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Montag, 5.8., 17. Tag

Der Tag beginnt für uns äußerst früh! Der Wecker reißt uns schon um 6:15 Uhr aus dem Schlaf – wir haben uns für heute vorgenommen, einmal das norwegische Frühstück an Bord der Vesteralen zu genießen. Ab sieben Uhr sitzen wir dann im fast völlig leeren Speisesaal und machen uns an die Arbeit. 105 Kronen – das ist der Pauschalpreis – und so lassen wir uns nicht lumpen.

Während draußen die norwegische Landschaft vorbei gleitet, genießen wir all die Dinge, die wir bislang bei unserem Frühstücksangebot nicht hatten: Eier in allen Variationen, dazu „Sursild“ und jede Menge andere Fischspezialitäten (Marianne wagt sich sogar tapfer an einen „Fisch-Kaker“); Brot in vielen Sorten, Wurst, Käse, Müsli, Joghurt; dazu Orangensaft und Kaffee – wer hier nicht satt wird, ist selber schuld! Da wir ja nur selten Häfen anlegen und dementsprechend knapp die Einkaufsmöglichkeiten unterwegs sein werden, belegen wir uns vorsichtshalber schon mal ein paar Brote für eine mittägliche Zwischenmahlzeit an Deck.

Danach beginnt für uns ein Tag, der sich völlig von den bisherigen Fahrttagen unterscheidet: kein Zeltabbau, nichts in den Satteltaschen verstauen, kein Radfahren. Stattdessen relaxen auf dem Oberdeck; bestes Wetter, herrlicher Sonnenschein, tolle Aussicht. Mal fährt das Schiff an der Küste entlang, mal sucht es sich seinen Weg zwischen den Schären hindurch; manchmal wird es so eng, dass uns schon etwas mulmig wird. Na ja, die fahren hier ja täglich her und werden die Wassertiefen schon kennen…

Zwar nicht anstrengend - auf die Dauer aber ziemlich langweilig

Dennoch – nur so an Deck zu sitzen und zuschauen, wird uns auf die Dauer doch recht langweilig. Zum Glück sehen wir an der Küste immer wieder Strecken, die wir ja schon mit dem Rad gefahren sind, und so schwelgen wir bereits in Erinnerungen. Nach Sandnessjön können wir dann endlich das verpasste Foto von der Bergkette der „Sieben Schwestern“ nachholen; auch das Felsenloch des „Torghatten“ wird heute sichtbar.

Am Torghatten fährt der Kapitän sogar eine extra Runde (!), damit alle Reisenden genug Zeit haben, das Loch zu bewundern und dementsprechend viele Fotos und Videomitschnitte zu machen. Abends dann kommen wir sogar noch am „Heilshornet“ und seinen beiden Brüdern vorbei. Schön, dass wir das alles so nochmals sehen können.

Die kleinen Häfen zwischendurch sind ansonsten die einzige Abwechslung und gleichzeitig willkommene Verpflegungsstationen. Besonders erfolgreich der Besuch im RIMA 1000 in Sandnessjön – 3 Kronen für ein Lettöl sind doch etwas weniger als die horrenden Preise an Bord! In den Häfen verlassen die meisten Passagiere mit uns das Schiff; man bummelt ein wenig durch die Gassen am Hafen, hat aber immer im Hinterkopf die Abfahrtszeit! Für vergessliche Zeitgenossen gibt es zusätzlich mehrere Signale der Schiffssirene, die auf die bevorstehende Abfahrt aufmerksam machen.

Am Ende des Tages sind wir uns einig: man muß die Hurtigroute mal erlebt haben; ein bis zwei Tage reichen dafür aber völlig aus – uns steht der Sinn doch mehr zum Radfahren. Wir ziehen uns in die Kabine zurück und müssen nun das Kochproblem lösen! Leckere Käsetortellini stehen auf dem heutigen Menu-Plan – aber wo kochen? Oben an Deck geht es nicht, dort ist es viel zu windig. In der Kabine auch nicht, denn da hängt ein Rauchmelder unter der Decke. Wir kommen aber ziemlich schnell auf die einfachste Lösung: in der Dusche geht das Kochen prima!

In Rörvik dann noch ein letzter Abendaufenthalt; hier treffen wir die „Trollfjorden“, eines der großen, neuen Schiffe der Hurtig-Line. Daneben sieht unsere schon recht betagte Vesteralen ziemlich klein aus. Aber dafür gibt es bei uns an Bord auch nicht so viel Trubel. So sitzen wir nach dem Hafen noch entspannt an Deck, genießen den Sonnenuntergang und freuen uns auf den morgigen Tag: endlich zurück auf den Fahrradsattel!

