ihm und entdecken eine wunderbare Wiese; abgelegen, windgeschützt und richtig flach. Glück gehabt!

Vor dem Zeltaufbau machen wir es uns auf den Isomatten noch in der Sonne gemütlich; zum Abendessen gibt es leckere Tortellini mit Käse-Tomatensauce und wir verbringen eine ruhige Nacht ohne Sturmbelästigung.

Tageskilometer: 55,4
Schnitt: 16,14 Km/h
reine Fahrtdauer: 3h 27 Min
Max: 47Km/h
Gesamt: 469 Km


Donnerstag, 1.8., 13. Tag

Gut ausgeruht stehen wir schon zeitig auf; um 9:15 Uhr sind wir bereits wieder unterwegs auf der RV 17; vor uns liegt die Umrundung der südwestlichen Ecke der Stortinden. Wir passieren Alstahaug (leider kein Laden); dann folgt nur noch Landstraße – immer entlang der Bergkette. Leider verbergen sich die „Schwestern-Gipfel “ beharrlich in Wolkenfetzen – so ist kein schönes Foto von ihnen möglich. Gut, dann halt eben mit Wolken! Weiter vorbei geht es am Flughafen bei Stokka; inzwischen ist es recht frisch geworden, da wir mitten im Meereswind fahren.

Das Bergmassiv der Sieben Schwestern - leider stark wolkenverhangen

Kurz vor Sandnessjön dann ein riesiges Einkaufszentrum. Hier gibt es um halb zwölf endlich Frühstück. Und bei diesem Frühstück treffen wir eine Entscheidung von weitreichendem Ausmaß für die weitere Tour: wir werden eventuell ab Sandnessjön die Tour verkürzen und vielleicht ab hier die „Hurtigrute“ bis zu den Lofoten nehmen; vielleicht sogar dann mit der Hurtigrute von den Lofoten zurück bis nach Trondheim – und somit auf die Rückfahrt per Bahn verzichten. Wir wollen uns das mal in Sandnessjön durchrechnen lassen.

Dort suchen wir die Touristinformation auf und müssen leider erfahren, dass das nördlich gehende Schiff der Hurtigrute leider mitten in der Nacht ablegt. Vom nächsten gen Norden gelegenen Hafen, Nesna, startet es so um sechs Uhr. Also werden wir noch bis Nesna weiterfahren. Die junge Dame hinter dem Tresen macht uns dann darauf aufmerksam, dass von hier aus nach Nesna um 15 Uhr ein winziges Schnellboot fährt – vielleicht kann es unsere vier Räder mitnehmen. Dieser Plan gefällt uns. Schnell buchen wir noch ab Nesna einen Sommerspartarif (1100 NOK) bis zu den Lofoten (und zahlen dafür gerne die 25 NOK Vermittlungsgebühr).

Unser kleines Schnellboot Rosa

Dann suchen wir am Hafen nach unserem Schnellboot „Rosa“ und können auch noch die Abfahrt des südlich gehenden Postdampfers beobachten. Nun suchen wir einen Geldautomaten und kaufen noch ein. Überrascht sind wir von den horrenden Preisen für Obst und Gemüse. Marianne hält das gleich auf einem Foto fest. Klar, Norwegen ist teuer – das wussten wir schon aus den Vorjahren. Aber in diesem Jahr kommen uns die Preise teilweise doch sehr hoch vor! Vielleicht hängt das ja mit dem Euro-Kurs zusammen; egal – wir können es nicht ändern!

Extreme Preise für frisches Obst und Gemüse

Martin ist auf jeden Fall froh, dass er mit seiner EC-Card jetzt problemlos Geld am Bankautomat bekommen hat. Nach der Pleite mit der Visa-Card ist dies nun die einzige Karte, mit der wir Bargeld bekommen können; die Postbank-Sparcard haben wir ja in Namsos schon abgeräumt. Und da die norwegische Tankstelle die normale EC-Card ja nicht akzeptiert hatte, hatte Martin schon Sorge, dass z.B. ein Defekt am Magnetstreifen wäre. Dann allerdings hätten wir jetzt ein großes Problem!

So ganz reibungslos klappt das Geldabheben mit der Karte dann aber auch nicht: mehr als 2500 NOK spuckt der Automat nicht aus; eine zweite Abhebung am gleichen Tag verweigert er völlig. Wir konnten zwar unsere Schiffshinfahrt damit bezahlen und haben auch noch etwas in Reserve; für die Rückfahrt reicht das aber nicht! Die soll laut Touristbüro um die 4700 NOK kosten. Wir müssen also auf den Lofoten jeden Tag ein Kartenspielchen machen, um an genügend Bargeld für die Rückfahrt zu kommen.

Jetzt aber ist schönes Wetter; wir haben für morgen früh die Schiffspassage gebucht – wozu sich jetzt also schon Sorgen machen? Da sitzen wir lieber am Hafen in Sichtweite unserer „Rosa“, trinken ein Lettöl und beobachten das Treiben um uns herum. So gegen zwei Uhr erscheint der erste Matrose an Bord; wir sprechen ihn wegen unserer Räder an – „No problem!“ Na also, dies hat sich also auch geklärt.

Nichts ist unmöglich für norwegische Matrosen!

Nun, so ganz ohne Probleme geht`s dann doch nicht! Der Grund: das Schiffsdeck liegt so etwa zwei Meter unterhalb der Kaimauer. Passagiere können recht einfach über eine Metalltreppe auf`s Dach der Kajüte gelangen und von dort aus eine steile Leiter hinunter an Deck. Bei unseren Fahrrädern ist das schon komplizierter. Wir laden zunächst die Taschen ab und reichen sie hinunter; dann lassen wir die Räder an der Kaimauer herab; der nette Matrose nimmt sie dort an. Schließlich ist alles verstaut; viele Passagiere sind außer uns nicht an Bord gekommen. Und so legen wir pünktlich um 15 Uhr in Sandnessjön ab.