Mit einem erholsamen Nachtschlaf klingt unsere Reise mit der Hurtigroute dann aus. Wir legen zwar schon um halb sieben morgens in Trondheim an; mit der Rezeption haben wir aber vereinbart, dass wir erst um halb neun geweckt werden, da das Schiff in Trondheim längere Zeit festmacht.


Dienstag, 6.8., 18. Tag

Unsere Vesteralen wird heute in Trondheim von beiden Seiten mit dicken Wasserstrahlen gesäubert; dadurch werden wir gegen sieben doch etwas unsanft geweckt, als das Wasser prasselnd gegen unsere Bullaugen schlägt. Zum Glück schlafen wir nochmals ein und werden wie abgesprochen gegen halb neun geweckt. Unsere Gepäcktaschen haben wir bereits gestern Abend weitgehend gepackt; jetzt können wir den Tag mit einer schönen, heißen Dusche beginnen, ehe wir uns mit dem Gepäck zu den Rädern begeben. Und schon sind wir am Kai von Trondheim. Hier liegt das echte Schwesternschiff der Vesteralen, die „Midnattsol“. Sonnenschein empfängt uns; es wird wohl erneut ein herrlicher Tag werden.

Zunächst steuern wir das Stadtzentrum an, um etwas zum Frühstück einzukaufen; Brot, süße Teilchen, wonach uns gerade der Sinn steht. Auf dem Innenhof des Kriegsmuseums neben dem Dom legen wir dann eine ausgiebige Frühstückspause ein, ehe wir uns der Kultur widmen. 35 Kronen kostet jetzt schon der Eintritt in den Dom – da vergeht uns der Appetit auf Kultur, zumal wir die Kirche ja schon von früheren Fahrten her kennen. Die beiden Jungen erkunden stattdessen das Kriegsmuseum.

Fahrräder darf man vor dem Nidaros-Dom immer noch umsonst fotografieren - der Eintritt in den Dom von Trondheim wird aber von Jahr zu Jahr teurer!

Über die Heimdal-Route verlassen wir Trondheim dann wieder in Richtung Melhus. Jetzt, im Sonnenschein, sieht das alles natürlich wesentlich schöner aus als während der Hinfahrt im Regen! Auf der Anhöhe von Heimdal legen wir daher auch eine kurze Rast am Bahnhof ein, ehe wir die letzten Kilometer nach Melhus weiterfahren. Wir leeren dabei unsere – hoffentlich letzten – Lettölflaschen und kassieren gleich das dazu gehörige Pfandgeld – ab Melhus haben wir unsere eigenen Vorräte im Transit zur Verfügung.

Kurz nach 14 Uhr ist an diesem Dienstag mit der Ankunft auf dem Betriebsgelände von Helsport dann unsere diesjährige Radtour zu Ende; am Schluß mussten wir noch mehrmals Mariannes Reifen auf den letzten Kilometern einige Male aufpumpen – egal, das können wir zu Hause reparieren. 620 Gesamtkilometer liegen hinter uns (für die Jungen sogar wegen der zusätzlichen Fahrten noch etwas mehr) – das reicht! An Materialverlusten gibt`s nicht viel zu beklagen: Martins defekter Hinterreifen; bei Marianne jetzt der Vorderreifen – die Probleme mit Florians Tretlager bzw. der häufiger abspringenden Kette an Christians vorderem Kettenblatt – das ist jetzt vergessen. Wichtiger: keine Stürze oder sonstigen Verletzungen. Jetzt werden die Räder demontiert und alles wieder im Transit verstaut.

Im Helsportbüro stehen wir zunächst ein wenig verloren herum, bis Herr Helliksen überraschend persönlich auftaucht. Wir gehen mit ihm nochmals unsere diesjährige Zelt- und Schlafsackbestellung durch; da das Logo aufgenäht werden soll, wird demnächst alles per Schiff an uns verschickt. Zusätzlich bekommen wir noch einige Ersatzgestänge und Zusatzsegmente geschenkt – wir bedanken uns mit einem Fläschchen und verabschieden uns für dieses Jahr von ihm.

Beim Start des Transits ein kleiner Schock, als sich erst mit einem spürbaren Ruck die festsitzenden Bremsen lösen. Aber das gibt sich wieder schnell nach einigen Kilometern Fahrt. Und dann fahren wir mit den erlaubten 90 Km/h wieder auf der E 6 in Richtung Süden – wir wissen um die Gefahr der verborgenen Radar-Kontrollen der norwegischen Polizei.

Die norwegischen LKW-Fahrer scheint das nicht besonders zu interessieren – sie ziehen beständig an uns vorbei. Und das mit weit mehr als der erlaubten Höchstgeschwindigkeit. Aber wir haben ja auch genügend Zeit! Aus „touristischen Gründen“ haben wir uns entschieden, die nächsten beiden Tage einen Umweg zu unserem eigentlichen Zielgebiet, dem Jotunheimen, zu fahren. Christian und Florian kennen das Gebiet um den Geiranger noch nicht und wollen das unbedingt mal sehen. Also wird uns die Route nun von Dombas aus in Richtung Andalsnes führen; von dort über den Trollstiegen und den Geirangerfjord nach Lom und dann über die RV 55, den „Sognfjellvegen“, zum Startpunkt unserer nun noch anstehenden Trekking-Tour ab Eidsbugarden.

Da es inzwischen schon auf 17 Uhr zugeht, wollen wir heute an einem unserer „alten“ Lagerplätze nächtigen. Wir zweigen also in Hjerrkin von der E 6 ab und fahren ca. 15 Km auf der nördlichen Grenzstraße des Rondane-Gebirges; immer am Fluß entlang. Und hier kommen wir dann zu einem schönen Freicamper-Plätzchen, auf dem wir direkt am Flussufer völlig ungestört zelten können.

Na ja, nicht ganz ungestört (von den Mücken mal abgesehen, aber die nehmen wir schon gar nicht mehr zur Kenntnis): schon über dem Dovrefjell haben sich schwarze Wolken vor uns aufgetürmt, und pünktlich bei Ankunft am Lagerplatz beginnt es wie aus Eimern zu schütten. So bleiben wir im Wagen sitzen und genießen das erste deutsche Dosenbier. Im Regenanzug wird danach aufgebaut; hier wird es auch merklich früher dunkel. Zum Tagesabschluß werfen wir ein paar Cevappcicci in den Topf und wärmen uns im Schlafsack noch an einem heißen Rumkaffee. Tja, die Temperaturen sind ganz schön weit runter – hoffentlich ist es morgen besser!


Mittwoch, 7.8., 19. Tag

Und es ist nach einer teilweise regnerischen Nacht wirklich besser geworden: strahlender Sonnenschein beim Herauskriechen aus den Zelten! Gut, so werden die touristischen Highlights heute angenehm zu befahren sein.

Wir machen uns nach einer ausgiebigen Wäsche am Fluß ans Abbauen der inzwischen weitgehend trockenen Zelte. Frühstücken wollen wir erst unterwegs – möglichst mit schöner Aussicht. Einkaufen können wir daher auch noch bequem in Dombas.

Doch zuerst müssen wir wieder zurück zur E 6. In Hjerrkinn erreichen wir sie und steuern nun auf Dombas zu – links und rechts das Gelände des Dovrefjells, in dem wir vor drei Jahren bei einer Trekking-Tour zur Snöhetta eine intensive Bekanntschaft mit den hier frei lebenden Moschusochsen machen durften….

Hier an der E 6 ist von unseren wilden Freunden natürlich nichts zu sehen (im Transit wären wir heute auch in einer etwas besseren Position als damals zu Fuß mit dem schweren Rucksack, wo sie uns auf unserem Wanderpfad entgegenkamen)

Steil hinunter geht es nun die letzten Kilometer bis nach Dombas, wo wir natürlich den Hauptparkplatz mit dem riesigen Troll ansteuern und dann im Supermarkt die notwendigen Sachen einkaufen. Außer Brot und Milch ist das aber nicht viel, denn in unserer Verpflegungskiste sind noch ausreichende Vorräte.

Im Seitental nach Andalsnes treffen wir dann auf ein schönes Plätzchen, an dem wir mit guter Aussicht auf den weißschäumenden Fluß gemütlich in der Sonne frühstücken. Und welch Überraschung: endlich mal keine Mücken weit und breit! Kurz hinter Björli sind wir hier – das wäre auch ein guter Zeltplatz für künftige Touren.

Kurz vor Andalsnes; gleich zweigt die Straße zum Trollstigen ab

Kurz vor Andalsnes rücken die Berge dann immer näher an die Straße heran; sie werden auch immer schroffer. Die Straße zum Trollstigen biegt aber noch vor Andalsnes nach Süden ab. Jetzt wird es für den Transit bald ernst! Einige Kilometer schlängelt sich der Straßenverlauf noch leicht ansteigend dahin, dann geht es hinein in die Serpentinen! Für Marianne und Martin ist die Strecke ja nicht neu – dennoch ist dieses Straßenstück hinauf zum Paß immer wieder ein Erlebnis! Hier haben die norwegischen Straßenbauer wahrlich ein Meisterstück geschaffen (oder war es tatsächlich ein wütender Troll mit seiner Peitsche, wie eine alte Legende erzählt?).

Am oberen Ende des Trollstigen angekommen gibt es natürlich den obligatorischen Fotostop. Unter den Unmengen anderer Touristen fallen wir aber gar nicht auf. Auch von oben sind die vielen Serpentinen ein toller Anblick – und über uns ragt noch das hohe Romsdal-Horn steil in den Himmel. Wirklich sehenswert!