Was folgt ist eine beeindruckende Minikreuzfahrt durch norwegische Schären und Fjorde. Das Schnellboot macht wirklich Dampf; wir sitzen hinten an Deck neben unseren Rädern und blicken über`s schäumende Kielwasser zurück. Und wir sind froh, dass wir diese Entscheidung getroffen haben! Jetzt kommen wir wenigstens noch auf die Lofoten. Dort können wir ja immer noch einige Kilometer per Rad machen. Wir sind uns einig: wenn wir schon mal so weit hoch im Norden sind, dürfen wir die Lofoten nicht einfach ausklammern. Wer weiß, ob bzw. wann wir wieder einmal bis hierher kommen werden.

So lümmeln wir uns hinten auf dem Deck und genießen die wärmende Sonne; einziges Problem ist jetzt nur die fehlende Sonnencreme! Gut, ab und zu schwappt auch schon mal ein wenig Wasser hoch – aber das kriegen mehr unsere Räder ab. An der rechten Schiffsseite zieht das Bergland vorbei, durch das normalerweise unsere Route geführt hätte; gut 30 Kilometer hätten wir noch bis Lavong fahren müssen und dann noch eine kleine Fähre rüber nach Nesna. So ist es uns aber lieber!

So geht`s schneller als im Sattel

Nach knapp einer Stunde erreichen wir nach einem Zwischenstop den kleinen Ort Nesna; schnell sind Räder und Gepäcktaschen auf den Kai hochgehievt, und schon dreht das Boot mit schäumender Bugwelle wieder ab. So, was können wir jetzt machen? Am Kai bis morgen früh warten und irgendwo hinter einem Schuppen schlafen gefällt uns nicht. Wir fahren los und finden den im Touristbüro beschriebenen Campingplatz – einer von der etwas edleren Sorte. Dementsprechend voll ist er; weitgehend in deutscher Hand. Für 300 NOK gibt`s eine schöne Hütte mit Blick über`s Meer, der Strand ist gerade mal zehn Meter entfernt. Die Hütte ist notwendig, weil morgen früh alles sehr schnell gehen muß. Zeltabbauen würde da zu lange dauern.

Wir richten uns ein und überlegen, was wir zum Abendessen machen könnten. Die Entscheidung fällt im Supermarkt von Nesna, den wir mit unseren Rädern – diesmal ohne Gepäcktaschen – aufsuchen: Pölser! Danach noch ein kleiner Verdauungs-Spaziergang durch`s Gelände. Erstaunlich, wie viele Zelte man hier doch sieht! Zum Abschluß des Tages sitzen wir auf der Veranda unserer Hütte und schauen hinaus auf`s Meer. Die Sonne hängt immer noch über den Bergen – wir werden heute wohl vor Sonnenuntergang in den Betten sein. Morgen geht`s schon früh los! Und so sind wir tatsächlich schon um Viertel nach neun in der Hütte verschwunden.

Ein schöner Sonnenuntergang - und endlich mal keine störenden Mücken!


Friedliche Abendstimmung in Nesna

Tageskilometer: 29,76
Schnitt: 12,96 Km/h
reine Fahrtdauer: 2h 17 Min
Max: 36Km/h
Gesamt: 500 Km


Freitag, 2.8., 14. Tag

Pünktlich um 04:15 Uhr (!!) gehen nacheinander beide Uhren-Wecker und wir rappeln uns schlaftrunken auf. Verschlafen haben wir also schon mal nicht. Um fünf Uhr wollen wir am Hafen sein – wir haben jetzt also eine Dreiviertel Stunde Zeit, alles zu erledigen. Das Gepäck haben wir bereits gestern Abend weitgehend verpackt; jetzt kommen nur noch die Schlafsachen dazu und schon wandern die ersten Taschen hinaus zu den Rädern. Natürlich alles sehr leise, weil wir unsere Mitbewohner auf dem Platz nicht aufwecken wollen.

Beim Aufziehen der Vorhänge begrüßt uns schon wieder die Morgensonne – wir merken daran, wie weit wir inzwischen nach Norden vorgestoßen sind. Das Meer liegt still vor uns – am Himmel kündigt sich bereits ein makelloses Blau an. Na also, `s geht doch!

Nesna, 4:30 - und schon wieder wunderbares Wetter

Um zehn vor fünf rollen wir mit unseren Rädern auf dem Kiesweg durch das Eingangstor; wenige Minuten später sind wir an der Anlegestelle. Außer uns sind gerade mal zwei einsame Autos da. Einige Minuten vor der Ankunft gehen dann die Tore der Lagerhalle hinter uns hoch und ein Gabelstaplermotor erwacht zum Leben.

Ein einziger Angestellter reicht anscheinend aus, um das tägliche Postschiff hier in Nesna abzufertigen. Leider stehen wir ihm mit unseren Rädern ein wenig im Weg; wir müssen mehrfach unsere Position wechseln. Wir sind aufgeregt! Bis auf Martin, der 1992 schon mal von Mehamn bis Tromsö mit der Hurtigrute unterwegs war, kennen die anderen diese berühmte Schiffahrtslinie nur vom Hörensagen. Tag für Tag startet in Bergen ein Schiff und fährt hoch bis nach Kirkenes – und dort geht es sofort wieder in umgekehrter Richtung zurück. Und das alles nach einem verlässlichen Fahrplan – im Sommer als auch im Winter. Und wir sind jetzt gleich mit dabei! Im Bauch kribbelt schon ein wenig Kreuzfahrtatmosphäre!

Ankunft der Polarlys um 5 Uhr morgens in Nesna

Auf die Minute pünktlich legt unser Schiff an. Es ist die „Polarlys“ (Polarlicht). Die seitlichen Tore öffnen sich (mit etwas handfester Nachhilfe); erst werden einige Waren ausgeladen, dann winkt uns der Lademeister zum „Nebeneingang“, der allerdings über einen kleinen Lift verfügt. Und schon sind wir im Bauch der Polarlys!

Der Lademeister ist über unsere Fahrräder nicht erstaunt - mit der Hurtigrute scheinen wohl viele Radler zu fahren

Hier ist jede Menge Platz für unsere Räder; wir stellen sie in einem geschützten Winkel ab und packen die Taschen herunter. An der Rezeption dann leider eine unangenehme Überraschung: auf dieser Tagesfahrt ist keine Kabine inbegriffen, das war wohl ein Missverständnis. Schade – also müssen wir unsere ganzen Gepäckstücke in einem kleinen Raum neben der Rezeption zwischenlagern.

Dann streifen wir kurz durch`s Schiff; jetzt am frühen Morgen ist kaum jemand außer uns unterwegs. Und so sind auch die Sessel im glasgeschützten Aussichtssalon am Bug alle noch frei. Wir lassen uns ganz vorne nieder und können so die norwegische Fjordlandschaft auf uns zu und an uns vorbeigleiten sehen. Bald schlummern wir in den gemütlichen Sesseln ein.

Unsere Radreise wird immer luxuriöser

Nach ein, zwei Stunden werden wir aber wieder munter und ziehen nun in Kleingruppen zur genaueren Schiffserkundung los; auf den Plätzen lassen wir vorsichtshalber einige Dinge liegen, da sich der Aussichtsraum inzwischen merklich gefüllt hat. Das Schiff gehört zwar nicht zu den modernsten der Flotte, bietet aber doch eine ganze Menge. Für uns aber, die in den letzten Tagen völlig frei unterwegs und ständig dem Wind und Wetter ausgesetzt waren, ist das Schiff bald schon wie ein Käfig.

Sicher – die Aussicht auf das vorbeigleitende Küstengebiet ist faszinierend. Immer wieder tauchen neue Perspektiven vor uns auf. Aber außer herumsitzen und die Landschaft betrachten, ist nicht viel möglich. Draußen sitzen geht nicht, da der Wind zu kalt ist. Also frühstücken wir direkt in unseren Aussichtssesseln; ein kleiner Glastisch vor uns ist dabei hilfreich. Interessant ist aber die Monitoranzeige: hier kann man den aktuellen Standort sowie den Kurs exakt ablesen. Und so langsam wird es spannend: wir nähern uns dem „Arctic Circle“, also dem Polarkreis.

Um exakt 7:14:50 Uhr ist dann der besondere Moment gekommen: die Schiffssirene tutet einmal laut; auf einer Insel gleitet eine stilisierte Weltkugel vorbei und schon haben wir den Polarkreis überquert! Viele unserer Mitreisenden scheint das aber gar nicht zu interessieren. Sie sitzen in ihren Sesseln; lesen, stricken oder schlafen.

Überquerung des Polarkreises: ein Metallglobus auf der Insel markiert diese Grenzlinie

Nach einiger Zeit passieren wir auf der Landseite einen weiteren interessanten Punkt: den Svartisen-Gletscher. Von uns aus sind nur einige Schneefelder zu sehen; wer will, kann jetzt mit einem Beiboot an Land gebracht werden und einen Busausflug dorthin machen. Zurück kommt man vermutlich wieder in Örnes oder Bodö.

Vorbei am Svartisen-Gletschergebiet

Nach einem kurzen Zwischenstop in Örnes erreichen wir um halb eins dann Bodö; unsere ursprüngliche Endstation. Hier haben wir zwei Stunden Landgang. Unser erster Weg führt zum Bahnhof; und hier haut es uns fast um, als wir den Preis für eine Rückfahrt mit dem Nachtzug von Bodö nach Trondheim hören: über 1000 NOK!! Dazu kommt noch, dass wir die Fahrräder mindestens einen Tag vorher reservieren müssen. Und das ist, wenn wir von den Lofoten zurückkommen, kaum machbar. Damit ist die Entscheidung gefallen: wir nehmen die Hurtigrute zurück; fast identisch im Preis, aber mit zwei Kabinenübernachtungen und ohne Streß! Nachdem das also geklärt ist, geht es in die Innenstadt von Bodö. Und hier herrscht wirklich ein munteres Treiben!

Wir schlendern durch die Straßen und durch diverse Einkaufszentren; natürlich nutzen wir auch die Möglichkeit, uns mit allem Notwendigen für die nächsten 24 Stunden einzudecken. Und natürlich streben wir gleich wieder auf den nächsten Geldautomaten zu: 3000 NOK rückt er diesmal freiwillig raus (leider auch nur wieder einmal). Jetzt muß das nur noch einmal auf den Lofoten klappen, dann sind wir für alle Eventualitäten – zumindest bargeldmäßig – bestens gerüstet.

Da man sich auf einer Schiffsreise ja auch mal was Schönes gönnen will, kaufen wir diverse Salate für`s Mittagessen ein. Marianne und Martin entscheiden sich für einen Krabbensalat in Majonaise; Florian – gegen Martins beschwörenden Rat – für einen „Potetsalat“. Und der stellt sich mit seiner Majonaise dann letztlich auch als so ungenießbar heraus, dass Florian die Hälfte entsorgt. Gut, der „Rekersalat“ von MM ist eigentlich nicht wirklich besser – er war nur wesentlich teurer und muß daher vertilgt werden. Trockenes Brot und Lettöl unterstützen dieses. Gegessen wird wieder an Bord; jetzt kann man in der Sonne draußen an Deck sitzen und auch schön das Ablegen mitverfolgen.

Das Schiff nimmt nun Kurs hinaus auf`s offene Meer; Richtung Stamsund. Nach einiger Zeit tauchen dann am Horizont erste Bergspitzen auf – das müssen sie sein, die Lofoten. Leider taucht noch mehr auf: eine dichte Wolkenwand, die sich immer näher auf uns zu bewegt. Wir hätten uns den Start auf den Lofoten auch mit gutem Wetter vorstellen können – jetzt müssen wir uns wohl damit abfinden, dass wir mal wieder genau in ein Regengebiet hineinsteuern. Und genauso kommt es dann auch!