Klar - dieses Foto gehört natürlich mit zu einer Trollstigen-Passage

Auf der anderen Rampe des Trollstigen geht es nun etwas gemächlicher bergab; wir müssen zwischen Valldal und Eidsdal den Fjord mit einer (teuren!) Fähre überqueren und sind schon wieder im Anstieg, diesmal auf dem „Örnes-Vegen“, dem Adlerweg. Auf seinem höchsten Punkt können wir erstmals hinunter in den Geiranger blicken. Und natürlich werden auch hier die obligatorischen Fotos und Videoaufnahmen gemacht.

Unten im Fjord gleich drei (!) große Kreuzfahrtschiffe, die mit ihren qualmenden Schornsteinen unter uns den ganzen Fjord einnebeln, Schweinerei! Im Örtchen Geiranger wie immer das gleiche Spiel: mühsam einen Parkplatz suchen und dann auf in die wogende Touristenmenge! Lange halten wir das aber nicht aus und so machen wir uns schon bald wieder an den gegenüberliegenden Anstieg in Richtung Dalsnibba. Und zwischendurch suchen wir intensiv nach dem Ort, von wo aus wohl die meisten Geiranger-Fotos gemacht werden. Von uns auch!

Das reicht jetzt aber an Geiranger-Ansichten!

Inzwischen ist es schon Spätnachmittag. Auf eine Hochfahrt zum Dalsnibba verzichten wir daher in diesem Jahr; kurz darauf kommen wir an einem Gletschersee vorbei, in dem Leute baden – hmm, das wäre doch vielleicht ein Plätzchen für die Nacht? Leider ist die einzige grasige Fläche, die von Weitem so schön flach aussah, bei näherer Untersuchung doch ziemlich mit Löchern, herausragenden Steinen und Rinnen durchsetzt; also weiter bis zum Abzweig nach Stryn. Hier die nächste Enttäuschung: ursprünglich wollten wir neben dem Tunneleingang schlafen, so wie in den früheren Jahren. Jetzt ist die kleine Holzbrücke über den Fluß, die einzige Zufahrt dorthin, durch solide Findlinge gesperrt.

Und so müssen wir weitersuchen. Da wir auf jeden Fall hier oben im Gebirge bleiben wollen, gestaltet sich die Suche etwas schwierig: die Straße verläuft auf einem Damm; links und rechts ist meist Sumpfgebiet. Irgendwann finden wir dann an einem See eine Stelle, an der wir den Transit ein paar Meter von der Straße wegfahren können. Ein paar Meter weiter ist genügend Platz für unsere Zelte. Wir kochen ein leckeres Gulasch mit viel Zwiebeln und können dabei ein heranziehendes Gewitter genießen. Viel Regen in der Nacht; dazu Sturm. Unsere Helsportzelte haben damit aber keine Schwierigkeiten.


Donnerstag, 8.8., 20. Tag

Das Unwetter der Nacht hat sich verzogen; bei bestem Wetter geht’s nun das einsame Tal weiter bis Grotli. Ab hier wird`s wenigstens wieder richtig grün neben der Straße. Unterwegs kaufen wir für´s Frühstück ein, finden aber dann bis kurz vor Lom keine geeignete Raststelle. Kurz vor der Einfahrt nach Lom dann nach links ein Hinweisschild zu einem Campingplatz, aber auch zu einer Raststelle. Dort frühstücken wir ausgiebig, machen danach einen Bummel durch Loms „City“ und starten dann schon wieder hinein ins Gebirge: auf dem Sogne-fjellvegen geht es jetzt richtig bergauf – Norwegens höchste Paßstraße liegt vor uns!

Wie immer ist die Durchquerung des Jotunheimen auf dieser Straße ein Erlebnis. Traditionell läuft dabei im Cassetten-Deck eine alte Aufnahme von Jean-Michel Jarre (die Cassette fehlt bei keiner Norwegenfahrt). Leider verfinstert sich der Himmel nun immer mehr. Als wir parallel zum Fanaraken fahren, setzt ein sintflutartiger Regen ein! Er zwingt uns an den Straßenrand (und alle anderen Autofahrer auch), weil die Sicht so schlecht wird, dass man die Straße nicht mehr erkennen kann. Die Scheibenwischer schaffen´s einfach nicht mehr. Und noch was: von den „normalen“ Schneewänden links und rechts der Straße ist nicht eine Flocke mehr zu sehen! Na ja, wir gehen ja auch schon auf Mitte August zu. Wir haben in anderen Jahren, Ende Juni, Anfang Juli hier schon Fotos mit dem Transit gemacht, wie er zwischen 4 Meter hohen Schneemauern durchfährt.