Ehe wir das Schiff aber verlassen, müssen wir uns erst einmal an unser Gepäck heranarbeiten. Inzwischen ist der am frühen Morgen noch völlig leere Gepäckraum – vermutlich durch die vielen zugestiegenen Rucksacktouristen in Bodö – hoffnungslos überfüllt. Florian erbarmt sich schließlich, klettert über allerhand Gepäckteile bis in den hintersten Winkel und reicht uns Satteltasche für Satteltasche nach vorn. Nun heißt es dringend: umziehen und für den Regen fertigmachen. Die bereits am Ausgang stehenden Leute staunen nicht schlecht, als wir uns so nach und nach mit Regenhose, Regenjacke, festen Stiefeln und Hüten gegen das Wetter draußen wappnen.

Dann transportieren wir alle Teile schon mal zu den Rädern und laden auf. Schon senkt sich die Seitentür; der Lift fährt auf unser Niveau herunter und wir schieben die Räder hinaus – wir sind da! Seid gegrüßt, Lofoten!

Die Lofoten empfangen uns mit strömendem Regen

Noch ist es am Himmel nur drohend dunkel; noch regnet es nicht, noch! Das ändert sich aber, als wir die ersten hundert Meter auf den Lofoten zurückgelegt haben. Der nun einsetzende starke Regen zwingt uns unter das Überdach eines Supermarkts. Und wo wir schon mal da sind, kaufen wir schnell auch noch einmal ein. Wer weiß, wo wir heute Abend landen werden – wir haben gelernt, bei Zeiten vorzusorgen!

Es ist inzwischen halb sieben; düster und nicht sehr einladend. Dazu die Ungewissheit, wo wir heute schlafen können. In Stamsund gibt es auf jeden Fall keinen Campingplatz. Wir könnten in einer der Rorbur-Siedlungen nachfragen – das sind kleine Fischerhäuschen direkt am Wasser, die hier in rauhen Mengen vermietet werden. Allerdings würden wir heute noch gerne ein Stück aus Stamsund herausfahren.

So schauen wir noch kurz bei der Touristinformation hinein und dürfen dort unsere gesamten Wasserflaschen auffüllen – somit könnten wir durchaus irgendwo frei campen. Wir müssen nur was finden. Leider tut sich da nichts auf den nächsten Kilometern. Zu stark ist die Bebauung überall. Also heißt es die Zähne zusammenbeißen und gegen Wind und Regen gestemmt die Straße unter die Räder nehmen. Jedes Auto, das an uns vorbei rauscht, gibt uns noch eine zusätzliche Dusche. In diesem Moment bewähren sich unsere Regenanzüge ein erneutes Mal. Nach knapp 10 Kilometern dann ein Campingplatz – und nachlassender Regen. Der Platz ist überfüllt (vor allem mit Hunden); aber wir finden noch ein kleines Plätzchen abseits. Hier steht schon ein anderes Tunnelzelt von Vaudee mit zwei Rädern davor.

Wir machen uns flugs an unseren Aufbau und atmen auf, als alles trocken verstaut ist. Jetzt kann es von uns aus die ganze Nacht über durchregnen – Hauptsache, morgen ist es dann trocken. Und wie war das noch mal mit dem Jahrhundertsommer?

Heute gibt es noch einmal Pölser – wir haben gestern gleich für zwei Tage eingekauft. Wir sitzen gemütlich draußen am Tisch und schauen den Würstchen zu, wie sie im Topf langsam heiß werden. Marianne streikt aber bereits (Schnöggel!!), verzichtet auf Pölser und kämpft dafür lieber mit dem Rest des Rekersalats. Als wir anderen mit Genuß die erste Zehnerpackung verdrückt haben, meint Martin, die Brötchen der neu geöffneten Packung hätten doch irgendwie einen eigenartigen Geschmack. Bei genauer Untersuchung stellt sich dann heraus, dass eine ganze Menge dieser Pölser-Brötchen schon reichlich grün-schimmelig sind. So wird es also wieder nichts mit Florians Versuch, Jan und Martin mit dem 1997er-Rekordversuch (7+) zu übertrumpfen. Die letzten Pölser müssen also direkt aus der Hand gegessen werden; Ketchup und Röstzwiebelzugabe stellen dabei natürlich ein gewisses Problem dar

Tageskilometer: 9,89
Schnitt: 12,46 Km/h
reine Fahrtdauer: 0h 47 Min
Max: 43Km/h
Gesamt: 510 Km


Samstag, 3.8., 15. Tag

Geweckt werden wir schon um sieben Uhr durch lautes Gebell; die Hundebesitzer auf diesem Platz sollte man würgen! Das ist uns gestern Abend schon aufgefallen: der Platz scheint fest in der Hand von Hundeliebhabern zu sein; einige von ihnen haben mit ihren vierbeinigen Begleitern sogar in Kleinbussen geschlafen. Und jetzt gehen sie natürlich Gassi; die Hunde freuen sich darüber, bellen fröhlich (und laut) – und wir sind wach!

Über Nacht hat es immer wieder mal kräftig geregnet – jetzt ist aber Schluß damit. Nicht, dass die Sonne scheinen würde – zumindest ist es aber trocken. Um acht Uhr ist urplötzlich der Hundespuk vorbei: sämtlich Herrchen sind mit ihnen per Auto innerhalb von Minuten auf und davon – später erfahren wir auch, warum!