Kurz nach dem höchsten Punkt auf der Sognefjell-Straße

Zum Glück lässt das Unwetter aber bald nach; an einem neu geschaffenen Aussichtspunkt, bereits auf der Abfahrt, machen wir einen Fotostop. Von hier aus können wir schon die winzige Nebenstraße erkennen, die gleich ab Turtagro rüber in Richtung Övre Ardal abzweigt. Klar, dass auf dieser Straße dann am „Bomveg“ wieder mal 50 Kronen Maut fällig ist; das zahlen wir aber gerne, weil dadurch doch eine Menge an Kilometern gespart werden kann. Die Nebenstraße scheint auch so gut ausgebaut noch nicht sehr lange zu existieren. Von Övre Ardal dann weiter steil bergauf nach Tyin; hier zweigt endlich die Schotterpiste nach Eidsbugarden ab. Noch ca. 20 Kilometer – dann erreichen wir den vorläufigen Endpunkt der Autofahrt – ein ziemlich verlassen aussehendes, trostloses Nest. Und natürlich kein Campingplatz, dafür aber der deutliche Hinweis, dass in der Nähe der DNT-Hütte nicht gezeltet werden darf.

Also erkunden wir die Gegend mal zu Fuß und werden auch bald fündig: so etwa drei- bis vierhundert Meter in einen Feldweg hinein könnten wir noch mit dem Transit über Stock und Stein (mehr Stein) fahren; dort stehen schon ein paar Zelte im Gelände verstreut. Das machen wir dann auch und müssen nun gut nach einem Platz suchen, da ziemlich viel Sumpf vorhanden ist. Marianne und Martin haben bald einen Platz gefunden; die beiden Jungen sind noch nicht zufrieden und suchen weiter. Marianne fotografiert begeistert das Wollgras.

Als wir uns eingerichtet haben, trabt eine andere Gruppe vorbei, Deutsche, Pfadfinder – geradewegs von einem mehrtägigen Hike durch das Jotunheimen kommend. Wir kommen natürlich schnell ins Gespräch und tauschen Erlebnisse aus. Die Ausrüstung der Pfadfinder hat auf dem Marsch arg gelitten; einer hat nur noch „Restschuhwerk“ an den Füßen. Nachdem sie ihre Kothe etwas weiter weg aufgebaut haben, kommen sie nochmals zurück um zu fragen, ob wir sie morgen vielleicht nach Ardalstangen zu einem Schuhladen mitnehmen könnten. Können wir natürlich nicht, weil wir ja gerade von dort gekommen sind. Martin hat aber die Lösung, bzw., genauer gesagt, noch ungebrauchte Ersatzschuhe im Transit. Die Größe passt, der Preis auch, da es sich um ein Schnäppchenangebot von Larca-Sport handelt.

Und so kommt der beklagenswerte Zeitgenosse dann für 75 Euro an neue Wanderschuhe. Glück gehabt! Und weil wir auch sonst noch gut bestückt sind, geben wir als Dreingabe noch ein Fläschchen Hochprozentiges und einige Bierdosen zu. Als Pfadfinder muß man sich schon mal unter die Arme greifen… Während die Jungs morgen begreiflicherweise einen Ruhetag einlegen wollen, ziehen wir uns bald ins Zelt zurück, da für uns morgen ja die dreitägige Trekking-Tour beginnen soll.


Freitag, 9.8., 21. Tag

Unser heute startendes Trekking-Projekt ist schnell beschrieben: zunächst am Nordufer des Bygdin-See entlang, dann nördlich hinauf in Richtung Gjendebu, bis zum Eingang des „Oksedalen“; hier hoch zu verschiedenen Seen und dann über das „Bandet“ zwischen dem Galdeberget (2075m) und der Slettmarkpiggen (2163m) hinweg; von dort aus wieder bergab bis zum Bygdin-See und der Herberge Torfinnsbu. Zurück dann nach Eidsbugarden mit dem Schiff. In unserem Reiseführer von Bernhard Pollmann ist diese Strecke als aussichtsreich, wild und immer wieder als „grobblockiges Gelände“ beschrieben. Die Schwierigkeitsstufe soll „mittel“ sein. Wir werden es bald wissen. Zuerst wird gefrühstückt und dann das gesamte Ausrüstungsmaterial samt Verpflegung erstmalig im Rucksack verstaut. Zum Glück haben wir uns vorher schon auf einer Liste aufgeschreiben, was wir im Detail mitnehmen wollen – so brauchen wir jetzt nur noch alles zusammen suchen.