Für uns beginnt die Alltags-Routine: erster Kaffee im Stehen, dann nacheinander hoch zur Dusche. Beim Frühstück kommen wir ins Gespräch mit unseren Zeltnachbarn; ein Ehepaar auch so um die 50; die sind allerdings noch etwas besser drauf als wir: gestern haben sie 100 Kilometer zurückgelegt; bis runter nach Å; vorgestern immerhin 75 Km. Es sind Holländer; auch schon länger auf den Lofoten unterwegs.

Von ihnen bekommen wir ein paar wichtige Tips; insbesondere, was unseren heutigen Übernachtungsplatz angeht: da soll es kurz vor Flakstad einen schönen, wenn auch einfachen Platz, direkt am Meer geben – sogar mit einem richtigen Sandstrand. Das ist natürlich was für uns. Wir tauschen noch eine Menge an weiteren Informationen aus – das ist eines der schönen Dinge, wenn man auf gleichgesinnte Radtouristen trifft.

Danach bauen sie bereits ab, während wir noch in aller Ruhe zu Ende frühstücken. Da unsere Wurstvorräte inzwischen erschöpft sind, setzen wir neben dem Dosenfisch nun auch den nicht sonderlich beliebten Käse (Gouda am Stück) ein. Hauptsache: Energie! Unsere weiteren Pläne liegen jetzt für die Lofoten also fest: runter bis Flakstadt – und dann auch schon wieder zurück. Leider sind die möglichen Fahrtrouten auf den Lofoten ziemlich begrenzt: es gibt quasi nur eine Hauptstraße! Also gibt es prinzipiell nur zwei Möglichkeiten: sozusagen von „Å nach B“ fahren; also die Lofoten vom einen zum anderen Ende durchqueren – dazu muß man aber verschiedene Fährverbindungen einsetzen; oder aber – wie wir, von einem Ausgangspunkt (Stamsund) starten, ein Stück fahren, und dann wieder auf dem gleichen Weg dorthin zurückkehren.

Nach dem inzwischen obligatorischen Aufpumpen von Mariannes Vorderreifen (wir könnten ihn ja auch irgendwann mal flicken...) geht es los in Richtung Süden:

„Etappe 100: Stamsund-Storfjordvik-Leknes-Lilleidet-Napp-Kilanplass-Ramberg..........Å; 73 Km, > In den letzten Winkel der Inselgruppe gelangen Sie mit dieser Etappe. Da die R 19 im weiteren Verlauf zur einzigen Straße wird, müssen sie selbige nachher auch wieder zurückfahren, was aber wegen der grandiosen Landschaft kein Nachteil ist (…). In Storfjordvik folgen sie nach links der R 815, die sie in sechs Kilometern über eine große Steigung geradewegs nach Leknes bringt.“

Und da haben wir natürlich sofort die oben beschriebene Steigung. Die hat es nun wirklich in sich! Von 30 Höhenmetern arbeitet sich unser Yogi mühsam auf bis knapp 150 m hoch – und wir natürlich mit ihm! Oben werden wir dafür dann aber auch belohnt: zum ersten mal können wir einen weiten Blick über die zackigen Berggipfel der Lofoten schweifen lassen. Noch interessanter ist fast das wechselreiche Spiel von starker, fast schwarzer Bewölkung bis hin zu wolkenfreien Abschnitten. Schon jetzt ist absehbar, dass wir in den nächsten Stunden quasi alle zehn Minuten mit ständig wechselndem Wetter rechnen müssen. Hier können wir die gesamte Palette erwarten: von herrlichstem Sonnenschein bis zu prasselndem Regen (wenn`s mal nicht noch zu Hagelschauern kommt!) – besser, als jedes deutsche Aprilwetter!

Auf jeden Fall erwartet uns ein abwechslungsreiches Wetter!

Dazu kommt natürlich noch der Gegenwind. Den lernen wir sofort kennen, als wir nun nach Leknes runtersausen. Nicht nur die Zeit sitzt uns im Nacken – wir müssen dringend für das Wochenende einkaufen – auch die inzwischen über den gegenüberliegenden Felszinnen aufgetauchten nachtschwarzen Wolkenwände spornen uns gewaltig an. An den Berghängen sieht man bereits die Regenschauer niedergehen. Wir wollen Leknes möglichst noch trocken erreichen. Unterwegs lösen wir noch das Rätsel mit den vielen Hunden auf unserem Camping-Platz: hier findet gerade eine „Hunde-Untstilling“ statt, bei der anscheinend hunderte von gestylten Hunden (Typ: Pudel mit lockigem Haar) von ihren stolzen Besitzern vorgeführt werden. Voller Grausen darüber fahren wir schnell weiter.
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Zuerst steuern wir den hiesigen RIMA 1000 an; hier scheinen uns die Preise aber doch etwas hoch zu sein, also trennen wir uns leichten Herzens nur von unseren Pfandflaschen und schauen mal in den benachbarten Bunnprix rein – mit dem enttäuschenden Ergebnis, dass die hier wohl ihre Preise abgesprochen haben. Was soll`s – einkaufen müssen wir so oder so. Also können wir das auch gleich hier machen und nicht weiter auf Suche gehen.

Martin gönnt sich ein echtes 33er Mack-Öl; gedacht für den heutigen Wendepunkt auf den Lofoten; Florian hat für diesen Anlaß sogar noch ein deutsches Jever-Döschen im Gepäck! Sicherheitshalber haben wir diesmal (und das ist auf unserer Norwegen-Tour wirklich eine Ausnahme!) unsere Lenkertaschen mit den wichtigsten Papieren, Videocamera, Scheckkarten usw. losgeschnallt und mitgenommen – die Geschäfte hier sind schon eher Einkaufszentren mit dementsprechenden Käuferandrang. Da gehen wir dann doch lieber auf Nummer sicher.

Außer den Grundnahrungsmitteln, insbesondere also Brot für heute und morgen, kaufen wir nicht besonders viel. Wir wollen uns zwar mit 12 Postkarten samt Briefmarken eindecken – beim Anblick des Preises reduzieren wir die Menge dann ganz schnell auf die wirklich erforderlichen vier Karten: Wacek in Polen, Franco in Umbrien, Pinuccio auf Sardinien und natürlich eine für Frau Gördes, unsere Mechanikerin in Meschede. Der Grund dafür liegt in der norwegischen Preisgestaltung: 9 Kronen für die Karte, dazu nochmals 6 Kronen für das Porto – umgerechnet also etwa 4 Mark!

Als wir anschließend an der Information vorfahren und uns nach der Fähre erkundigen, setzt pünktlich der Regen ein. Immerhin weist man uns den Weg zum nächsten Geldautomaten – wir sind ja dringend darauf angewiesen, nun Tag für Tag Bargeld zu schaufeln, sonst kommen wir ja gar nicht mehr von den Lofoten weg! Draußen sitzen wir unter dem Vordach regengeschützt und beobachten eine Gesellschaft von Bikern, die sich ganz cool geben und erst Regenjacken rausholen, als sie schon ziemlich durchnässt sind.

In einer Regenpause starten auch wir; schnell hinüber zur Minibank und ihrem Geldautomaten, wo wir erneut 3000 Kronen erhalten. So, die Bargeldsorgen sind wir nun weitgehend los – bleibt nur das Problem mit dem Sonderticket auf der Hurtig-Line. Wir müssen ja innerhalb eines 24-Stunden Zeitraums vor der Abfahrt von Stamsund anrufen. Das wollen wir heute Abend dann vom Lagerplatz aus erledigen.

Kurze Zeit später erwischt uns dann der nächste Schauer, gepaart allerdings mit einem prächtigen Regenbogen vor uns. Mal wieder müssen die Regenanzüge her – die Jungen begnügen sich allerdings mit den Jacken, was sich in kürzester Zeit als Fehler herausstellt! Bei dem sintflutartigen Regen sind die Hosen schnell durchnässt.

Jahrhundertsommer? Hier jedenfalls zur Zeit bestimmt nicht! Wir sind jetzt auf der einzigen südwärts führenden Straße unterwegs; Flakstad ist die nächste Insel gegenüber; da müsste bald die Brücke kommen. Zumindest taucht schon mal ein Schild auf: „Bomveg – 3 Km“. Aha, aber wir werden ja wohl hoffentlich wieder davon verschont bleiben! Aber kurz darauf die Überraschung: keine Brücke erwartet uns – nein, die Jungs haben sich für eine Tunnel-Variante entschieden. 1,6 Km soll er laut Hinweisschild sein; schön tief unter dem Fjord hindurch. Marianne wird es dabei arg mulmig – aber was wollen wir machen? Es ist die einzige Möglichkeit, rüber nach Flakstad zu kommen.

Kurz vor der Einfahrt in den Flakstad-Tunnel

Und so machen wir uns in enger Kolonne an die Unterquerung des Fjords: Christian mit seinem hellsten Rücklicht hinten; Martin mit Stirnlampe vorn. Es geht tiefer und tiefer – und wie! Und uns wird klar, dass wir alles, was wir jetzt so schnell hinunter fahren, gleich auch wieder hoch müssen. Wir müssen sogar abbremsen, weil wir in diesem schlecht beleuchteten Tunnel zu schnell werden und mögliche Schlaglöcher nicht mehr rechtzeitig erkennen könnten. Für alle eine neue Erfahrung: mit dem Rad unter dem Nordeismeer hindurch fahren! Das ist schon was.

Der anschließende Anstieg ist dann auch was! Die beiden Jungen ziehen schon mal vorweg, während Marianne und Martin auf den engen Fußgängerweg am Rand der Tunnelröhre wechseln und lieber schieben. Oben kommt uns doch tatsächlich eine Fußgängerin entgegen! Wir können uns nur schwer vorstellen, dass jemand diese knapp zwei Kilometer zu Fuß machen will – zumal der Tunnel nur über eine natürliche Durchlüftung verfügt.

Aus dem Tunnel heraus geht es an der Mautstation unbehelligt vorbei – noch läuft die Straße schön eben – das wird sich allerdings in kürzester Zeit ändern. Voraus sehen wir schon den nächsten gewaltigen Anstieg, der über die Insel hinweg zur anderen Fjordseite führt. „Napp“ heißt die kleine Ortschaft hier – und rechts von uns liegen die bekannten „Napptindane“, also die Nappzinnen. Doch leider ist von denen zur Zeit nichts zu sehen; zu dicht und tief liegen die Wolken. Schade.

Beim Anstieg setzt jetzt noch ein richtiger Starkregen ein – da ziehen sich nun auch die Jungs gerne die Regenhosen über. Wir haben den Anstieg gerade geschafft, da fahren wir schon wieder in wärmenden Sonnenschein hinein und so mit wesentlich besserer Laune in zügiger Fahrt hinunter zum Fjordufer. Und das ist auch schon unser letzter Fjord für heute. Wir müssen ihn nur noch umrunden, um unser gegenüber schon erkennbares Ziel, die Kirche von Flakstad, zu erreichen. Dort in der Nähe soll sich der empfohlene Campingplatz befinden.

Nur noch den Fjord umrunden – das hört sich allerdings schneller an, als es zu realisieren ist! Die schmale Straße zieht sich in ständigem Auf und Ab am Ufer entlang – und urplötzlich liegt neben uns ein verlockender Sandstrand. Zusammen mit dem glasklaren, grün-blauen Wasser könnte man es auf einem Foto – ohne die steilen Felswände rings herum – glatt für eine Bucht auf Sardinien halten! Allerdings lassen die momentanen Temperaturen die Gedanken an ein Bad schnell wieder verschwinden. Das soll dem Sandstrand am Campingplatz vorbehalten bleiben.