Den Wagen lassen wir am Übernachtungsplatz stehen und machen uns dann so gegen elf auf den Weg. An das Gewicht des Rucksacks auf den Schultern müssen wir uns erst noch gewöhnen. Zunächst geht es an der DNT-Hütte vorbei; der Einstieg in den Wanderweg am nördlichen Seeufer ist nicht schwer zu finden. Nach einigen Kilometern am Ufer entlang beginnt der Pfad steil anzusteigen. Da die kopierte Wegbeschreibung aber exakt ist, folgen wir dem Pfad ohne zu zögern. Und tatsächlich kommt bald darauf die schon angekündigte Seilbrücke über den Fluß Höystakka in Sicht. Wenn man sich erst einmal an das Schwanken der Bretter gewöhnt hat, macht so eine Seilbrücke richtig Spaß! Eine entgegenkommende Wandergruppe ziert sich da schon mehr…

Besser über eine wackelige Brücke als durch`s Wasser waten müssen

Leider ist das Wetter nicht besonders gut; das schränkt auch die Aussicht ziemlich ein. Ein anderer Wanderer gibt uns dann den entscheidenden Tagestip: zelten entweder am Beginn des Oksedalen, oder aber das ganze Tal einschließlich Bandet-Anstieg durchqueren und erst auf der anderen Seite schlafen – unterwegs kein Zeltplatz!

Da ist unsere Entscheidung schnell gefallen: wir laufen noch bis zum gut markierten Abzweig in das Oksedalen und suchen dort nach einigen hundert Metern ein noch relativ ebenes und grasiges Plätzchen. Schnell sind beide Zelte hochgezogen und wir genießen den inzwischen dank der aufgelockerteren Bewölkung doch sehr guten Überblick über diesen Teil des Jotunheimen.

Die DNT-Wege sind hervorragend markiert

Eine Trinkwasserstelle ist nicht weit entfernt – das wäre also auch kein Problem. Während Marianne und Martin sich schon mal ans Kochen machen, ziehen die Jungen nochmals los, um den morgigen Weg zu erkunden und vielleicht schon mal auf die Schneefelder am Auslauf des Galdeberget zu kommen. Nach einem wärmenden Abendessen und diverser Schlummertrünkchen geht es dann bald in die Schlafsäcke.

Trinkwasser ist hier auch kein Problem


Samstag, 10.8., 22. Tag

Früh sind wir auf den Beinen, geht es doch heute noch mächtig bergan! Dummerweise müssen wir schon recht schnell unsere Regenjacken drüberziehen – einmal ist es arg nieselig, andererseits pfeift auch ein schneidender Wind durch das Oksedalen. Und so wandelt sich die heutige Tagesetappe immer mehr von einer Trekking-Tour zu einer Trekking-Tortur! Schon auf dem Anstieg hoch bis zum Niveau des Oksedalstjernet (auf 1561 m) kommen wir unter der Regenmontur arg ins Schwitzen. Als wir in Höhe des See-Auslaufes ankommen, wird uns klar, dass wir es heute wohl noch einige Male mit der berüchtigten „norwegischen Gipfeltäuschung“ zu tun haben werden: immer, wenn man meint, jetzt hätte man die Höhe erreicht, türmt sich gleich dahinter der nächste Berg auf! Und schon bald wird uns überdeutlich, was Bernhard Pollmann mit dem „grobblockigen Gelände“ meint: das gesamte Terrain besteht nur noch aus zusammengewürfelten Felsbrocken in der Größe zwischen einem halben Meter Durchmesser und stattlicher Hausgröße.

Und irgendwie zwischendurch schlängelt sich der „Wanderweg“, der aber völlig individuell zu suchen ist – nur ab und zu geben die norwegischen „T-Zeichen“ in rot die ungefähre Richtung an. Mit Händen und Füßen müssen wir uns gelegentlich weitertasten; dummerweise müssen wir auch immer damit rechnen, dass sich einer der Steinbrocken und Steinplatten unter unseren Füßen bei Belastung bewegt. Unangenehm, wenn man darauf bei jedem Schritt wartet. Und das drückende Gewicht des Rucksacks auf dem Rücken macht die ganze Sache nicht angenehmer.

Kalt, feucht, ungemütlich - dazu der schwere Rucksack

Der Oksedals-See zieht sich nun scheinbar endlos dahin. Ganz selten mal kommt uns ein anderer Wanderer entgegen; meist allein, seltener als Zweiergruppe. Die sind natürlich alle schneller; kein Wunder, haben sie doch nur ein Tagesgepäck auf dem Rücken. Wir dürfen uns nun auf eine neue Herausforderung freuen: es gilt immer wieder, Schneefelder zu überqueren. Die führen teilweise recht steil bis in den See hinab; bei einem Ausrutscher ist so ein erfrischendes Bad gewiß… . Dementsprechend vorsichtig tasten wir uns voran, zumal wir gerade bei Felsen, die in die Schneefelder eingebettet sind, immer die Gefahr besteht, dass man an der Steinkante bei trügerisch brüchiger Schneedecke tief einbricht. Teilweise hören wir unter uns auch das Schmelzwasser rauschen.