Am Fjordende setzt mal wieder starker Regen ein, der uns erneut in die Regenanzüge treibt. Zwei andere Radfahrer überholen uns, in kurzer Hose; ihre Gesichter sehen aber ziemlich verkniffen aus und sie erwidern unseren Gruß auch nicht. Dann treffen wir noch auf zwei Rucksackwanderer, ebenfalls frierend in kurzen Hosen, einsam an einem Bushaltestellen-Schild wartend. Nach etwa 15 Kilometern erreichen wir dann das gegenübergelegene Fjordende mit dem winzigen Dörfchen Flagstad. Wir steuern zielstrebig die kleine Kirche an (im Reiseführer wird ein Besuch empfohlen); leider ist alles fest verschlossen.

Dummerweise ist auch nirgendwo etwas von einem Campingplatz zu sehen! Wir folgen also dem Zubringer zurück zur Hauptstraße und treffen da tatsächlich auf eine kleine Hütte mit einigen fröhlich im Wind flatternden Fahnen. Das hier ebenfalls angebrachte Hinweisschild macht deutlich, dass wir am Ziel sind. Gut, unter einem Campingplatz hätten wir uns etwas anderes vorgestellt – das Gelände zum Meer hin ist aber recht weitläufig und nur mit ganz wenigen Zelten gespickt. Da wird für uns genügend Platz sein.

Wir klopfen an der Hüttentür und treffen den Besitzer des Platzes gerade beim Abendbrot an. Der Mann entpuppt sich als Unikum! Seinen Teller schiebt er zur Seite und spricht uns in bestem Deutsch an – Geschäft ist Geschäft - erst die Arbeit, meint er, dann das Essen. Das wäre in Deutschland auch so! Wir kommen ins Gespräch und er erzählt uns, dass er in Deutschland geboren sei. Morgen sind seine sieben Wochen Urlaub um und er wird wieder zurück nach Südnorwegen fliegen; im Sommer betreibt er hier seinen Platz. Außerdem sammelt er Bierdosen – unter vielen anderen hat er auch schon Veltins, Warsteiner und sogar Karlsquell vom Aldi in seinem Regal stehen. Na, dann kann er morgen noch die Diebels-Dose von Florian dazu stellen.

Prost! Echtes Bier zur Feier des Tages: wir haben unseren Wendepunkt hier am Eismeer erreicht

Wir bauen nun unsere Zelte auf und gehen anschließend getrennte Wege: die beiden Jungen fahren nochmals ein kleines Stück (insgesamt 25 Km!) weiter die Straße entlang bis Strömnes; Marianne und Martin gehen zum Strand hinunter und schauen den Nordmeerwellen zu. Die Idee mit einem Bad verschieben wir schon mal auf den nächsten Tag…. Danach machen wir uns ans Kochen und genießen zwischendurch einen heißen, verfeinerten Cappuccino. Inzwischen haben sich so nach und nach noch verschiedene andere Leute im Gelände verteilt – es sieht ein wenig aus wie eine Werbeveranstaltung für Outdoor-Firmen: Helsport, Hilleberg, The Northface und Wolfskin – es ist so ziemlich alles vertreten. Neben uns baut eine allein fahrende Deutsche Radlerin, Barbara, ihr kleines Einpersonenzelt auf; wir kommen ins Gespräch und tauschen unsere Erfahrungen aus.

Um 21 Uhr starten wir dann den ersten Versuch, die Fähre telefonisch zu erreichen – leider vergeblich. Wir holen uns die Hilfe unseres Platzwartes bzw. seiner Tochter – um 21:21 wissen wir aber dann definitiv, dass wir das Schiff nicht erreichen können. Irgendwas läuft da leider schief. Wir müssen es morgen in Leknes versuchen.

Kurz vor 23 Uhr kommt dann tatsächlich die untergehende Sonne noch einmal kurz aus den über dem Meer hängenden Wolkenschichten heraus und wir können so doch noch einen Mini-Sonnenuntergang am Eismeer miterleben.

Fast noch Mitternachts-Sonne


Sonntag, 4.8., 16. Tag

Wir gönnen uns heute am Wendepunkt der Tour etwas mehr Schlaf – erst gegen halb neun krabbeln wir aus den Zelten. Barbara nebenan ist schon mit dem Packen fertig und verabschiedet sich von uns; wir verzichten angesichts der langen Menschenschlange am Waschhaus auf eine Dusche, verabschieden uns bald darauf ebenfalls von unserm Platzwart und fahren etwa 500 Meter weiter zu einem Rastplatz, um dort zu frühstücken.

Abschied bei strahlendem Sonnenschein vom Eismeer

Und hier dann die gute Nachricht des Tages: in der kleinen Holzhütte befindet sich eine Information, in der sich wiederum eine junge Dame aufhält. Und die schafft in wenigen Minuten problemlos eine Telefonverbindung zu unserem Schiff – und schon sind wir stolze Inhaber eines „Sommer-Pakets“, leider einschließlich der Zusatzkosten für die Fahrräder (die wir unserer netten Dame schlecht verheimlichen können). Damit wäre die Übernachtung in den nächsten zwei Tagen schon mal mit einer Kabine gesichert. Als dann eine ganze Busladung am Parkplatz hält und die Menge das Gelände überflutet, packen wir unsere Frühstücksutensilien ein und fahren los.

Das Wetter ist heute wesentlich besser – man könnte es sogar heiter bis wolkig nennen. Dennoch – das lang geplante Bad im Meer geben wir nun endgültig auf. Stattdessen genießen wir die klare Sicht auf die Berge um uns herum und machen uns gut gelaunt auf den Rückweg.

Am hinteren Fjordende trennen sich unsere Wege erneut – Florian und Christian fahren noch einen sechs Kilometer langen Abstecher zum Nusfjord, während Marianne und Martin schon mal langsam weiterzockeln. Und das bessere Wetter macht die Rückfahrt dann auch schon zu einem richtigen Genuß. Heute, am Sonntag, ist hier auch eine ganze Menge los: viele Radfahrer kommen uns entgegen – die werden heute wohl einmal bis A und zurück fahren.