Und jetzt noch über die brüchigen Restschnee-Felder

Das Beste kommt nun aber noch: der Anstieg zum Bandet. Mein Gott, auf der Karte sieht das ja alles recht einfach aus; jetzt aber geraten wir heftig ins Keuchen und Schwitzen, als wir uns mit der Last auf dem Rücken den Weg hinauf suchen. Die Markierungen lassen uns dabei auch immer wieder im Stich. Dieser Anstieg wird wohl allen Teilnehmern ungut in Erinnerung bleiben. Oben dann zur Stärkung ein Müsli-Riegel. Wir beobachten zwei Mädchen, die in Gegenrichtung den Abhang hinuntereilen und scheinbar ohne Mühe die Blockfelder am See entlang meistern.

Die Aussicht zurück zeigt uns, was wir in den letzten Stunden laufen mußten - so richtige Lust hat keiner mehr

Wir machen uns nun auch auf der Rückseite des Bandet an den Abstieg und müssen nun auf den Galdebergtjernet, also den Galdeberg-See (wieder auf 1507 m), zuhalten. Eine letzte Schwierigkeit stellt das Überschreiten seines Ausflusses dar – laut Führer soll er „auf Steinen“ durchschritten werden. Na ja, das klappt dann auch noch. Marianne wählt gleich die Teva-Sandalen und watet durch den Bach barfuß hindurch.

Sumpf, verzweigte Bäche - da ist jeder Fußtritt schwierig

Vor drei Jahren haben wir die gesamte Tour abgesagt, weil wir gerade bei den Flussdurchquerungen zu viel Schmelzwasser (damals Ende Juni) gehabt hätten. Heute geht es aber mit dem Wasserstand. Und so arbeiten wir uns immer weiter, ohne größeren Höhenunterschied; vorbei am Südufer des Langedalstjernet (1513 m), bis wir seinen Ausfluß in Richtung Bygdin-See erreicht haben. Drohende Wolkentürme am Horizont lassen uns nun schnell nach einem geeigneten Lagerplatz Ausschau halten. Leider sind wir nicht schnell genug! Mitten in der Aufbauphase geht ein enormer Platzregen auf uns nieder. Wer – wie Martin – meint, die letzten Häringe noch ohne Regenzeug einschlagen zu können, hat eine verhängnisvolle Entscheidung getroffen! Bald darauf ist der Spuk aber auch schon wieder vorbei und wir können uns aus den Zelten herauswagen. An diesem Platz befestigen wir heute sämtliche Sturmabspannungen und können so eine ruhige Nacht verbringen.


Sonntag, 11.8., 23. Tag

Gott sei Dank – das Wetter spielt mal wieder mit: nicht gerade blauer Himmel, aber immerhin sieht es nach dauerhafter Trockenheit aus. Also schnell alles zum Trocknen auf die Zelte gelegt und dann in Ruhe gepackt. Über dem Bygdinsee liegen noch dichte Nebelschwaden, in unserer Höhe ist aber schon alles frei. Das heißt umgekehrt aber auch, dass wir zum See hinunter noch ganz schön absteigen müssen. Bald brodelt das Kaffeewasser im Kessel und wir gönnen uns vor dem Abbau ein, zwei Cappuccinos – leider enden damit die Vorräte.

Das Wetter hat sich wieder beruhigt und wir können trocken abbauen

Dann machen wir uns an den Zeltabbau; das Material ist zwar noch naß, heute Abend werden wir aber hoffentlich eine schöne warme Hütte bei Olav am Sognefjord haben. Also alles hinein in die Packsäcke und dann ab damit in den Rucksack. Trocknen können wir alles heute Abend (wenn das Wetter es erlaubt).

Wir machen uns dann auch zügig an den Abstieg, der uns nun immer am tief eingeschnittenen Fluß entlang dem Seeufer näher bringt. Wir dürfen auf keinen Fall das Schiff verpassen – es fährt nur einmal! Also verzichten wir vorsichtshalber auf`s Frühstück und verschieben es auf die Wartezeit am Schiffsanleger bei Torfinnsbu.

Nach gut einer Stunde erreichen wir dann das Ufer, müssen nun aber noch ein, zwei Kilometer dem Pfad am Ufer entlang in Richtung Hütte folgen. Dort gönnen wir uns dann endlich das Frühstück, aus Dosenbrot und Teewurst bestehend. Und kurze Zeit später tuckert dann auch das kleine Motorschiff, von Bygdin her kommend, zu unserem Anleger. Wir sind froh, ziemlich vorn in der Reihe der Wartenden zu stehen – wir haben doch Zweifel, ob der Kahn wirklich alle Leute mitnehmen kann.

Als schließlich alle an Bord sind und auch noch Fahrräder verladen sind, kann die Reise losgehen. Vorbei an schroffen Felswänden macht sich unser Boot auf in Richtung Eidsbugarden. Jetzt wird uns klar, warum der einzige Wanderweg von Eidsbugarden nach Torfinnsbu den beschwerlichen Weg über das Oksedalen macht – am Ufer entlag gäbe es wegen der steil in den See abfallenden Felswänden keine Chance für einen Pfad. Nun ja, daher ja auch die Schiffsverbindung.

Nach etwa einer Stunde steuern wir dann den Anleger von Eidsbugarden an; wir konnten schon lange vorher unseren Transit auf seinem Parkplatz ausmachen – das ist nun das Ende unseres diesjährigen Norwegen-Programmes. Wir haben inzwischen beschlossen, die eigentlich geplante zweite Wanderung durch das Rondane für ein anderes Jahr zurück zu stellen. Stattdessen werden wir nun noch einen Abstecher zum Campingplatz von Olav am Sognefjord machen; danach dann in mehreren Tagesetappen zurück nach Deutschland. Wir sind ja jetzt auch schon in der vierten Reisewoche – und da ist die Luft nach Radtour und Trekking einfach raus.

Ende der Fahrradtour; Ende der Trekkingtour - und das an einem würdigen Platz: in Eidsbugarden steht der in Stein gehauene Kopf des norwegischen Dichters Vinje

Als unsere „M/S Bitihorn“ dann anlegt, lassen wir die ungeduldigen Mitfahrer erst einmal aussteigen, ehe wir uns auf die letzten Meter zu unserem Transit machen. Zuerst aber natürlich noch ein Foto vor dem aus Stein gehauenen Kopf des norwegischen Dichters Vinje, der deutlich macht, wem die Herberge hier ihren Namen und ihre Entstehung verdankt. Vinje (1818 – 1870) dachte sich auf seinen vielen Wanderungen durch das Gebirge auch den Namen „Jotunheimen“ (Heim der Riesen) aus; neben unzähligen Touren durch Jotunheimen wanderte er u. a. 1860 auch über 500 Kilometer zur Krönung Karls XV. nach Trondheim. Zusammen mit seinen Freunden gründete er auch den DNT, den norwegischen Wanderverein, dem wir die heutigen Tour-Markierungen und das Hüttennetz verdanken.

Wir lassen unsere Rucksäcke nun erleichtert am Transit fallen, laden kurz um und starten dann zum Sognefjord. Über Laerdal und Sognedal bis hin zum Fähranleger von Hella; von dort mit der Fähre rüber nach Vangsnes. Und schon stehen wir bei Olav auf seinem Campingplatz. Olav kennen wir nun schon seit etwa 25 Jahren; er freut sich wie immer, wenn wir so überraschend reingeschneit kommen. Für 2 Nächte gönnen wir uns bei ihm eine komfortable Hütte; nach der Wanderung wollen wir nun ein wenig relaxen und die Annehmlichkeiten eines festen Daches über dem Kopf genießen; von den heißen Duschen mal ganz abgesehen. Das Wetter ist „typisch Sognefjord“, zumindest so, wie wir es hier oftmals erlebt haben: Wolken, die die gegenüberliegenden Gebirgsketten verhüllen; immer wieder Regenschauer. Wir sitzen auf der überdachten Veranda und genießen dennoch den weiten Ausblick über den Fjord.

Der Platz ist übrigens sehr empfehlenswert; zentral gelegen etwa 4 Kilometer nach Vangsnes auf der Straße nach Vik (Tveit-Camping); mit guter Infrastruktur, sauber und bester Sicht über den Fjord. Man spürt deutlich, dass dieser Platz als Familienbetrieb geführt wird.

Als der Regen nachlässt, streifen wir durch die Klippen und das weiträumige Gelände von Olavs Platz. Abends dann eine gemütliche Runde auf der Veranda. Auch hier merkt man nun ziemlich deutlich, dass die Tage merklich kürzer werden.


Montag, 12. 8. bis Donnerstag, 15.8., 24. - 27. Tag

Über die letzten vier Tage kann recht kurz berichtet werden. Am Montag gönnen wir uns einen Ruhetag; besuchen Vik und steuern natürlich auch die alte Stabkirche an. Die Preise dort steigen allerdings von Jahr zu Jahr!

Bei einem gewaltigen Fischessen verderben sich Marianne und Martin dann leider den Magen und haben damit bis zur Ankunft in Deutschland ihre Last. Über Flam und den neuen, 24 Km langen Tunnel geht es dann zurück über Oslo, durch Schweden und über die Vogelfluglinie zurück ins Sauerland, wo wir am Donnerstag dann nach knapp vierwöchiger Reisezeit um viele „Erfahrungen“ reicher, müde, aber zufrieden, eintreffen.


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