Aber auch viele Wanderer sind heute unterwegs. Beim genauen Hinsehen finden wir neben der Straße auch einige Wegmarkierungen, die wohl die Einstiege zu Wanderwegen hoch auf die Zinnen um uns herum sind.

Gegenüber liegt Flakstad - wir haben inzwischen den Fjord schon wieder umrundet

Mit mäßigem Tempo geht es am sonnigen Fjord entlang – heute kommen die kleinen Sandstrände noch besser zur Geltung. Leider sind beim Aufstieg zum Paß bei Napp die Napptindane immer noch nicht zu sehen – zu steil steigt das Gelände an, als das man die oberen Bergspitzen sehen könnte. Diese Nappzinnen können wir erst bewundern, als wir den Tunnel wieder durchfahren haben und uns drüben auf der Hauptinsel befinden.

Wir messen bei der Tunneldurchfahrt mal die „Tiefe“: exakt 65 m unter dem Napp-Straumen zeigt unser Höhenmesser an. Das ist doch schon mal was! Weiter geht´s zurück bei wesentlich besserem Wetter als gestern bis nach Leknes. Am Sonntagmittag wirkt der Ort wie ausgestorben. Wir lassen uns im Park neben der Information nieder, genießen die wärmende Sonne und warten auf die beiden Jungen, die auch pünktlich um 15 Uhr eintrudeln. Sie sind begeistert von dem kleinen Fischerort Nusfjord und haben dort einige schöne Videoaufnahmen machen können.

In Ermangelung besserer Dinge müssen wir uns nun über unsere Notreserven hermachen: Haselnüsse in Schokolade gehüllt – zwar nahrhaft, aber auf die Dauer nicht gerade das leckerste Essen. Die Pause nutzen wir anschließend noch zum Schreiben der Postkarten (ein außergewöhnlich früher Zeitpunkt, sind wir doch sonst dafür bekannt, Karten erst immer am letzten Tag zu schreiben!). Dank der Telefonzelle bekommen wir nun auch einmal einen Kontakt zu Deutschland. Der Anruf bringt allerdings keine wesentlichen Neuigkeiten – der Wetterbericht allerdings amüsiert uns: Dauerregen in Deutschland! Da sind wir mit dem „Jahrhundertsommer“ hier in Norwegen dann doch zufrieden.

Leider zeigt das sonnige, fast windstille Wetter nun auch seine nachteiligen Seiten: der Anstieg von Leknes hoch bringt uns heute kräftig ins Schwitzen. Dafür können wir von oben dann einen weiten Blick über die Lofoten werfen – wettermäßig gesehen ein versöhnlicher Abschied von dieser Region.

Weiter Blick auf den nördlichen Teil der Lofoten

Zügig rollen wir dann weiter bis Stamsund. Hier streifen wir auf der Suche nach einem Rastplatz ein wenig mit den Rädern durch den Ort und werden an einem engen Kanal fündig: eine typisch norwegische Bank/Tisch-Kombination vor einem Holzhaus lädt uns zu einer ausgiebigen Pause ein, die wir mal zum Kartenspielen nutzen. „Anlegen“ heißt das Spielchen, bei dem manche Krone ihren Besitzer wechselt….

In der Tourist-Information fassen wir dann Trinkwasser und begeben uns anschließend schon mal zum Kai. Hier warten wir noch ab, bis der Trubel der gerade nordwärts abgehenden Hurtigroute sich gelegt hat, dann besetzen wir den Warteraum und kochen ein schmackhaftes Linsensüppchen. Unsere „Vesteralen“ legt dann pünktlich um 21 Uhr an.

Ankunft der Vesteralen in Stamsund

Wir schieben unsere Räder an Bord und dürfen die Hafen-Aufkleber selbst an den Rädern befestigen. Klar, dass kurz darauf nun alle für unsere Tour bedeutsamen Aufkleber als Souvenir auf den Rädern sind. Aber wer wird schon in Deutschland später wissen, worum es sich bei Namen wie „Nesna“ oder „Stamsund“ handelt? Zum Glück ist natürlich noch „Trondheim“ mit dabei – denn das ist jetzt unser Endhafen.

Wir holen uns an der Rezeption die Schlüssel; zwei 2-Bett-Kabinen, über der Wasseroberfläche, also mit Aussicht. Die Kabinen sind gut; eine Dusche/WC gehört mit dazu – hier kann man es schon zwei Nächte aushalten.

Nachdem wir uns eingerichtet haben, machen wir es uns an Deck gemütlich. Die Vesteralen hat Stamsund schon wieder verlassen und wir lassen nun die Lofoten-Kette langsam hinter uns. Dabei können wir ein seltenes Schauspiel bewundern: jedesmal, wenn die Sonne hinter einer der Zinnen verschwunden ist, taucht sie kurz darauf wieder in einem Sattel auf und verabschiedet sich dann hinter einem anderen Berg erneut. Fünf verschiedene Sonnenuntergänge können wir auf diese Art und Weise nacheinander bewundern. Viele Mitreisende genießen dieses kostenlose Schauspiel zusammen mit uns. Dabei werden natürlich Unmengen an Fotos geschossen.

Zum ersten Mal liegen die Lofoten nun in ihrer gesamten Ausdehnung vor uns; eigentlich ein einziger, massiver Felsklotz. Jetzt wundern wir uns nicht mehr darüber, dass es quasi nur eine einzige durchlaufende Straße gibt. Um halb elf ist die Sonne dann endgültig verschwunden und wir schauen noch kurz im Salon vorbei. Die vorwiegend älteren Mitreisenden sitzen vor schön aussehenden Halbliter-Biergläsern – ein Blick auf den Preisaushang zeigt uns allerdings die stolze Summe von 48 Kronen; da üben wir lieber Konsumverzicht und werden uns lieber im nächsten Hafen in einem Geschäft etwas kaufen.

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